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Welche Reform für welche Liturgie?

Erzbischof Nichols zelebriert 'ad dominum'Der Beitrag von Thomas Kocik am 13. 2. in „New Liturgical Movement“ zum fälligen Abschied von den Illusionen über eine „Reform der Reform“ hat in der englischsprachigen Welt eine breite Debatte ausgelöst. Einige prominente bisherige Vertreter des Gedankens einer Reform der Reform haben sich Kocik angeschlossen – hier sind vor allem zu nennen Prior Mark Kirby von Silverstream, Fr. Richard G. Cipolla und Father Hugh Somerville-Knapman, ebenfalls Benediktiner, von Douai. Zur Vorsicht mahnte demgegenüber ebenfalls auf TNLM Bischof Peter Elliot, Weihbischof der Diözese Melbourne und Verfasser eines Standardwerkes über die korrekten Riten der modernen Liturgie. Er will an der schrittweisen „Resakralisierung“ und Rückbindung des Novus Ordo an die Tradition festhalten. Eine Übersicht des des bisherigen Diskussionsstandes gab gestern Peter Kwasnieski – dort finden sich auch Links zu einigen der wesentlichen Beiträge zu der auf verschiedenen Plattformen geführten Debatte.

Diese erste Runde der zu diesem überraschenden Zeitpunkt aufkommenden Diskussion gibt vor allem die Möglichkeit, einige Missverständnisse festzustellen und auszuräumen: Es geht selbstverständlich nicht darum, künftig auf die Forderung zu verzichten, auch die Liturgie nach den Büchern von 1970 entsprechend den offiziellen Vorgaben zu feiern und sie nicht als Feldzeichen in einem Kampf gegen die Tradition von Glauben und Lehre zu missbrauchen. Es geht auch nicht darum, auf eine möglichst baldige „Abschaffung“ der modernen Liturgie hinzuarbeiten, um sie durch die überlieferte Form zu ersetzen. Das wäre nicht nur eine absurde Verkennung der aktuellen Realitäten, sondern würde auch alle pastoralen Rücksichten außer acht lassen, deren Vernachlässigung beim Oktroy der Paulinischen Liturgie so schwerwiegende Konsequenzen hatte.

Bei der Diskussion, so wie sie in der ersten Runde geführt wurde, ging es den Teilnehmern in erster Linie darum, den Punkt zu bestimmen, von dem die Kirche bei der vom 2. Vatikanum auferlegte Verpflichtung zur Liturgiereform auszugehen habe: Die „Reform der Reform“-Befürworter hatten sich bisher vorgestellt, von der Form des Jahre 1970 auszugehen, deren Überspitzungen und Entstellungen zu beseitigen und Elemente der Kontinuität deutlicher hervortreten zu lassen. Die eher „traditionsorientierten“ Reformer wollten die Form von 1962 oder manche auch die von 1965 als Ausgangspunkt zu Grunde legen und diese Momentaufnahmen durch Einbau von Elementen der paulinischen Liturgie weiterentwickeln. Neben den bereits von Papst Benedikt genannten „neuen Heiligen“ und vermehrten Präfationen dachte man dabei vor allem an eine stärkere Berücksichtigung der Landessprachen sowie an die von einigen als Bereicherung betrachtete mehrjährige Leseordnung, die überdies in Abschnitt 51 von Sacrosanctum Concilium als konkrete Reformauflage benannt ist.

Gemeinsam ist diesen beiden Ansätzen die Vorstellung, sich irgendwo zwischen den beiden gegenwärtigen Formen der Liturgie des lateinischen Ritus zu treffen und damit die Basis für eine neue Vereinheitlichung zu schaffen.

An diesem Ziel der Vereinheitlichung haben wir hier bereits beim ersten Bericht über die von Fr. Kocik eröffnete Debatte unsere Zweifel angemeldet: Zur liturgischen Tradition der Kirche gehört auch ein beträchtlicher Pluralismus der Formen – das war in der Vergangenheit immer unproblematisch, wenn und soweit die Einheit in Glauben und Lehre unbestritten blieb.

Nun hat der Vorsitzende der englischen Latin Mass Society Joseph Shaw in einer Serie von 5 Artikeln die Aufmerksamkeit darauf gelenkt, daß dieser Gedanke einer „Zusammenführung“ oder „gegenseitigen Bereicherung“ auch deshalb an enge Grenzen stößt, weil beide Formen sich in ihrem Verständnis vom gottesdienstlichen Kult und seiner Aufnahme und Wirksamkeit bei den Menschen grundlegend unterscheiden. Wohlgemerkt: Shaw behauptet nicht wie einige deutsche Liturgologen (angeblich) unterschiedliche theologische oder ekklesiologische Konzepte, die eine gegenseitige Ausschließlichkeit der beiden Riten mit sich brächten. Bei ihm steht im Mittelpunkt das unterschiedliche Verständnis vom „Menschen im Gottesdienst“, das die beiden Riten kennzeichnet und das dazu führt, daß Elemente, die man aus dem Kontext des einen herauslöst, im Kontext des anderen unter Umständen keine Bereicherung, sondern eine Beeinträchtigung bedeuten.

Konkret am Beispiel der gottesdienstlichen Sprache ausgeführt: Wo als wesentliche Form der gottesdienstlichen Beteiligung das intellektuelle Verständnis des gesprochenen Wortes gilt, sind kurze Sätze in einfachen Wendungen und Blickkontakt zwischen Sprecher und Hörer wichtige Voraussetzungen. Wo demgegenüber Gottesdienst (unter anderem) eine alle Sinne und Regungen des Menschen anrührende Hinwendung zu einer transzendenten Wirklichkeit bewirken will, ist allgegenwärtige sprachliche Belehrung vielfach hinderlich. Welchen Sinn könnte es unter diesen Umständen haben, die überlieferte Liturgie durch laut in der Umgangssprache gesprochene Kanongebete zu „bereichern“ - und welchen Sinn hat es, im Novus Ordo feiertags das Credo in lateinischer Gregorianik doppelt zu verfremden? Erst recht, wenn dessen Glaubenssätze kaum gekannt und teilweise sogar abgelehnt werden.

Mit solchen Überlegungen nähert sich Joseph Shaw den wesentlichen Voraussetzungen und Motiven der liturgischen Bewegung und jeder Liturgiereform überhaupt und hebt damit die aktuelle Diskussion auf eine neue, höhere Ebene. Die Lektüre seiner Beiträge ist sehr empfehlenswert. Wir haben mit der Übersetzung begonnen und werden die Texte in den kommenden Tagen hier auch in Deutsch anbieten.

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