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Joseph Ratzinger lebt

Bild: Etward Pentin, NCRDas Werk Joseph Ratzingers ist nicht mit dem 31. 12. gestorben. Die Gesetze und Amtsakte von Papst Benedikt mögen von seinem Nachfolger Franziskus – und vielleicht auch noch von dessen nächstem Nachfolger – zurückgenommen und in ihr Gegenteil verkehrt werden. Aber das Werk des Theologen und wahrhaften Kirchenlehrers Joseph Ratzinger lebt weiter und ist für ihre Hände nicht erreichbar – nichts zeigt das deutlicher als die Fülle der Nachrufe, die in der vergangenen Woche erschienen sind. Der meisten davon jedenfalls, wie man einschränkend sagen muß, denn gerade in Deutschland – und soweit wir sehen auch insbesondere dort – sind viele Nachrufe erschienen, die eher als hemmungslose Schmähschriften zu lesen sind denn als Versuche zur Würdigung eines Lebenswerkes. Zusammenfassende „Würdigungen“ dieser Schmierereien, verfasst von dem protestantischen Theologen Jürgen Henkel und der Konvertitin Susanne Wenzel, sind bei kath.net erschienen. Die wissen halt noch, was „katholisch“ bedeutet, und jedes weitere Wort zu den üblen Nachreden, die sich konzentriert bei häretisch.de und den Staatsmedien finden, wäre zuviel.

Warum die Apostaten auf deutschen Professoren- und Bischofsstühlen den verstorbenen Theologen-Papst stets mit solcher „sprungbereiter Feindseligkeit“ verfolgt haben, erklärt der Münchener Theologe Wollbold in einem nicht direkt als Nachruf gemeinten Artikel über die Freiburger Rede Benedikts vom 25. September 2011, die in der Tat als einer der bedeutendsten Vorträge Ratzingers in Erinnerung bleiben und weiterwirken wird. Wollbold konzentriert sich dabei auf den in dieser Rede verkündeten Appell zur „Entweltlichung“ der Kirche, der von den versammelten und sich zu Recht getroffenen Repräsentanten der „Hauptamtlichen und Berufslaien“ (Wollbold) mit großem Missfallen zur Kenntnis genommen worden war. Mit geradezu prophetischem Scharfblick geisselte der Papst damals die für viele erst undeutlich erkennbare Entwicklung, die in den folgenden Jahren auf den Synodalen Weg zu einer unzüchtigen Mesalliance von staatlichen und kirchlichen Strukturen, zu einem neuen Bündnis von „Thron und Altar“ führen sollte.

Dem liturgischen Erbe von Joseph Ratzinger, das mit Traditionis Traditores“ von Franziskus nur behindert, aber nicht wirkungslos gemacht werden kann, widmet sich Fr. Uwe Michael Lang in einem außerordentlich kenntnisreichen Artikel, der im englischsprachigen Adoremus-Magazin erschienen ist: The Liturgical Legacy of Pope Benedict XVI. Ebenfalls höchst lesenswert, wenn auch leider hinter der Bezahlschranke unzugänglich gemacht, der Nachruf von Martin Mosebach mit der entscheidenden Frage, die Benedikt an Gläubige und Amtswalter der Kirche gleichermaßen gestellt hat: „Glaube ich, dass die Kirche der Apostel, der Martyrer und Väter die Kirche Jesu Christi ist, oder glaube ich, dass diese alte Kirche untergegangen ist und der Heilige Geist sich jetzt im Zeitgeist offenbart?“ Diese Frage bleibt aktuell, bis „Rom“ nicht mehr davor zurückscheut, eine eindeutige Antwort darauf zu geben.

Hier geht es weiterWeiterhin nennenswert aus deutscher Produktion erscheinen uns die Nachrufe von Marco Gallina, der unter dem Titel „Benedikt: Der letzte seiner Art“ freilich mehr in die Vergangenheit als in die Zukunft schaut – was bei einem Nachruf nicht unbedingt ein Vorwurf sein muß. Und dennoch: Bereits einen Tag vor der Todesnachricht aus Rom veröffentlichte das Crisis Magazine einen Artikel von Kennedy Hall unter dem Titel: „A Storm Is Coming When Benedict Dies“, der genau diesen Blick in die Zukunft wagte und von daher auf Dauer lesenswert bleibt. Wie so viele Beiträge aus dieser außergewöhnlichen Publikation, von denen wir nur noch wenige besonders hervorheben wollen: „The Paradoxical Pope“ von Eric Sammons und „A Wise Man Ends His Pilgrimage“, in dem Sean Fitzpatrick den Tod Benedikts zum Anlaß nimmt, über das uns allen vorbestimmte Ziel der irdischen Pilgerschaft nachzudenken.

Mehr die allgemeine Zukunftsentwicklung von Kirche und Gesellschaft stehen im Zentrum des „Nachrufs“ des Theologen und Sozialwissenschaftler Fr. James Schall, der dort am 2. Januar unter dem Titel: The Political Philosophy of Joseph Ratzinger“ erschienen ist. „Nachruf“ in Anführungszeichen, weil das Magazin den Beitrag schon vor mehreren Jahren zur Vorsorge für den Weggang Benedikts bestellt und erhalten hat, während Fr. Schall bereits 2019 im gesegneten Alter von 91 Jahren verstorben ist. Ebenfalls kein Nachruf, aber eine hervorragende Zusammenfassung von Elementen aus dem Leben Benedikts XVI., die sein fortdauerndes Wirken verständlich machen, präsentiert ein Gespräch von Richard Cascioli mit Kardinal Müller, das im vergangenen September auf Bussola Cotidiana erschienen ist und jetzt verstärkt Aufmerksamkeit findet: „Benedikt XVI. war der heilige Augustinus unserer Zeit.“

Eine weitere amerikanische Publikation, die in den vergangenen Tagen zahlreiche lesenswerte Würdigungen des Lebenswerkes von Papst Benedikt veröffentlicht hat, ist der National Catholic Register, den man nicht mit der gegen bischöfliche Weisung den Namen „catholic“ führenden Apostaten-Postille National Catholic Reporter verwechseln sollte.Besonders zu nennen sind Edward Pentin in „Benedict XVI and Tradition: An Analysis of His Approach to the Traditional Liturgy“ und Tyler Arnold in „Joseph Ratzinger’s Liturgical Legacy“ verweisen auf die wohl am stärksten in die Zukunft weisenden Aspekte des Lehrens und Wirkens von Papst Benedikt. Joan Frawley Desmond wendet sich dem nicht nur die Vergangenheit, sondern auch die Zukunft betreffenden Thema der päpstlichen Amtsaufgabe zu: „Assessing Benedict’s Resignation: The Questions That Remain“. Guter Journalismus scheut auch zu großen Anlässen nicht vor kleinen Themen zurück – deshalb hier auch noch der Hinweis auf den ebenfalls im NCR erschienen Artikel von Courtney Mares: „Benedict XVI: A Look Back at the Cat-Loving Pope’s Favorite Feline Friends“.

Abschließend noch zwei spezielle Themen. Joseph Ratzinger war nicht nur ein großer Lehrer der Kirche, sondern auch ein überaus fruchtbarer Lehrer der Menschen als Einzelpersonen und ein großer Missionar. The CatholicWorld Report bringt eine beeindruckend umfangreiche Übersicht über bekannte und weniger bekannte Konvertiten aus protestantischen Denominationen, aber auch aus dem Islam, die sich alleine auf Twitter mit ihrem Bekenntnis zu Benedikt als ihrem Weg zum Glauben öffentlich gemacht haben. Eine Wiederholung widmet die gleiche Publikation dem bereits im Jahr 2013 erstmals veröffentlichten Selbstzeugnis von Roger Dubin über seine Konversion aus dem Judentum.

Das zweite Thema sei hier eher der Vollständigkeit halber angesprochen: Es geht um die kritischen Stellungnahmen zur liturgischen Gestaltung der Beisetzungsfeierlichkeiten für den verstorbenen 264. Nachfolger des hl. Petrus als Oberhirte von Rom. An erster Stelle zu nennen sind hier die sehr kritischen Überlegungen des argentinischen Blogs Carminante Wanderer, in Englisch auf Rorate Coeli  und in deutscher Übersetzung beim Beiboot Petri. Rorate Caeli bringt auch die ebenfalls eher kritischen Beobachtungen des (kirchlich ungebundenen) tschechischen Expräsidenten Václav Klaus . Auch Andrea Gagliarducci macht in seinem Montagskommentar viele kritische Anmerkungen, die in der Frage gipfeln: Wer hat Angst vor Benedikt XVI? Deutsch ebenfalls beim Beiboot Petri. Eine eher auf Ausgleich zielende Position vertritt Christopher Altieri im Catholic World Report mit dem Beitrag: Pope Francis had an impossible Task with Pope Benedikt’s Funeral. 

Das Gespräch über Papst Benedikt XVI. und die Wirkung seiner Schriften auf Kirche und Gesellschaft wird jedanfalls noch lange anhalten, wenn die Zeit der Nachrufe vorbei ist.

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