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Gold, Samt und Seide

BildArchiv der Diözese ValenciaDie Frage, ob man am Gold für die liturgischen Geräte festhalten, sich dagegen von den Pontifikal-Pantoffeln leichten Herzens verabschieden solle und könne, stellt sich heute eher theoretisch: Beides ist in den geltenden Ordnungen für den überlieferten Ritus eindeutig geregelt. Und wenn aus der Formlosigkeit der letzten 50 Jahre und der zunehmenden Neigung zur Anomie in den letzten 5 Jahren eine Lehre zu ziehen ist, dann diese: Wo die vorgeschriebenen Formen und die gültigen Gesetze leichthin zur Disposition gestellt werden, besteht nicht nur die vage Gefahr, daß auch Inhalte beschädigt werden – es ist mit Gewißheit davon auszugehen, daß solche Schäden eintreten.

Sind wir also dazu verpflichtet, kompromisslos und auf Dauer an diesen vorgeschriebenen Formen in ihrer Gesamtheit festzuhalten und damit jede künftige „organische Entwicklung“ abzublocken? Das sollte man schon alleine deshalb nicht fordern, weil diese Forderung selbst unverkennbar ein Abrücken von aller traditionellen Praxis bedeuten würde.

Wenn man zukünftige Weiterentwicklungen nicht ausschließen möchte – was ja nicht bedeutet, diese für sofort auf die Tagesordnung zu setzen – wird man sich sinnvollerweise an den Gesetzmäßigkeiten orientieren, die bisher als Kennzeichen einer organischen Entwicklung erkannt worden sind. Eine wesentliche Rolle kann dabei Baumstarks Gesetz von der „Erhaltung des Alten in Liturgisch hochwertiger Zeit“ zukommen, wenn man das in einer allgemeineren Form und über den Bezug auf den Festkalender hinaus versteht, etwa: Der Erhalt liturgische Formen und Vorgaben ist umso stärker geboten, je näher diese Elemente den zentralen Inhalten und Geheimnissen des Glaubens stehen. Damit wäre das Feld möglicher Veränderungen schon einmal stark eingeschränkt. Doch auch da ist eine weitere Einschränkung möglich und sinnvoll: Über Veränderungen sollten man nur da auch nur nachdenken – was ja bekanntlich weit vor dem Durchführen kommt – wo es um Dinge geht, die vom Alltagsverständnis der Gläubigen (also nicht von Jedermann in einer modernen Säkularkultur) so weit entfernt sind, daß sie sich zu Hindernissen für die andächtige Teilnahme am Gottesdienst entwickeln können.

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Wenn man will, kann man genau diese beiden Grundsätze als den eigentlichen Inhalt der Aussage des Konzisldokuments zur Liturgiereform verstehen, es „sollen keine Neuerungen eingeführt werden, es sei denn, ein wirklicher und sicher zu erhoffender Nutzen der Kirche verlange es.“ (Sacro Sanctum Concilium Abs. 23) Aber das ist wieder eine andere Baustelle, und wirklich ernst gemeint haben die Verfasser das vielleicht nie.

In der Anwendung auf die beiden oben genannten Gegenstände geben diese beiden Grundsätze jedenfalls eine durchaus brauchbare Orientierung: Ja, „Gold“ steht für die meisten Gläubigen (und Ungläubigen auch) für hohen Wert, Hochschätzung und Transzendenz. Es ist nur eine kleine kulturrevolutionäre Minderheit (in der Kirche ebenso wie in der Gesellschaft), die (angeblich!) bei Gold zuerst an Ausbeutung und Elend der 3. Welt denkt. Die Geräte, die mit dem Leib des Herrn in Berührung kommen, aus edelstem Material zu machen, ist eine Selbstverständlichkeit – zumindest solange man die Messe nicht zu einer Propagandashow im Sinne von „hoch die internationale Solidarität“ machen will.

Auf der anderen Seite hat zumindest das Verständnis für die symbolische Bedeutung von mit Goldfäden bestickten Seidenpantoffeln für die würdige Feier der hl. Messe seit 1793 in den Gesellschaften Westeuropas deutlich abgenommen. So deutlich, daß die Frage, ob man diese Symbolik beibehalten soll, nicht von vornherein unberechtigt erscheint. Beim Nachdenken über diese Frage sollte man freilich auch bedenken, daß Symbole nicht nur Ausdruck von Bewußtsein sind, sondern auch zur Formung von Bewußtsein beitragen. In Zeiten egalitaristischen Flachsinns, dessen Propagandisten unentwegt behaupten, der „Vorsteher bei der Gemeindemesse“ sei ein Hinz wie jeder andere Kunz auch, bekommen anscheinend aus der Zeit gefallene Signale wie die Soutane des Priesters oder eben die Pontifikal-Pantoffel ihren eigenen Stellenwert, über dessen „pastoralen“ Nutzen oder Mangel man kühl und rational nachdenken kann.

Daher sollte man sich zumindest theoretisch die Offenheit für Veränderungen und Entwicklungen in der Liturgie auf dem hier angedeuteten Gleise erhalten. Ob und wann man dann solche Veränderungen anstrebt oder praktiziert – auch ohne offizielle Genehmigung, die kommt immer erst nachträglich und wird bekanntlich echten Mißbräuchen und Entstellungen heute gerne erteilt – ist mehr eine Frage der Klugheit als des Prinzips. 

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Die antike Achat-Schale des Santo Cáliz de Valencia gilt als der Kelch des letzten Abendmahles Jesu Christi. Seine Goldfassung stammt aus dem Mittelalter. Daß die Juden ihre Gefäße für den rituellen Wein-Trunk nicht aus Gold oder Silber machten, hat seine Grund in den überaus streng verstandenen Reinheitsgeboten: Auch dem edelsten Metall ist seine Herkunft kaum anzusehen – es hätte zum Beispiel ganz oder teilweise von einem Götzenbild stammen oder in verbotenen Geschäften verwandt worden sein können. Damit wäre es für den rituellen Gebrauch unbrauchbar gewesen. Bei einer eigens aus Onyx oder Achat geschnittenen Schale bestand diese Gefahr nicht. Das Zeichen der Hochschätzung ist hier fast noch stärker als beim Goldkelch des Mittelalters: Die bedingungslose Absage an jede profane oder unehrerbietige Verunreinigung oder Verwechslung.

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