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Wie normal ist die überlieferte Liturgie?

Kardinal Canizares beim PontifikalamtKardinal Antonio Canñizares, Präfekt der Gottesdienstkongregation, wird am kommenden Samstag in der Peterskirche ein Pontifikalamt aus Anlass der „Una cum Papa nostro"-Pilgerfahrt zelebrieren. Der „Vaticanista“ Andrea Tornielli hat den Kardinal für „La Stampa“ dazu befragt, warum er diese Aufgabe übernommen hat. Wir haben das Interview nach der englischen Fassung auf „Vatican Insider“ übersetzt:

Frage: worum geht es bei dieser Pilgerfahrt?

Antwort: Es geht darum, Gott und dem hl. Vater für das vor 5 Jahren erlassene Motu Proprio zu danken, das den Wert der Liturgie nach dem Missale des seligen Papstes Johannes XXIII. anerkennt und die Kontinuität zur Tradition des römischen Ritus verdeutlicht. Durch die Anerkennung der älteren Form wird deutlich, daß „Reform" nicht bedeutet, ältere traditionelle Formen einfach abzuschaffen.

Frage: Warum haben Sie sich dazu bereit erklärt, eine Messe für die Pilger, die dem vorkonziliaren Ritus verbunden sind, zu zelebrieren?

Antwort: Ich habe zugestimmt, weil ich damit zeigen will, daß es etwas ganz normales ist, das Messbuch von 1962 zu verwenden. Es gibt zwei Formen des römischen Ritus – aber es gibt nur einen Ritus, und deshalb ist es ganz normal, ihn für die Feier der hl. Messe zu verwenden. Ich habe schon mehrfach nach dem Missale zelebriert, das der sel. Papst Johannes XXIII. eingeführt hat, und gerne nehme ich diese Gelegenheit wahr, es erneut zu tun. Die Kongregation, zu deren Präfekten mich der Papst berufen hat, hat nichts gegen den Gebrauch der alten Liturgie einzuwenden, auch wenn die Aufgabe unseres Dikasteriums darin besteht, die Bedeutung der liturgischen Erneuerung nach den Vorgaben von Sacrosanctum Concilium zu verbreiten und den Fuußspuren des 2. Vatikanischen Konzils zu folgen.

In diesem Zusammenhang ist anzumerken, daß auch die außerordentliche Form des Lateinischen Ritus sich von der Konstitution des Konzils inspirieren lassen muß, deren erste zehn Abschnitte sich auf den wahren Geist der Liturgie konzentrieren und damit alle Riten betreffen.

Frage: Wie beurteilen Sie den Stand der Umsetzung des motu proprio Summorum Pontificum nach 5 Jahren?

Antwort: Ich kenne nicht die Einzelheiten der Situation in aller Welt, auch weil es die Sache der Kommission Ecclesia Dei ist, sich damit zu befassen, aber ich denke, die Leute beginnen allmählich zu erkennen, daß die Liturgie das Herzstück der Kirche darstellt und daß wir das Verständnis für das Mysterium und das Heilige in unseren Zelebrationen wiederbeleben müssen. Außerdem glaube ich, daß wir nach fünf Jahren besser verstehen, daß es nicht nur um ein paar Gläubige mit nostalgischen Gefühlen für den Lateinischen Ritus geht, sondern darum, die Bedeutung der Liturgie zu vertiefen. Wir alle sind Teil der Kirche, wir alle gehören zur Gemeinschaft. Papst Benedikt hat das sehr gut am ersten Jahrestag von Summorum Pontificum dargelegt, als er daran erinnerte, daß keiner in der Kirche nicht willkommen ist.

Soweit das Interview. Dazu zwei Anmerkungen: Daß der Kardinal die „Normalität“ der Zelebration nach der überlieferten Liturgie hervorhebt, ist einerseits sehr erfreulich - andererseits nach Lage der Dinge aber auch eine Bestätigung dafür, daß wir von dieser „Normalität“ noch weit entfernt sind - und daß selbst der Präfekt der Gottersdienstkongregation wenig mehr hat als beschwörende Worte, um die Propagandisten liturgischer Dikontinuität, wie sie gerade in Deutschland sehr lautstark sind, in die Schranken zu weisen.

Etwas irritierend erscheint zunächst der Hinweis auf die „ersten 10 Abschnitte“ von Sacrosanctum Concilium, die wegen ihres allgemeinen Charakters auch für die Anhänger der überlieferten Liturgie von Bedeutung seien. Schließlich stehen am anfang der Konstitution 13 Abschnitte sehr allgemeiner Art, für die sich allgemeine Verbindlichkeit postulieren läßt, ohne die Eigenart eines Ritus anzutasten.  Aber vielleicht meint der Kardinal die „10“ ja nur als ungefähre Angabe einer Größenordnung. In jedem Fall erscheint dieser Hinweis geeignet, Befürchtungen zu dämpfen, daß unter Hinweis auf die Reformvorgaben von SC auch die überlieferte Liturgie einer eingreifenden Neuordnung zu unterziehen sei: Konkrete Vorgaben zur Neugestaltung der Liturgie finden sich im Dokument des Konzils erst ab dem zweiten Kapitel, das mit Abschnitt 14 beginnt.

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