In der Woche nach Halloween
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- 03. November 2015
Freunde der Tradition – zumindest einer bestimmten Spielart davon – haben seit Monaten viel Grund zur Freude: In Rom und Umgebung geht es zu wie zu Zeiten der Borgia-Päpste an der Wende vom 15. zum 16. Jahrhundert. Giftphiolen wurden noch keine gesichtet (das liegt in der Natur der Sache), aber sonst ist alles da: Mord und Selbstmord, Maitres und Maitressen, Senile Herolde und betrunkene Hofnarren, dazu Gauchos und Caballeros, jesuitische Verschwörungen und natürlich auch Geraune um graue Assassinen des Opus Dei. Alles wie im wirklichen Schundroman.
Die Woche nach Abschluss der sogenannten Ehesynode brachte eine Reihe trauriger Episoden, eine schauriger als die andere: Zunächst der unmittelbar nach Verabschiedung des Schlussdokuments einsetzende Streit um dessen Bedeutung – vorhersagbar, da die Kompromissformulierungen des Dokuments an Vieldeutbarkeit die Papiere des 2. Vatikanums teilweise noch übertreffen. Kein Wunder, daß da Bischof ein Elbs von Feldkirch aus manchem gerade das Gegenteil von dem herausliest, was Kardinal Pell drei Tage zuvor mit Nachdruck bekräftigt hatte.
Dann die Kommödie um das immerhin schon fünfte Interview des glücklich regierenden Heiligen Vaters mit dem uralt-linken Eugenio Scalfaro, dessen erstaunlicher Inhalt (Schlagzeile : Wer die Kommunion empfangen will, wird sie auch bekommen) den vom Pech verfolgten Pressesprecher Lombardi zu einem Gestammel veranlasste, dem man nur eines mit Sicherheit entnehmen konnte: Ein Dementi sieht anders aus.
Als Rüpelspiel und vorläufigen Höhepunkt am Wochenende nun die Festnahme zweier hochrangiger Funktäre bzw. Funktionärinnen der vatikanischen Verwaltung durch die zwergstaatliche Gendarmerie: Den Sekretär der inzwischen aufgelösten Kommission für die Neustrukturierung der wirtschaftlichen und administrativen Angelegenheiten des Vatikan (COSEA); den spanischen Monsignore Lucio Angel Vallejao Balda, sowie die von Papst Franziskus angeheuerte Unternehmens- und PR-Beraterin Francesca Chaouqui. Die beiden sollen interne Materialien an Journalisten weitergereicht haben, die in dieser Woche mit neuen „Enthüllungsbüchern" über die Finanzen des Vatikans auf dem Markt gehen wollen. Auf den Ausgang der Verfahren kann man gespannt sein - wenn nicht (wieder einmal) vorher alles niedergeschlagen wird. Eine Reihe von Photos, die interessante Einblicke in Milieu und Selbstbild der beiden Beschuldigten geben, bietet Scalfaros „Repubblica" hier.
Wie im Zentrum, so an der Peripherie, halt nur eine Nummer kleiner. In Deutschland (bzw. dem, was davon noch irgendwie katholisch ist) gehen die Wogen hoch um ein vom Sekretariat der deutschen Bischofskonferenz veröffentlichtes Pamphlet „Geschlechtersensibel: Gender katholisch gelesen". Unmittelbar nach Erscheinen wies Bischof Voderholzer in einer Punkt-für-Punkt-Kritik darauf hin, daß da von „katholisch gelesen" nicht die Rede sein kann. Wenige Tage später schloss sich Bischof Algermissen der inhaltlichen Kritik an und ergänzte sie um den formalen Hinweis: Er sei als Mitglied der Bischofskonferenz jedenfalls nicht in die Sache einbezogen worden, ebenso wenig andere von ihm darauf angesprochene Bischöfe. Nun, die Verantwortung für Veröffentlichungen der deutschen Bischofskonferenz liegt letztlich bei deren Sekretär, P. Langendörfer S.J., der seit Jahren erfolgreich darauf hinarbeitet, zeitgeist-inkompatible Glaubensinhalte zu eliminieren. Das sollte auch bei den Bischöfen, die ihn schließlich immer wieder im Amt bestätigen, nicht gänzlich unbemerkt geblieben sein.
Um den Bogen zu schlagen zur Ebene der Kamarilla am päpstlichen Hof: Wo in Rom die höchste Autorität selbst aufruft „Hagan lio" und aktiv vorangeht, ist es in Deutschland der Hausmeier, der gestützt auf ihm verpflichtete Provinzbeamte (lies: Weihbischöfe), längst die Stellung des Königs samt Kurfürstenkollegiums usurpiert hat und den Aufstand probt. Seit 50 Jahren auf dem Weg scheinbar unaufhaltsamer Reformpolitik, ist die Kirche den dunkelsten Zeiten des Mittelalters heute wieder in vielem näher als je zuvor in den letzten 300 Jahren. Echte Traditionalisten kann das nur begrenzt erschüttern: Wer weiß, was die Kirche in der Vergangenheit schon alles erdulden musste, wird auch angesichts der Krise der Gegenwart nicht verzweifeln.
Michael Charlier