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„Praedicate Evangelium“ und kuriale Schlamperei

Bild: Screenshot aus il sismografoNun haben wir's also „from the horses mouth“, wie die respektlosen Amerikaner zu Äußerungen eines beauftragten Sprechers sagen: Die Erwähnung der „außerordentlichen Form“ des römischen Ritus in der neuen Grundordnung der Kurie „praedicate Evangelium“ war ein redaktioneles Versehen, das alsbald berichtigt werden wird. So Bischof Marco Mellino, Sekretär des Kardinalsrates (der im übrigen bei der Abfassung der Grundordnung wenig zu sagen hatte) bei der offiziellen Pressekonferenz zur Vorstellung am 21. März.

Kein Versehen hingegen ist die neue Bestimmung der Grundordnung, wonach auch Lai*innen als Häupter von Dikasterien mit den höchsten Leitungsämtern der Kirche betraut werden können – obwohl das im Widerspruch zu Abschnitt 129 des Rechtskodex der Kirche zu stehen scheint, der bestimmt: Can. 129 — § 1.

Zur Übernahme von Leitungsgewalt, die es aufgrund göttlicher Einsetzung in der Kirche gibt und die auch Jurisdiktionsgewalt genannt wird, sind nach Maßgabe der Rechtsvorschriften diejenigen befähigt, die die heilige Weihe empfangen haben. § 2. Bei der Ausübung dieser Gewalt können Laien nach Maßgabe des Rechtes mitwirken.

Das – so belehrte bei der Pressekonferenz der Jesuit Gianfranco Ghirlanda die stauenende Öffentlichkeit – bedeute nicht das, was da steht, sondern neuerdings etwas anderes, fortschrittlicheres: Die Leitungsgewalt in der Kirche kommt nicht vom Sakrament der Weihe, sondern von der „kanonischen Beauftragung“, d.h. von der Ernennung durch den Papst. Was für ein Glück, daß wir die Jesuiten haben: Die sakramententheologischen Implikationen dieser völlig aus der Luft gegriffenen „schwarz ist weiß“-Behauptung sind unerschöpflich.

Was sonst noch in „Praedicate Evangelium“ steht? Manches wird als sinnvolle zeitgemäße Anpassung von Organisationsstrukturen von einiger Dauer sein – die bis jetzt geltende Version hielt immerhin 50 Jahre. Anderes wird als dreister Ausdruck Franz’scher Allmachtsvorstellungen wohl schon von seinem Nachfolger korigiert werden. Entgegen seiner ständigen Beteuerungen, eine synodale und zuhörende Kirche errichten zu wollen, werden durch das neue Regelwerk immer mehr Entscheidungsabläufe auf den Papst hin ausgerichtet – eine Anleitung zum Zentralismus und zu Micromanagement, wenn man so will.

Eine höchst Informative Analyse der neuen Grundordnung bringt Andrea Cagliarducci auf TheCatholicWorldReport, deutsch beim Beiboot Petri. Hier geht es weiter Hauptkennzeichen der Neuerungen wäre danach eine umfassende „Verweltlichung“ der Strukturen, wie sie sich auch in der oben zitierten jesuitischen Darlegung ausdrückt: Die transzendentalen und sakramentalen Elemente des päpstlichen Leitungsamtes werden zurückgedrängt oder ganz ausgetilgt zugunsten funktioneller Aspekte, die sich an rein weltlichen Prinzipien orientieren. Nur ein Beispiel: Aus dem früheren „Kardinalstaatsekretär“ wird ein „Staatssekretär“, und das „*in“ samt seinem Stern wird sich zu gegebener Zeit schon einstellen. Besonderheiten, die das zentrale Nervensystem des irdischen Leibes Christi betonen, verschwinden; fast alles, was an frühere Zeiten erinnert, wird „abgeschafft“.

Noch eine grundsätzliche Überlegung: Sowohl der Titel der neuen Grundordnung „Praedicate Evangelium“ als auch die Aufzählung der als „Dikasterien“ strukturell gleichgeschalteten Arbeitsbereiche, unter denen jetzt die „Evangelisierung“ den ersten Platz einnimmt, beruhen auf einer Fiktion: Seit Jahrzehnten hat die römische Kirche die Mission als Kernelement jeder Evangelisierung, so wie sie zweitausend Jahre lang verstanden und praktiziert wurde, praktisch eingestellt. Und wo sie – wie etwa in den Enzykliken des Papstes oder den Dokumenten seiner Synoden, von den Dokumenten lokaler Bischofskonferenzen ganz zu schweigen, wo sie etwas verkündet, ist das allzu oft nicht das Evangelium Christi, sondern „evangelium a la mode“ – um Vieles, was dem Zeitgeist anstößig erscheint, bereinigt, aber mit Kompromißangeboten angereichert. Eine Fassade von Unaufrichtigkeit und Täuschung, die dem härter werdenden Ansturm der Zeitgeister kaum auf Dauer geschmeidig widerstehen kann.

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