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Actio oder celebratio?

Der hier vor wenigen Tagen kurz problematisierte Einschub des Satzes „quem tibi offerimus“, den Paul VI. in das neugeschaffene Oratoriumsgebet des Missales von 1969 aufnehmen ließ, veranlasst Johannes Nebel als einen der Beiträger des Veranstaltungsberichtes Operation am lebenden Objekt zur eingehenden Analyse eines der nach dem zweiten Vatikanum in der Kirche vollzogenen Paradigmenwechsel. Sein Beitrag ist in dem genannten Band unter dem Titel Von der actio zur celebratio - Ein neues Paradigma nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil,  S. 53 - 90, erschienen. 

Ausgangspunkt seiner Überlegungen ist der bereits von den Reformern selbst bemerkte und beklagte Umstand, daß damit dem Satz, der ursprünglich alleine dem Lobpreis Gottes als Schöpfers und Ernährers diente, einigermaßen gewaltsam eine Opferaussage implementiert wird. Nebel erkennt darin einen zentralen Unterschied zwischen dem reformerischen Liturgieverständniß und der katholischen Tradition:

Was sich in der lateinischen Gestalt der Gabenbereitungsformel zeigt, ist ein gedanklicher Konflikt zwischen der Idee eines gottesdienstgemeinschaftlich konzipierten Lobpreises, ungefähr im Sinne eines gemeinschaftlichen Erntedanks im Blick auf die nachfolgende Eucharistiefeier, und  der Idee einer vom Priester am Altar im Namen aller vollzogenen Darbringungshandlung, die schon im Vorfeld sakramentaler Vollzüge steht.“

Ein in die Theologie eingedrungener eindimensionaler Rationalismus hatte bereits bei Luther Anstoß an diesem „Vorgriff“ auf die später im liturgischen Ablauf erfolgende eigentliche Opferhandlung genommen. Diesen „Vorgriff“ und die daraus angeblich hervorgehenden Mißverständlichkeiten zu beseitigen, war eines der Hauptanliegen der protestantischen Reformatoren ebenso wie der bugninischen Reformer. Genau das hatte der Papst mit seinem Bestehen auf der Einfügung zu konterkarieren versucht, ohne freilich eine wirkliche Klärung herbeizuführen.

Nebel geht in seinem Aufsatz zunächst daran, diesen Konflikt in die Geschichte der Liturgiereformen des 20. Jahrhunderts einzuordnen. Als Ursache ortet er ein bereits auf Odo Casel zurückgehendes Mißverständnis des Mysteriencharakters der liturgischen Handlung, das teilweise - wenn auch noch nicht als Leitzprinzip - die Liturgiekonstitution beeinflusst habe: Das Geheimnis vollzieht sich mehr, als daß es bewirkt wird.

Der sakramentale Opferakt liegt bei Casel somit allein in der objektiven Mysteriengegenwart des Opferaktes Christi. Das ist Kernanliegen seiner Mysterientheorie. Dies führt zu einer Aufspaltung des actio-Begriffs in eine eigentliche und unsichtbare Opferhandloung einerseits und eine rein äußerlich-begleitende sichtbare Opferhandlung andererseits. Und gut 60 Jahre später folgte Bugnini Caselgenau darin: Nämlich die liturgische Gottesverehrung in ihrem Kern hineinzuverlagernin die Gegenwart eines Kultmysteriums. Die Anbetung Gottes erfolgt nicht mehr in erster Linie in der liturgischen Handlung selbst, sondern in einem in der Liturgie gegenwärtigen Mysterium, woran sich die Anwesenden freilich spirituell anschließen mögen.“

Nachdem Nebel dargelegt hat, daß dieses Verständnis durchaus nicht durch die Liturgiekonstitution gedeckt ist, wendet er sich den Folgen dieser wesensmäßigen Abtrennung des unsichtbaren Mysteriums von der gottesdienstlichen Handlung für die Liturgiereform zu. Die Handlung ist dann eben nicht mehr bewirkende actio, sondern eine Art von Begleitung. Daraus folgt für Bugnini „eine neue Akzentuierung“ für die liturgischen und sakramentalen Handlungen, die den Charakter von „Feiern“ annehmen. Dabei geht Buignini laut Nebel noch deutlich über Casel hinaus: Wo dieser noch hohen Respekt vor der äußeren Form bewahrt habe, verliere die Form bei Bugnini erheblich an Bedeutung, werde eine solche nun doch kirchlich vorgeschrieben, so bleinbe sie zwangsläufig sekundär. Ins Zentrum der äußeren Abläufe rückt dann die zur Liturgie versammelte Ortsgemeinde.

Nebel leitet daraus als erstes Zwischenergebnis die Feststellung ab:

(Daraus) wird deutlich, daß die von Bugnini vorgenommene Verschiebung über den Willen von Sacrosanctum Concilium hinausgeht. Die eingangs beobachtete Formel zur Erhebung der Gaben zeigt in ihrer ursprünglichen Gestalt, wie sehr das neue Paradigmader Liturgie als Gemeindefeier die konkrete Ausformung der nachkonziliaren Riten beeinflußt hat.“

Ich denke, man kann das noch über Nebel hinaus zuspitzen: Wir müssen heute mit guten Gründen die Frage stellen, ob Priester und Gemeinde, die sich sonntags zur Liturgiefeier versammeln, dabei in jedem Fall das Gleiche tun wollen und tatsächlich auch tun, was ihre Vorgänger in vorkonziliaren Zeiten beim heiligen Messopfer tun wollten und taten.

Ebenso beunruhigend erscheint und - damit lösen wir uns zunächst von dem Aufsatz Nebels - eine weitere Überlegung. Offenbar hat Papst Paul VI. ausweislich seines Bestehens darauf, den bewußten Satz in die Offertoriumsformel aufzunehmen, gesehen oder zumindest geahnt, daß „seine“ Reformkommission dabei war, gefährliches Gelände zu betreten. Er tat dagegen, was er konnte, aber das war schon nicht mehr genug. Getrieben von Theologen und den von ihnen ausgebildeten Priestern, die schon längst vom Kern der katholischen Glaubenslehre entfremdet waren, ging das Allgemeinverständnis der Liturgiefeier vielerorts bald nicht nur mit Bugnini über Casel, sondern auch über Bugnini hinaus und entstellte die Liturgiefeier zur Selbstfeier der Versammlung und ihrer Aktivisten

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