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Amoris laetitia

(AP Photo/Andrew Medichini)Im Zeitalter der Postmoderne, die – mit geziemender Verspätung – unter argentinischem Pontifikat auch in der Kirche mächtig ausgreift, gelten für die Wahrnehmung von Texten besondere Gesetze. Es kommt weniger darauf an, was geschrieben ist, sondern mehr darauf, was man herauslesen kann, und am meisten darauf, was die Meisten daraus herauslesen können, wollen oder sollen.

Von daher gesehen brauchen sich deutsche Katholiken, denen die überlieferte Lehre der Kirche liebt und teuer ist, über die gestern veröffentlichte päpstliche instructio zunächst nicht zu besorgen. Nach der hier vollständig nachzulesenden Presseschau des Deutschlandfunkes ist die ersehnte und befürchtete Revolution ausgeblieben. Die Hamburger Welt meint, „nach einem weltweiten Fragebogen, zig Konferenzen und zwei Großsynoden in Rom … hält Papst Franziskus in seinem abschließenden Lehrschreiben "Amoris Laetitia" fest, dass er keine Veränderung der Lehre wünscht. “ Die Süddeutsche Zeitung jammert: „Die Liebe, die der Papst predigt, könnte viele Formen haben - auch diejenige, homosexuelle Partner zu achten und ihre Partnerschaft in Ehren zu halten. Hier verweigert sich der Papst in verletzender Weise. Er redet in seiner Enzyklika von Liebe, verweigert sie aber den schwulen und lesbischen Paaren; er stößt sie in die Sünde. Er reduziert Liebe auf heterosexuelle Liebe.“ Die Nürnberger Zeitung findet: "Typisch Franziskus. Da serviert uns der Papst ein Schreiben mit knapp 200 Seiten. Und daraus kann sich jeder das herausnehmen, was passt - oder auch nicht. Wer jedenfalls gedacht hat, die Sexuallehre der katholischen Kirche werde jetzt umgeschrieben, möge bitte aufwachen. Denn natürlich wird nicht an der Unauflöslichkeit der Ehe gerüttelt. Und an eine Ehe von Homosexuellen ist schon gar nicht zu denken" Auch die in jeder Hinsicht auf Kleinformat geschrumpfte Frankfurter Rundschau denkt nur an das Eine: „Papst Franziskus unterläuft konsequent den Anspruch, mit seiner Vollmacht als Kirchenoberhaupt alte Gesetze aufzuheben oder neue zu proklamieren. Das eröffnet Spielräume. Gegen die – seiner Kirche mehr als geläufige – Logik der Ausgrenzung setzt Franziskus die Logik der Eingliederung. Bitter nur und zugleich bezeichnend, dass diese Logik beim Thema Homosexualität versagt. So bleibt es bei Wirklichkeitsverweigerung. Die katholische Kirche findet kein Verhältnis und erst recht keine Sprache dafür, dass gleichgeschlechtliche Paare füreinander und für andere ein Segen sein können".

Auch hier sind freilich die Zwischentöne zu beachten: Wenn die Nürnberger finden, aus diesem Brief aus Rom könne „sich jeder das herausnehmen, was passt“ und die Frankfurter neu „eröffnet(e) Spielräume“ sehen, haben sie ja recht. Wie recht sie damit – kommunikationstheoretisch gesehen – haben, eröffnet sich beim Blick auf Schlagzeilen in der englischsprachigen Presse, die um Aussagen wie „More Tolerance, less judgment“, „Pope shares progressive views on divorce“ „Pope Francis cracks open the door...“ kreisen.

Es überfordert unsere Kräfte und Kompetenzen, sich mit einem Text, der so unterschiedliche Deutungsversuche provoziert und zuläßt, inhaltlich eingehend auseinanderzusetzen - als „Lehrschreiben“ erscheint uns das nicht. Wer sein Gewissen an der authentischen katholischen Lehre schulen möchte, hält sich besser an den Katechismus der Katholischen Kirche, der von niemandem in Frage gestellt werden kann. Wer trotzdem genauer wissen will, welche Spielräume mit Amoris Laetitia neu eröffnet und welche Türen aufgestoßen werden für die, die vom Katechismus abrücken wollen, findet nähere Informationen beim amerikanischen Kanonisten Ed Peters, der auf seinem Blog „In the Light of the Law“ als Ergebnis einer ersten Lektüre diverse rechtliche und theologische Schwachpunkte des päpstlichen Dokuments vorstellt. Klar scheint demnach vor allem Eines: Die Diktatur des Relativismus, die sich in der westlichen Gesellschaft immer brutaler ausdehnt, läßt nicht nach in ihren Versuchen, auch die Kirche Christi zu unterwerfen. Und wo die Päpste Johannes Paul II. und vor allem Benedikt XVI. dem mit allen ihnen zu Gebote stehenden Mitteln widerstanden, hat das argentinische Pontifikat diesem Ansturm wenig entgegen zu setzen.

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