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Noch mehr zur Konzelebration

Bild: VaticanNewsPeter Kwasniewski hat in einem langen Artikel auf OnePeterFive auf meinen – von ihm in englischer Übersetzung auf Rorate Caeli veröffentlichten – Artikel zur Konzelebration bei der Chrisammesse geantwortet und dabei mehrere Punkte durchaus kritisch beleuchtet. Er führt dazu zunächst historische und liturgische Argumente an, die ich einerseits sehr ernst nehme, andererseits aber weitgehend durch Verweis auf die hier referierte Veröffentlichung Uwe Michael Langs von 2017 als relativiert betrachte. Nach Lang gab es in der Zeit zwischen dem 9. und dem 12. Jahrhundert auch in der lateinischen Welt eine Konzelebration – wohl nicht ohne ältere Vorbilder. Sie wurde hauptsächlich am päpstlichen Hof in Rom praktiziert, von da ausstrahlend aber auch in anderen Regionen, in denen der Ortsordinarius zu besonderen Gelegenheiten, darunter auch am Gründonnerstag, mit seinem Presbyterium konzelebrierte. Wie diese Konzelebration im konkreten Fall ihren liturgischen Ausdruck fand und ob es sich in jedem Fall um eine dem Wesen nach sakramentale Konzelebration handelte, ist schwer zu eruieren.

Von dieser bereits im 13. Jahrhundert praktisch ausgestorbenen Form der Konzelebration unterscheide ich im Anschluss an Lang, aber wohl noch schärfer als dieser, die mit Sacrosanctum Concilium eingeführte „neue Konzelebration“, deren Ritus erstmalig 1965 – also noch vor der Einführung des Novus Ordo – promulgiert wurde. Die „neue Konzelebration“ bemüht sich um Anschluß an ihren hochmittelalterlichen Vorläufer, verfehlt dieses Ziel jedoch in einem ganz wesentlichen Punkt: Sie löst die gemeinsame Messfeier aus dem Zusammenhang Ordinarius (Bischof oder Abt) mit „seinem“ Presbyterat und öffnet sie zu einer Kollektivmesse einer beliebigen Gruppe von Priestern. Unter dem Schlagwort einer „Versinnbildlichung der Einheit des Priestertums“ wurde diese Abirrung in den folgenden Jahren noch weiter vorangetrieben, bis der gegenwärtige Zustand erreicht wurde, in dem die Konzelebration aller gerade anwesenden Geweihten vielerorts als Normal- und Idealzustand gilt, während die Einzelmesse abgelehnt wird.

Hier geht es weiterDiese Entwicklung steht übrigens insoweit in einen Spannungsverhältnis zu anderen Dokumenten des Konzils, als z.B. in Christus Dominus (z.B. Abschnitt 11) die Bindung zwischen dem Ortsordinarius und „seinem“ Presbyterat in einer Weise betont wird, die dazu verleitet, die Priester als bloße Gehilfen und Untergebene des Bischofs zu verstehen. Eine „Einheit des Priestertums“ ohne Einbeziehung des Ordinarius ist von daher schwerer zu darzustellen als nach dem „vorkonziliaren“ Verständnis – doch das wäre ein anderes Thema. Hier ist festzuhalten, daß Konzept und Praxis der Konzelebration im Ordo zweifellos zu den Ursachen der Krise in Verständnis und Selbstverständnis des Priestertums in der Kirche gehören. Von daher ist das Zurückscheuen der Anhänger der Tradition von dieser Neueinführung durchaus verständlich.

Wäre es von daher nicht angebracht, jede Konzelebration grundsätzlich abzulehnen und zu verweigern? Kwasniewski selbst scheint nicht ganz so weit gehen zu wollen, wie mir nicht nur aus der Überschrift, sondern auch aus dem Gesamttenor seines Artikels hervorzugehen scheint. Er will allerdings für die Priester des alten Ritus die Konzelebration „vermeiden“, wo immer es geht, um nicht auf eine schiefe Ebene von Kompromiss zu Kompromiss zu geraten – und diese Gefahr ist durchaus vorstellbar. Ein Mittel, ihr entgegenzuwirken, wäre die Beschränkung der Bereitschaft zur Konzelebration auf ihren historischen Kern: Ausdruck der Gemeinschaft mit dem Ortsbischof ausdrücklich und ausschließlich bei der Feier der Chrisammesse. Dabei müßten dann auch die Gemeinschaften der Tradition Canon 902 im Auge behalten – der freilich nach meinem Verständnis nur ein Individualrecht der Priester beschreibt und nicht eine Weisungsbefugnis für Gemeinschaften beinhaltet, doch das ist eine Fachfrage für Kirchenrechtler.

Sich ausführlicher oder gar Punkt für Punkt mit den Darlegungen von Kwasniewski zu befassen, würde den Rahmen des hier möglichen überschreiten, ist auch m. E. In vielem nicht notwendig, weil die Meinungen wirklich nicht weit auseinanderliegen und eher den Bereich des politisch-taktisch Angeratenen als die Theologie betreffen. Daher zu diesem Bereich der Kritik hier nur noch eine Anmerkung zu der Frage nach Validität und Legitimität des Novus Ordo, von der Kwasniewski selbst einräumt, daß sie ziemlich schwierig sei. Anscheinend genau da liegt der Hauptgrund unserer Meinungsverschiedenheiten.

Ich bin kein Kirchenrechtler und kann hier nur nach dem Alltagsverstand urteilen. Die Validität des NO bestreitet auch Kwasniewski nicht – das würde bedeuten, die Gemeinschaft der Kirche von Rom aufzugeben. Seine Zweifel gelten der Legitimität. Auch wenn es mir schwerfällt, sehe ich mich jedoch nicht in der Lage, dem Novus Ordo rundum die Legitimität abzusprechen. Seine Erarbeitung war von schweren Fehlern und Regelverstößen begleitet – beginnend damit, daß er weit über die Vorgaben von SC hinaus getrieben wurde, und noch lange nicht endend bei dem Umstand, daß seine „Macher“ teilweise über wenig wissenschaftliches Rüstzeug, aber dafür eine gute Portion Größenwahn verfügten. Das sind Zweifel an opportunitas und prudentia, noch nicht an legitimitas.

Im Zuge einer 60-jährigen Praxis haben sich die eingebauten Fehler und Regelstöße im Vollzug der „erneuerten Liturgie“ vervielfacht – bis dahin, daß man in einzelnen, aber der Zahl nach anscheinend zunehmenden Fällen durchaus befürchten muß, daß am Altar alles mögliche geschieht – nur nicht die reale Vergegenwärtigung des Erlösungsopfers Christi. Dann sind auch Legitimität und Validität betroffen. Wenn es irgendwo eine Schiefe Ebene gibt, dann wird sie hier demonstriert. Dennoch hat der NO durch die Promulgation Pauls VI. Legalität erhalten und ist m.E. nicht per se illegitim. Als illegitim und daher zu Widerspruch und Widerstand berechtigend kann man m.E. erachten, daß der NO von Paul VI. mit der Absicht eingeführt wurde, die bisherige Liturgie komplett abzuschaffen und durch seine neugeschaffenen Bücher zu ersetzen. Das verstößt gegen die Grundprinzipien der traditio.

Doch zurück zum Hauptthema Konzelebration. Gravierender als die Bereitschaft, einmal im Jahr mit dem Ortsbischof zu konzelebrieren, der schließlich auch die (im Einzelfall durchaus problematische) Einheit mit dem Bischof von Rom verkörpert, könnte im konkreten Fall die so nach dem Wunsch der Urheber des Ritus demonstrierte „Einheit des Presbyteriums“ erscheinen: Kann ein traditionstreuer  Priester wirklich mit einem Priester „konzelebrieren“, der als akademischer Lehrer Grundwahrheiten des Glaubens widerspricht oder in seiner „inklusiven“ Seelsorge die Morallehre der Kirche dementiert? Was geschieht denn da beim Sprechen der Wandlungsworte bzw. dem „Vortrag des Einsetzungsberichtes“? Könnte ein solcher Häretiker seine „Mitfeier“ bei der Konzelebration sogar bewußt einsetzen, um Priester der Tradition an der Teilnahme zu verhindern? Erfindungsreichtum und Bosheit der Kämpfer für den Fortschritt sind unerschöpflich.

Von alledem her gesehen ist es sicher sinnvoll, die von Kwasniewski in Anlehnung an Oldendorf formulierte Anregung aufzugreifen, ob es nicht alternative Möglichkeit gibt, die Einheit mit dem Ortsordinarius und Wahrnehmung der Seelsorge in dessen Auftrag auch ohne Konzelebration sinnfällig zum Ausdruck zu bringen. Die Mitfeier der Chrisammesse „in choro“ ohne förmliche Konzelebration könnte durchaus ein solcher Weg sein. Es gibt Fälle, in denen das von Priestern der Tradition so gehalten und vom jeweiligen Bischof auch in diesem Sinne akzeptiert wird.

Eine Frage, die heute nicht beantwortet werden kann, ist die, ob auch Rom diesen Weg akzeptieren wird. Jedenfalls ist eine Tendenz, die Konzelebration (zumindest am Gründonnerstag) zum Prüfstein zu machen, durchaus erkennbar. Wieder eine andere Frage ist, ob eine römische Entscheidung in der einen oder anderen Richtung dann auch von den Bischöfen umgesetzt wird – und wie gegebenenfalls die Gemeinschaften des alten Ritus (und ihre Priester!) darauf reagieren werden. Der Weg von den hehren Prinzipien und den in Erz gegossenen Lettern der Gesetze oben bis hinunter zum grauen Alltag unten war schon immer ein komplizierter. Und ja, der Weg zur Hölle ist mit guten Absichten gepflastert. Aber nicht jeder Kompromiss führt auf eine schiefe Ebene, nicht jede Grauzone führt ins Verderben. Das zu wissen und damit umgehen zu können, gehört auch zur katholischen Tradition.

Wie es scheint, übt sich gerade Bischof Bertram Meier von Augsburg, der bislang nicht durch besondere Anhänglich zur Tradition aufgefallen ist, in der schwierigen Kunst dieses Navigierens in Grauzonen. In seinem Interview mit CNA, in dem er seine Bereitschaft zur Diakonenweihe bei der FSSP ausführlich und in unseren Ohren auch durchaus überzeugend begründet hat, spricht er davon, die verschiedenen Spiritualitäten in seinem Bistum schätzen und fördern zu wollen – einschließlich der von der Petrusbruderschaft vertretenen Spiritualität des Ritus vor der Liturgiereform. Deshalb sei er auch der Einladung zur Weihe für Wigratzbad gerne gefolgt – „umgekehrt erwarte ich von der Petrusbruderschaft, daß sie sich als Teil der Diözesangemeinschaft von Augsburg versteht“.

Das hätte auch das delphische Orakel nicht schöner sagen können – von einem strikten Bestehen auf der Konzelebration ist dabei jedenfalls nichts zu erkennen. Aber wer weiß, vielleicht funktioniert es.

Und jetzt warten wir erst einmal ab, wer die von der Petrusbruderschaft für den 18. Juni angesetzten Priesterweihen in Türkheim spenden wird. Es ist immer gut – ihre bischöfl. Gnaden mögen mir den Vergleich verzeihen – nicht alle Eier in einen Korb zu legen.

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