Paul VI. zum Novus Ordo - III
- Details
- 25. November 2019
Die zweite große Ansprache Papst Pauls VI. zur Einführung des Novus Ordo datiert vom 26. November 1969 – das war der letzten Sonntag des Kirchenjahres und damit der letzte Sonntag, an dem in Italien (offiziell) die Messe im überlieferten Ritus gefeiert wurde. Die Rede wurde am 4. 12. in der englischen Wochenausgabe des Osservatore Romano veröffentlicht, unsere Übersetzung folgt der englischen Fassung im Dokumentenbereich von EWTN. Auch diese Rede hatten wir bereits vor 10 Jahren einmal kommentiert. Wir haben uns bemüht, Wiederholungen des damals Gesagten zu vermeiden und die Aspekte hervorzuheben, die seither neu in unser Bewußtsein getreten sind. Was hier zu fehlen scheint, war also möglicherweise damals schon angesprochen.
Hier zunächst der Text. Direkt zum aktuellen Kommentar geht es hier.
Liebe Söhne und Töchter,
- Wir wollen eure Aufmerksamkeit erneut auf die Erneuerung der Liturgie durch den neuen Ordo der hl. Messe lenken. Dieser neue Ritus für unsere Feier des heiligen Opfers wird mit dem nächsten Sonntag, dem ersten Advent, der auf den 30. November fällt, in Kraft gesetzt.
- Ein neuer Ritus für die hl. Messe bedeutet die Veränderung einer verehrungswürdigen Tradition, die schon seit Jahrhunderten besteht. Das berührt unser religiöses Erbe, dem das Privileg der Unantastbarkeit und der Stabilität zuzukommen schien. Dieses Erbe schien die Gebete unserer Vorfahren und der Heiligen wieder auf unsere Lippen zu bringen und uns den Trost zu gewähren, daß wir uns im Einklang mit unserer spirituellen Vergangenheit befänden, die wir lebendig erhielten und an die kommenden Generationen weitergäben.
- In einem solchen Augenblick gewinnen wir ein besseres Verständnis des Wertes historischer Tradition und der Gemeinschaft der Heiligen. Der bevorstehende Wechsel wird die Zeremonien der Messe betreffen. Es wird uns – vielleicht mit einiger Betroffenheit, zu Bewußtsein kommen, daß die Zeremonien am Altar nun nicht mehr mit den Worten und Gesten begangen werden, die wir gewöhnt sind – vielleicht so sehr gewöhnt sind, daß wir sie gar nicht mehr zur Kenntnis genommen haben. Diese Veränderung betrifft auch die Gläubigen. Es ist gewollt, daß sie alle Anwesenden betrifft und sie aus ihrer gewohnten persönlichen Andacht und ihrer erstarrten Routine herausreißt.
- Wir müssen auf diese alle Aspekte betreffende Unbequemlichkeit vorbereitet sein. Dabei handelt es sich um jene Art der Verstörung, die mit jeder Neuerung verbunden ist, die in unsere Routine einbricht. Wir werden feststellen, daß die Frommen ganz besonders irritiert sein werden, da sie ihre eigene durchaus respektable Weise zur Feier der Messe entwickelt haben – jetzt werden sie aus ihren gewohnten Gedanken herausgerissen und gezwungen, denen von anderen zu folgen. Selbst Priester werden in dieser Hinsicht irritiert sein.
- Wie sollen wir uns in dieser besonderen historischen Situation verhalten? In erster Linie müssen wir uns gut vorbereiten, denn diese Neuerung ist keine Kleinigkeit. Wir dürfen uns nicht von der Art und den Irritationen der äußeren Form überraschen lassen. Als intelligente Menschen und Gläubige Christen sollten wir uns so gut wie möglich auf diese Erneuerung vorbereiten. Das sollte nicht allzu schwer fallen, hat doch die Kirche und haben viele Verlage großartige Anstrengungen in dieser Richtung unternommen. Wie Wir schon zu anderer Gelegenheit sagten, tun wir gut daran, die Motive für diese tiefgehende Veränderung mit in Betracht zu ziehen. Das erste ist der Gehorsam gegenüber dem Konzil. Dieser Gehorsam verlangt nun auch Gehorsam gegenüber den Bischöfen, die die Vorgaben des Konzils interpretieren und praktisch umsetzen.
- Diese erste Begründung ist nicht nur rechtlicher Art, als ob sie eine äußerliche Vorschrift aufgriffe. Sie geht aus dem Charisma des liturgischen Aktes selbst hervor. In anderen Worten, sie ist verbunden mit der Macht und der Wirksamkeit des Gebetes der Kirche, das in seiner autoritativsten Form aus dem Munde des Bischofs kommt. Das gilt auch für die Priester, die dem Bischof in seinem Amt helfen und wie er in Persona Christi handeln (s. St. Ign. Ad Eph. I, V). Es ist Christi Wille, es ist der Atem des Heiligen Geistes, der die Kirche zu dieser Änderung aufruft. Der Mystische Körper Christi, der die Kirche ist, erlebt einen prophetischen Augenblick. Dieser Augenblick erschüttert die Kirche und erweckt sie und ruft sie dazu auf, die geheimnisvolle Kunst ihres Gebetes zu erneuern.
- Die andere Begründung für die Reform ist die Erneuerung des Gebetslebens. Dabei geht es darum, die Versammlung der Gläubigen enger und wirkungsvoller in den offiziellen Ritus einzubeziehen, in die Feier des Wortes und die Feier des eucharistischen Opfers, die die hl. Messe darstellen. Denn auch die Gläubigen sind mit dem „königlichen Priestertum“ bekleidet, das heißt, auch sie sind im Stande, auf übernatürliche Weise mit Gott zu sprechen.
- Hier wird die größte Neuerung zu erkennen sein, die Neuheit der Sprache. Nicht mehr das Latein, sondern die gesprochene Sprache wird die Hauptsprache der hl. Messe sein. Die Einführung der Umgangssprache wird sicher ein großes Opfer für diejenigen bedeuten, die die Schönheit, die Kraft und die ausdrucksstarke Sakralität des Latein kennen. Wir geben die Sprache der christlichen Jahrhunderte auf und treten wie weltliche Eindringlinge in den bisher der heiligen Sprache vorbehaltenen Bezirk ein. Wir werden einen großen Teil jenes großartigen und unvergleichlichen künstlerischen und spirituellen Gebildes, der Gregorianik, verlieren.
- Das ist für uns in der Tat ein Grund des Bedauerns, ja sogar fast der Bestürzung. Was können wir an die Stelle jener Sprache der Engel setzen? Wir geben etwas auf, das unermeßlichen Wert besitzt. Was könnte noch kostbarer sein als diese erhabensten Werte unserer Kirche?
- Die Antwort wird banal erscheinen, aber es ist eine gute Antwort, weil sie menschlich und weil sie apostolisch ist:
- Das Verständnis des Gebetes ist mehr wert als die seidenen Gewänder, mit denen es königlich angetan ist. Die Teilnahme des Volkes hat den höheren Wert – insbesonderer die Teilnahme moderner Menschen, die so großen Wert auf eine schlichte Sprache legen, die man leicht versteht und im alltäglichen Gespräch verwenden kann.
- Wenn die göttliche Sprache des Latein eine Barriere bildete gegenüber den Kindern, gegenüber den Jugendlichen, gegenüber der Welt der Arbeit und der Geschäfte, wenn sie ein dunkler Schirm und kein durchsichtiges Fenster wäre – wäre es dann für uns Fischer der Seelen erlaubt, daran als der ausschließlichen Sprache des Gebetes und des religiösen Verkehrs festzuhalten? Was hatte der hl. Paulus dazu zu sagen? Lesen Sie Kapitel 14 des ersten Briefes an die Korinther: „Vor der Gemeinde will ich lieber fünf Worte mit Verstand reden, um auch andere zu unterweisen, als zehntausend Worte in Zungen stammeln.“
- Der hl. Augustinus scheint sich darauf zu beziehen, wenn er sagt: „Fürchtet euch nicht vor Lehrern, solange sie allen ihren Unterricht erteilen“ (P.L. 38, 228, Serm. 7, vergl. Serm 229, p 1371). Allerdings sieht der neue Ordo der Messe dennoch vor, daß die Gläubigen im Stande sein sollten, wenigstens das Ordinarium der Messe, insbesondere das Credo und das Gebet des herrn, das Vater Unser, gemeinsam auf Latein zu singen (SC n. 19)
- Aber laßt uns das wohl zu unserem Trost und unserem Rat im Bewußtsein halten: die lateinische Sprache wird damit nicht verschwinden. Sie wird weiterhin die vornehme Sprache der offiziellen Dokumente des Heiligen Stuhls sein, sie wird Schlüssel zum Erbe unserem religiösen, historischen und humanistischen Kiultur das Instrument der Unterweisung in den theologischen Studien bleiben und womöglich in neuem Glanze erblühen.
- Wenn wir schließlich recht auf die Sache schauen, werden wir sehen, daß die Grundlinien der hl. Messe immer noch der Tradition entsprechen, nicht nur theologisch, sondern auch spirituell. Sofern der ritus so ausgeführt wird, wie er ausgeführt werden sollte, wird der spirituelle Aspekt sich als von noch größerem Reichtum erweisen. Die größere Schlichtheit der Zeremonien, die Vielfalt und der Reichtum der biblischen Texte, die gemeinsamen Aktionen der Feiernden und die Stille, die mehrere tiefere Augenblicke der Riten kennzeichnen wird, werden das gewährleisten.
- Vor allem zwei Bedingungen sind unverzichtbar, um diesen Reichtum zu verdeutlichen: Die echte Teilnahme jedes einzelnen Anwesenden und die Ausgießung des Geistes der verbindenden Liebe in der Gemeinde. Diese Bedingungen werden werden die hl. Messe mehr als je zuvor zu einer Schule spiritueller Tiefe und zu einer anspruchsvollen, aber friedlichen Schule Christlichen Gemeinschaftslebens werden lassen. Die Beziehung der Seele zu Christus und zu den Brüdern gewinnt so neue und lebensspendende Intensität. Christus, das Opfer und der Priester erneuert und vollbringt sein Erlösungsopfer durch den D ienst der Kirche im symbolischen Ritus seines letzten Abendmahls. Er hinterläßt uns seinen Leib und sein Blut unter der Erscheinung von Brot und Wein zu unserer persönlichen und geistlichen Nahrung und zu unserem Eintritt in die Einheit seiner erlösenden Liebe und seines unsterblichen Lebens.
- Doch es bleibt eine praktische Schwierigkeit, die angesichts der Erhabenheit der hl. Messe von keiner geringen Bedeutung ist: wie können wir den neuen ritus zelebrieren, wenn wir noch kein vollständiges Messbuch besitzen und es noch Unsicherheiten in so vielen Fragen gibt?
- Zum Abschluß wird es daher hilfreich sein, euch einige Vorschriften der zuständigen Behörde, nämliche der Heiligen Kongregation für den Gottesdienst, vorzutragen, nämlich:
-
- Für den lateinischen Text gilt: Priester, die auf Latein zelebrieren, sei es privat oder öffentlich, können in den dafür vom Gesetz vorgesehenen Fällen bis zum 28. November 1971entweder das Missale Romanum oder den neuen Ordo benutzen. Falls sie das Missale Romanum benutzen, können sie desungeachtet auch die drei neuen Hochgebete und die Auslassungen (einiger Heiliger und Schlußformeln) im Canon Romanus verwenden. Sie können auch die Lesungen und das Gebet der Gläubigen in der Umgangssprache verwenden. Wenn sie nach dem neuen Ritus zelebrieren, müssen si sich nach dem offiziellen Text richten, wobei die oben genannten Zugeständnisse hinsichtlich der Umgangssprache ebenfalls gelten.
- Für den Text in der Umgangssprache gilt: In Italien müssen alle, die „cum populo“ zelebrieren, ab dem kommenden 30. November den „Rito della Messa“ verwenden, der von der Italienischen Bischofskonferenz oder anderen Nationalkonferenzen veröffentlicht worden ist. An Festtagen sollen die Lesungen entweder aus dem italienischen Lektionar genommen werden, das vom italienischen Zentrum für Liturgische Aktion veröffentlicht wurde, oder aus dem nbisher verwendeten Römischen Messbuch für Festtage. An Ferialtagen soll weiterhin das vor drei Jahren veröffentliche Ferial-Messbuch Verwendung finden. Bei der Privatmesse gibt es keine Probleme, weil diese in Latein gefeiert werden müssen. Wenn ein Priester die besondere Erlaubnis hat (auch bei der Privatmesse) auf Latein zu zelebrieren, soll er sich nach dem richten, was oben für die Gemeindemesse gesagt wurde, für den Ritus soll er dem Ordo folgen, der von der italienischen Bischofskonferenz veröffentlicht worden ist.
-
- Lasst uns in jedem Fall und unter allen Umständen daran denken, daß „die hl. Messe ein Mysterium ist, gelebt in einem Tod aus Liebe. Ihre Göttliche Wirklichkeit übertrifft alle Worte. Sie ist die Aktion schlechthin, wahrhaft der Akt unserer Erlösung, die sich in ihrem Gedächtnis vergegenwärtigt.“(Zundel)
Mit unserem Apostolischen Segen.
Kommentar:
In der ersten Ansprache vom vorhergehenden Sonntag hatte der Papst vor allem die inhaltliche und lehrmäßige Kontinuität herausgestellt, die er in der neuen Form gewahrt sehen wollte. In diesem zweiten Teil geht er demgegenüber darauf ein, daß die neue Form viele für die Gläubigen irritierenden und verstörenden Neuerungen (1-4) mit sich bringt, und daß deshalb eine intensive Vorbereitung der Gläubigen auf die Mitfeier (5) erforderlich sei. Da seiner Ansicht nach inhaltlich alles beim Alten geblieben ist, beschränkt er sich hier im Wesentlichen auf zwei große Komplexe: Die Veränderungen der „Worte und Gesten“ auf der einen Seite und auf der anderen die Ersetzung der lateinischen Liturgiesprache durch die Volkssprache, die er offenbar bereits als Regel und sämtliche Teile der Messe betreffend akzeptiert.
Zu beiden Gebieten ist seine Rede von einem Gestus der Zumutung bestimmt, der heute im Zeichen der verbreiteten „Klerikalismuskritik“ noch unangenehmer auffällt als vor 10 Jahren. Der Papst argumentiert hier nicht, sondern er verkündet in einem „Ex-Kathedra-Ton“ und sehr bestimmt, was die Reformer (und er) als gut und den Gläubigen am besten gemäß befunden haben. Und wie das gegenwärtig auch wieder in verstärktem Maße geschieht, bemüht er als Ursprung dessen, was er verkündet, „den Willen Christi und den Atem des Heiligen Geistes“ (6).
Dieser Anspruch an sich ist nicht neu und entspricht, recht verstanden, auch vollständig dem Verständnis der Kirche vom Hirten- und Lehramt des Papstes und der Bischöfe. Neu ist, daß diese Leitung durch den Geist nicht dafür in Anspruch genommen wird, das, was die Kirche stets getan und gelehrt hat, besser zu erklären und „organisch“ (ohne Brüche und Widersprüche) zu entwickeln, sondern auf reichlich gewaltsame Weise zu verändern. Dabei fällt zweierlei ganz besonders auf: Der liturgischen Tradition und den von ihr hervorgebrachten Formen scheint Paul VI. keinerlei Eigenwert zu zu erkennen. Eher betrachtet er sie als Hort und Quelle nostalgischer Beschränkungen, die die Menschen daran hindern, das, was jetzt endlich als richtig erkannt worden ist, auch folgsam nachzuvollziehen.
Zum Zweiten wird in diesen Ausführungen ein stupendes Unverständnis des Wesens von Zeremoniell und Ritus überhaupt sichtbar. Die Diktatur der Formlosigkeit erhält hier im Munde des Papstes nachgerade dogmatischen Rang: Alles soll schlicht, einfach, leicht verständlich und selbstverständlich sein. Doch Rituale wirken nicht durch ihre leichte Verständlichkeit, Nachvollziehbarkeit, rationale Durchdringung und Alltagsnähe – ganz im Gegenteil. Rituale wirken durch eine anziehende Geheimnishaftigkeit, bis zur Arkandisziplin reichende Distanz, durch vor-rationale geradezu reflexhafte Koppelung von spirituellen Motiven und Impulsen, sprachlichen oder musikalischen Äußerungen und körperlichen Gesten – und das alles in betonter Ferne vom Alltag.
Diese Elemente waren in der überlieferten Liturgie des lateinischen Ritus in beträchtlichem Umfang vorhanden – wenn auch nicht so reichhaltig wie in den großen östlichen Liturgien. Sie wurden wurden mit der Reform, die ebenso wie das vorausgehende Konzil zu Recht als eine Veranstaltung von Buchhaltern (Alfred Lorenzer) bezeichnet werden kann, weitgehend reduziert oder komplett ausgeschieden. Und das alles geschah im Zeichen einer teilweise verkopften, teilweise auch von totalitären Gemeinschaftsvorstellungen geprägten (7) angeblichen Erneuerung des Gebetslebens – als ob die Kirche zweitausend Jahre lang nicht oder jedenfalls unzureichend gebetet hätte, oder als ob der „moderne Mensch“ sich so grundsätzlich von seinen Vorfahren unterschiede, das alles, was denen zu Nutz und Frommen gereicht hatte, nicht mehr gelten könne. Hier deutet sich das Eindringen eines anderer Ungeistes des 20. Jahrhunderts in die Kirche an, ein Zwilling des Diktators Formlosigkeit: Der Neue Mensch, der sich selbst erschafft – nach Möglichkeit alle Tage anders.
Als aktuelle Zwischenbemerkung dazu: Da, wo das Rituelle, Geheimnisvolle und Arkane durch die Vordertür ausgetrieben werden, kommen diese oder schlechte Versatzstücke davon durch die Hintertür wieder herein wie Pachamama in die Bischofssynode und Fruchtbarkeitsopfer auf den Altar über der Confessio von St. Peter.
Papst Paul VI. begründet den Einstieg in diesen Paradigmenwechsel, dessen forcierte Fortsetzung wir derzeit unter seinem Nachfolger Franziskus erleben, ausdrücklich mit dem Hinweis auf das „königliche Priestertum“ der Gläubigen (7), das auch sie dazu befähige, „auf übernatürliche Weise mit Gott zu sprechen“ (was auch immer das bedeuten möge).
Hier ist die Reformbewegung der Nachkriegszeit und mit ihr der Papst einem „liturgistischen Mißverständnis“ der großen Idee des allgemeinen Priestertums erlegen. Damit ist jedenfalls kein „kollektives Priestertum“ gemeint, bei dem alle geschäftig im Altarraum herumwuseln und der Priester gerade noch zur Konsekration benötigt wird – wenn man nicht auch noch darauf verzichten will.
Papst Leo d. Große hat im 5. Jahrhundert ganz aus dem Geist der Schrift und der Überlieferung heraus das „Königliche Priestertum“ so erklärt: „ Was ist so königlich, als wenn ein Gott untertäniger Geist die Herrschaft über seinen Leib führt? Und was entspricht den Obliegenheiten eines Priesters mehr, als dem Herrn ein reines Gewissen zu weihen und ihm auf dem Altare seines Herzens makellose Opfer der Frömmigkeit darzubringen?" Der Katechismus (Art. 786), der diese Stelle zitiert, macht deutlich, daß diese Aussage zwar alt, aber keinesfalls veraltet ist. Allgemeines Priestertum und Liturgie gehören zwei verschiedenen Sphären an. Das schließt Berührungspunkte nicht aus, sollte aber unzulässige und verhängnisvolle Vermischungen vermeiden lassen. Die Heiligung der Welt, des eigenen Lebens und der ganzen Schöpfung ist das eine – das dem zugeordnete und es gleichzeitig übersteigende Dienstamt des Priesters in der Vergegenwärtigung des Erlösungsopfers in persona Christi das ganz andere.
Darin, daß die Unterschiedlichkeit dieser beiden Sphären unter Verkennung und Umdeutung der participatio actuosa Papst Pius‘ X. nicht genügend berücksichtigt worden ist, liegt einer der Grundfehler der Reform des Consiliums und eine Hauptursache der seitherigen Fehlentwicklungen.
*
Die Fortsetzung unseres Kommentars wird sich mit dem anderen Hauptgegenstand der Papstrede, der Frage der Liturgiesprache, befassen.
*
Peter Kwasniewski veröffentlicht am 25. 11. auf New Liturgical Movement eine Zusammenstellung weiterer Aussagen Pauls VI. zur Liturgiereform aus den Jahren 1974 - 71. Sie illustrieren eindrucksvol, wie weit dieser in anderen Fragen doch so hellsichtige Papst sich hinsichtlich der Liturgiereform vom sentire cum ecclesia entfernt hatte. Tragisch, daß seitdem die zahlreichen fest in der Tradition stehenden Enzykliken Pauls VI. in Vergessenheit geraten bzw. gedrängt worden sind, während seine liturgischen Illusionen ungeachtet ihres Scheiterns in den Rang von nicht mehr hinterfragbaren Dogment erhoben wurden.