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Vorsicht: Pastoral!

Bild: eigene AufnahmeDas hat uns gerade noch gefehlt: Eine Diskussion zwischen einem Priester der Petrusbruderschaft (Seite der Kleriker?) und Gläubigen (Seite der Laien?) über die rechte Form der Zelebration im überlieferten Ritus. Ausgelöst wurde der Wortwechsel durch einen Artikel von P. Recktenwald FSSP zum 30-jährigen Bestehen seiner Bruderschaft, deren Gründer sich 1988 aus Anlaß der unerlaubten Bischofsweihen von der Piusbruderschaft, die von vielen immer noch als 'schismatisch' betrachtet wird, getrennt hatten. Leider ist der ursprüngliche Artikel inzwischen hinter eine Paywall verschwunden, so daß diejenigen, die dort keinen Zugang haben, zu ihrer Information nur noch auf die – allerdings reichhaltigen – Zitate aus den Artikeln der Diskussionspartner zurückgreifen können. Daß die Debatte über aktuelle Formen der Zelebration des überlieferten Ritus ausgerechnet in diesen Zusammenhang und in das Spannungsfeld zwischen der Pius- und der Petrusbruderschaft gerückt worden ist, erscheint allerdings höchst unglücklich.

Die Petrusbruderschaft steht seit ihrer Gründung 1988 und unter dem Dach von Ecclesia Dei in voller Gemeinschaft mit der Kirche von Rom. Soweit man von voller Gemeinschaft reden kann, wenn 99% der Bischöfe des ehedem lateinischen Ritus die Feier der überlieferten Liturgie und die Verwendung der lateinischen Sprache mehr oder weniger schroff ablehnen und sich trotz Priestermangels weigern, die Petrusbruderschaft ihren Möglichkeiten entsprechend in die Seelsorge einzubeziehen.

Die Frage der Bischofsweihe – weder die von 1988 noch eine möglicherweise bald in der Zukunft erneut auftretende – kann hier nicht diskutiert werden. Aber sie steht nun einmal am Ursprung der Trennung, sie wirkt bis heute und in die Zukunft nach, und es ist vor diesem Hintergrund durchaus verständlich, daß das Verhältnis zwischen den beiden Bruderschaften von gewissen, sagen wir mal: „gegenseitigen Vorbehalten“ geprägt ist.

Weniger verständlich ist, daß ausgerechnet dieser problematische Kontext dazu herhalten mußte, Teilen der Gläubigen, die der überlieferten Lehre und Liturgie treu bleiben wollen, „Rubrizismus“ vorzuwerfen und eine „Hyperliturgisierung“ zu beklagen.  Durch die Verwendung solcher Begriffe erhalten Fragen, über die man im pastoralen Einzelfall vielleicht diskutieren könnte, eine unangenehm prinzipielle Konnotation. Zudem könnte das den einen oder anderen auch an die Denk- und Argumentationsweise der „Reformer“ des vergangenen Jahrhunderts erinnern, die uns die aktuelle Misere eingebracht haben.

Die aktuelle Debatte begann mit Beiträgen von P. Kwasniewski: Traditional Clergy: Please Stop Making „Pastoral Adaptions“, erschienen am 11. Juni in New Liturgical Movement, und dem von P. Recktenwald in der Tagespost. Die verschiedenen Gesichtspunkte wurden hier auf Summorum-pontificum unter anderem in den Beiträgen Vorsicht vor pastoralen Anpassungen und Der Untergang der Rubrizistik reflektiert. In dieser Woche hat die Diskussion nun mit einem weiteren Beitrag von P. Kwasniewski The Ill-placed charges of Purism, Elitism an Rubricism  und von Monika Rheinschmitt, ebenfalls auf New Liturgical Movement  – ihren Fortgang genommen. Die deutsche Version des Artikels von Rheinschmitt ist hier verfügbar. 

Zur Sache selbst können wir uns bei diesem Stand und unter Verweis auf die schon erschienen Beiträge auf einen kurzen Zwischenruf beschränken.

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Die Rechtslage erscheint uns (als Nicht-Kanonisten) völlig eindeutig: Die gültige Form der Feier der überlieferten Liturgie ist die der Bücher im Bestand von 1962,  und die Vorgabe der Instruktion Universae Ecclesiae in Abschnitt 24 macht zweifelsfrei klar:

Die liturgischen Bücher der forma extraordinaria sind nach ihren eigenen Vorschriften zu gebrauchen. Alle, die nach der forma extraordinaria des römischen Ritus zelebrieren wollen, müssen die entsprechenden Rubriken kennen und sind dazu verpflichtet, diese bei den gottesdienstlichen Feiern genau zu beachten.

Daran festzuhalten ist nicht „Rubrizismus“ oder gar „Hyperliturgisierung“, sondern selbstverständlicher Normalfall. Auf dieser Normalität zu bestehen, ist umso wichtiger, als wir in einer Periode leben, in der täglich Paradigmenwechsel ausgerufen werden und die Verfügbarkeit von allem, was gestern noch als unverfügbar galt, zum Leitprinzip in der Gesellschaft und größer werden Teilen der Kirche zu werden scheint.

Es gilt daher noch einen weiter gespannten Zusammenhang zu beachten. Bei alledem geht es nicht um die eine oder andere Rubrik oder den Umfang des Gebrauchs der lateinischen Sprache. Die lateinische Sprache ist nur einer – und vielleicht noch nicht einmal der wichtigste – von mehreren Grundpfeilern der römischen Kirche.

Es geht um die Romanitas - das spezifisch Römische an der Form des Christentums, die sich seit anderthalb Jahrtausenden im ehemaligen westlichen Teil des Reiches entwickelt hat. Gerade hat Fr. Zuhlsdorf in Anlehnung an Gedanken von Fr. Hunwicke wichtige Aspekte dieser „Romanitas“ in der lateinischen Liturgie und Theologie in Erinnerung gerufen, die über den Gebrauch der Sprache hinausgehen. Die Theologie der heiligen Messe unterscheidet sich bei den Lateinern in einigen Fragen durchaus tiefgehend vom Verständnis der Griechen – am deutlichsten wird der Unterschied in der Frage der Epiklese - und das hat weitreichende Auswirkungen auf das theologische Gesamtgebäude. Oder besser gesagt: Diese Frage ist ihrerseits  Ausdruck von weit über die Liturgie hinausreichenden Unterschieden im Verständnis von Messopfer und Erlösung. Diese einzuebnen und zu übersehen, vielleicht sogar ohne das zu bemerken, wäre ein großer Verlust.

Denn diese Differenzen konstituieren zumindest aus westlicher Sicht keinen Unterschied zwischen wahr und falsch, rechtgläubig und häretisch, sondern sie stehen für verschiedene Formen der Annäherung an das zentrale Geheimnis unseres Glaubens, die beide im Gesamtzusammenhang ihrer Theologie stimmig sind. Freilich können sie diese Stimmigkeit verlieren, wenn sie aus dem einen theologischen Kontext in den anderen transplantiert werden. Das ist z.B. mit der Liturgiereform Pauls VI. geschehen, die im Bestreben zur Schaffung eines „ritus universalis“ diverse Konzepte aus der Welt der griechischen Theologie übernommen hat. Im lateinischen Umfeld sind sie Fremdkörper geblieben und vermindern die Stimmigkeit des Gesamtgebäudes mehr, als dessen Architektur zu bereichern. So tragen die modernen Messbücher zwar noch die Aufschrift „Missale Romanum“, aber sie enthalten längst nicht mehr den römischen Ritus der lateinischen Theologie.

Im aktuellen Pontifikat ist in Rom schließlich auch noch auf einem dritten Gebiet ein rapider Verlust an „Romanitas“ zu beobachten – und nicht nur bei der mehr behaupteten als tatsächlich durchgeführten Internationalisierung der römischen Kurie. Zum römischen Erbe der Kirche des Westens gehört ein tief verwurzelter Respekt vor der umfassenden Geltung von Recht und Gesetz. Die Römer waren seit der Zeit der vorchristlichen Republik überaus ernsthafte Gesetzgeber und oft auch bewundernswert konsequente Befolger der geltenden Gesetze, und die römische Kirche hat diese Grundeinstellung als ein wesentliches Element ihres Erbgutes übernommen. Jetzt müssen wir erleben, wie hinter schwammigen Begriffen wie „pastoral“ oder „barmherzig“ alles Feste verflüssigt wird und prinzipienlose Willkür oder schlichte Machtausübung an dessen Stelle tritt.

Die Achtung vor dem gültigen Gesetz, die römische Theologie und die lateinische Sprache – das sind drei tragende Elemente der Kirche des Westens. Auch nur eines davon in Frage zu stellen, kann verheerende Folgen haben. 

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