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Ein humanistisches Manifest

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Zu den alltäglichen Homilien von Franziskus im Haus S. Martha wird oft gesagt, sie glichen Predigten eines Dorfpfarrers, der seiner mit geistigen Besitztümern nicht überreich gesegneten Gemeinde die immer gleichen einfachen Grundorientierungen in den immer gleichen schmucklosen Worten näherzu bringen versucht. Das mag so sein. Doch die Rede, die er am 6. Mai anläßlich der Auszeichnung mit dem Karlspreis der Stadt Aachen vor den höchsten Würdenträgern der europäischen Institutionen vorgetragen hat, gehört ganz entschieden nicht in diese Kategorie. Man geht wohl nicht fehl in der Annahme, daß an dieser Rede die besten Köpfe aus dem Beraterstab des Argentiniers wochenlang gearbeitet haben - und sie wurde offensichtlich exakt so vorgetragen, wie sie vorgeschrieben war.

Vieles deutet daraufhin, daß diese Rede das Grunddokument zum Verständnis des Verhältnisses zwischen Welt und Kirche darstellt, so wie es Franziskus und seinem Thinktank vorschwebt. Es handelt sich wahrhaft um ein „humanistisches Manifest“, in dem sich vielleicht ein letztes Mal und jedenfalls an unerwarteter Stelle der säkulare Fortschrittsglaube der gesellschaftlichen Kräfte bündelt, deren kulturelle und politische Hegemonie derzeit von den Völkern selbst immer lauter in Frage gestellt wird. Die Rede Franziskus' ist daher eingehendster Analyse wert - die hier freilich nicht zu leisten ist.

Wir haben die knapp 3000 Wörter der offiziellen deutschen Fassung nach dem Lesen stattdessen einem Generator für Wortwolken übergeben. Das soll auch für unsere Besucher die eingehende Lektüre keinesfalls ersetzen - aber es gibt doch Hinweise auf den Inhalt des Dokuments und die Art seiner Behandlung. Die Stichworte sind repräsentativ, die „Wir schaffen das“Mentalität gut getroffen. Kein einziges der Themen, in denen Europäische Politik und Leben und Lehre der Kirche im Widerstreit liegen, wird explizit angesprochen; auch die nicht, zu denen Franziskus selbst schon mehr oder weniger deutlich Stellung genommen hat. Die Rede ist durch und durch die Rede eines Politikers, der seinem Volk Richtlinien verkünden will. Der Kirchenführer (Der Begriff „Nachfolger Petri“ bleibt in der Tatstatur stecken) kommt nur einigermaßen verschämt im kurzen zweitletzten Absatz zum Vorschein, und nur dort fallen wenige Male - mit einer Ausnahme - die Begriffe Gott, Kirche, Evangelium. Der Eindruck wird freilich schnell wieder zunichte durch den letzten Abschnitt, der als eine getreuliche Paraphrase der „I-Have-A-Dream“-Rede Martin Luther Kings daher kommt. Und spätestens da trifft einen wie der Blitz, daß da der eine Satz fehlt, dem Wortlaut, wie dem Sinn nach, den auszusprechen so wichtig gewesen wäre wie nichts anderes: Das Christentum gehört zu Europa!

Im Februar 2014 schrieb Roberto de Mattei seinen aufrüttelnden Artikel Motus in fine velocior. Darin forderte er in starken Worten. die Kirche solle auch heute nach dem Vorbild der Heiligen aller Jahrhunderte der Welt „das Evangelium verkünden, statt ihren Kadaver zu umarmen“. Diese Forderung erscheint täglich dringlicher, doch ihre Erfüllung unter diesem Pontifikat immer unwahrscheinlicher. In der Folge nimmt die Verzweiflung unter den verbliebenen Katholiken zu. Aber Verzweiflung ist auch nur eine Art, sich vom Kadaver umarmen zu lassen.

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