Unangenehm auffallen
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- 12. Februar 2019
Wir haben hier schon gelegentlich darauf hingewiesen: Das Problem des Kommunionempfangs durch sog. „Wiederverheiratete Geschiedene“ oder „protestantische Ehepartner“ wäre keines oder zumindest wesentlich entschärft, wenn der Novus Ordo nicht den Gang zum Kommunionempfang als „Kommunionprozession“ so betont zu einem Gemeinschaftsbegängnis gemacht hätte, dem sich der Einzelne nur schwer entziehen kann, ohne „unangenehm aufzufallen“.
Joseph Shaw hat dieser Tage in einem Artikel unter der Überschrift „Sünder in der Kommuniponprozession“ darauf aufmerksam gemacht, daß das Problem auch eine Folge der hier kürzlich angesprochenen „Verarmung“ der Liturgie ist, die bereits im Anschluss an das Konzil von Trient einsetzte und nach dem 2. Vatikanum ihren von Bilderstürmen begleiteten Höhepunkt erlebte.
Das starke Bewußtsein des mittelalterlichen Menschen von seiner Sündhaftigkeit hatte dazu geführt, daß viele nur selten zur Kommunion gingen – die Kirche sah sich veranlaßt, wenigstens einmal jährlichen Kommunionempfang vorzuschreiben. Das eliminierte das Problem des „unangenehm Auffallens“ zwar nicht vollständig, machte es aber alleine aufgrund des selteneren Auftretens leichter beherrschbar – womit hier nicht dem seltenen Kommunionempfang das Wort geredet sein soll. Aber die Teilnahme an der hl. Messe war insgesamt weniger auf den Gang zur Kommunion ausgerichtet, und es gab in Ritus und Ritual andere Elemente, die auch eine Einbeziehung der Gläubigen gestatteten, die sich nicht zum Kommunionempfang disponiert sahen.
Als Beispiele nennt Shaw das Procedere des Asperges vor dem sonntäglichen Hochamt, die mit großer Andacht vorgenommene Verehrung der allerheiligsten Gestalten nach der Wandlung und den Friedensgruß, der anders als die heute übliche Händeschüttelei vielfach in Form der Pax-Tafel sichtbar vom Altar ausging und von dort aus die ganze Gemeinde erfasste. Vielfach sei es üblich gewesen, nach der Messe gesegnetes Brot oder gesegneten Wein zu verteilen – ein Gemeinschaftserlebnis, an dem jeder teilnehmen konnte, ohne in Gefahr eines Sakrilegs zu kommen. Auch in der Gewohnheit, die Kommunion nicht an der „liturgisch richtigen“ Stelle innerhalb der Messe zu spenden, sondern sie in eher ungeregelter Form zwischen den Messen auszuteilen, sieht Shaw einen Mechanismus, der den Einzelnen vom Druck des Kollektivs entlastete. Viel stärker als heute wäre die Teilnahme am liturgischen Geschehen Sache des Einzelnen und seiner Fähigkeit zum andächtigen Gebet gewesen – bis hin zur verbreiteten „geistigen Kommunion“ der Gläubigen während der Kommunion des Priesters.
Kein Zweifel: Die Betonung des gemeinschaftlichen Charakters der Messfeier und die nachgerade passgenauen Begleitung des Geschehens am Altar und der Gebete des Priesters durch die Gläubigen sind Errungenschaften eines liturgischen Bewußtseins und der liturgischen Bewegung, die man nicht geringschätzen sollte. Aber heute ist zu sehen, daß auch dieser Fortschritt seinen Preis gefordert hat und allsonntäglich neu fordert. In den Fällen, wo der betonte Kollektivismus zum sakrilegischen Empfang der Kommunion führt oder dazu, daß das Bewußtsein des damit verbundenen Mysteriums praktisch erloschen ist, war der Preis zu hoch.