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Ritus von Sarum - der Ordo Missae

Bild: Ves80 in Wikipedia, CC BY-SAIm äußeren Ablauf, den wir bereits hier beschrieben haben, entspricht das Hochamt des Usus von Sarum weitgehend dem römischen Vorbild. Die Unterschiede liegen zum Teil bei kleineren Gesten des Priesters, die für die Gläubigen im Kirchenschiff oder auch die Kleriker im Chor kaum sichtbar waren, zum anderen Teil – zumindest beim feierlichen Levitenamt – bei der Ordnung der Prozessionen, die reichhaltiger ausfallen als beim Levitenamt der nachtridentinischen Zeit.

Deutlich größer sind die Unterschiede in den Texten des Ordo Missae – wobei gleich die Einschränkung vorzunehmen, daß es im Kanon selbst praktisch keine Unterschiede gibt. Die wenigen, die wir feststellen konnten, sind schnell benannt:

Im Te Igitur nennt das Missale von Sarum da, wo der neuzeitliche römische Ritus die Einheit mit dem namentlich zu benennenden Papst und Ortsbischof ausdrückt, zusätzlich auch „unseren König N.“ Das mag dem modernen Empfindung als eine Vermischung der geistlichen und der weltlichen Sphäre erscheinen, geht jedoch nach Eusebius und Tertullian auf ältesten Gebrauch der Kirche zurück. Wieweit das auch in anderen vortridentinischen Missales so gehandhabt wurde, wäre bei Gelegenheit zu überprüfen.

Dann gibt es noch wenige Unterschiede im Satzbau: Etwa wenn ein „cum“ eingefügt ist, wo die tridentinische Form nur eine Aufreihung hat, oder in der Orthographie, wo etwa „coelum“ statt „caelum“ steht oder „tuie“ statt „tuae“. Aber da geben die ausgewerteten Quellen bereits unterschiedliche Befunde, so daß ohne Rekurs zu den Handschriften nichts genaueres zu sagen ist. Die Heiligenlisten stimmen überein, lediglich im Nobis quoque peccatoribus ist die Reihenfolge von Lucia und Agatha vertauscht. Das war es aber auch schon. Zumindest für Sarum bleibt es also bei dem, was wir in unserem Beitrag zum „unwandelbaren Hochgebet“ ausgeführt hatten: Der Canon Romanus steht fest.

Wesentlich stärker wahrnehmbar sind die Unterschiede in den anderen Gebeten des Ordinariums, die hier nur insoweit angesprochen werden sollen, wie sie über bloße Änderungen der Schreibweise oder einzelner Worte hinausgehen.

Das zu Beginn der Messe wechselseitig von Priester und Altardienst gebetete Confiteor ist das kürzeste, das wir bisher gesehen haben:

Confiteor Deo, beatae mariae, omnibus sanctis, et vobis: quia peccavi nimis cogitatione, locutione, et opera mea culpa: precor sanctam mariam, omnes sanctos Dei, et vos, orare pro me.

Dafür ist die Vergebungsbitte etwas ausführlicher:

Absolutionem et remissionem omnium peccatorum vestrorum, spatium verae penitentiae, et emendationem vitae, gratiam et consolidationem sancti spiritus tribuat vobis omnipotens et misericors Dominus.

In den Worten „spatium verae penitentiae et emendationem vitae“ zeigt sich ein Zug zur Konkretheit, der auch in anderen Gebetstexten aus Salisbury aufscheint: Hier geht es weiter Wo die römischen Texte in ihrer klassischen Knappheit manchmal etwas abstrakt wirken, scheinen die von Sarum stärker mit der „Lebenswirklichkeit“ der Menschen und auch des zelebrierenden Priesters verbunden. „Spatium verae penitentiae“ - die Gefahr des plötzlichen Todes war dem Menschen des Mittelalters immer gegenwärtig und die Bitte um Gelegenheit zur „emendatio vitae“ hatte hohen Stellenwert. Das ergibt einen Unterschied in der spirituellen Tonart, soweit wir feststellen konnten jedoch an keiner Stelle in der Theologie.

Der Sarum an dieser Stelle eigentümliche erste Friedenskuss (nur mit Diakon und Subdiakon) wird begleitet von dem Gebetswunsch:

Habete osculum pacis et dilectionis: ut apti sitis sacrosancti altari ad perficiendum altaris Domini officia divina.

Im weiteren Verlauf der Vormesse treten in den Texten des Ordinariums keine nennenswerten Unterschiede auf. Inwieweit Leseordnung und Orationen vom tridentinischen Gebrauch abweichen, geht aus dem vorliegenden Material nicht hervor. Ein Blick in die mehrere Jahrhunderte älteren Ausführungen des Rupert von Deutz läßt jedoch vermuten, daß etwaige Unterschiede nicht sehr groß gewesen sein dürften.

Die folgenden Gebete bis zur Präfation – also die „Opferung“ – unterscheiden sich demgegenüber stark von der tridentinischen Fassung. Die Gabenbereitung ist wesentlich kürzer gestaltet und besteht im wesentlichen aus dem Offertorium aus dem Proprium selbst und dem knapper als in Rom gefassten Gebet:

Suscipe, sancta Trinitas, hanc oblationem, quam ego indignus peccator offero in honore tuo et beatae Mariae et omnium sanctorum tuorum, pro peccatis et offensionibus meis: pro salute vivorum et requie omnium fidelium defunctorum. In nomine Patris...“

Alles in Rom folgende, das zu den poetischsten und spirituell tiefsten Elementen des tridentinischen Ordo gehört, entfällt ersatzlos bis auf den einzelnen Satz:

Dirigatur, Domine ad te, oratio mea, sicut incensum in conspectu tuo.

Dem folgt sogleich die Händewaschung. Von einem eigentlichen Ritus der Opferung kann also in Sarum kaum die Rede sein – bei den in dem genannten Buch von Maskell ebenfalls erfassten weiteren englischen Ordines ist es ebenso: Keine eigenständige Opferung Das liefert zwar noch keinen hinreichenden Grund für die im Novus Ordo vorgenommene Zurückstufung dieses Abschnitts der Messfeier zu einer bloßen „Gabenbereitung“ mit jüdischen Tischgebeten der nachchristlichen Zeit, zeigt aber doch, daß das römische Verständnis des Offertoriums und seine Theologie nicht überall und zu jeder Zeit zum Kernbestand der Messe im lateinischen Ritus gehörten.

Statt des Lavabo mit dem langen Auszug aus Psalm 25 betet der Offiziant in Sarum zur Händewaschung das folgende kurze Gebet:

Munda me Domine ab ab omni inquinamento mentis et corporis, ut possim mundatus implere opus sanctum Domini – Reinige, Herr, mich von allen Fehlern an Geist und Körper, damit ich gereinigt das heilige Werk des Herrn vollbringen kann.

Zum Abschluß dieses extrem gerafften Abschnittes betet der Priester dann noch an der Stelle, in der nach dem römischen Usus das „Suscipe, sancta Trinitas....“ vorgeschrieben ist, das Gebe In Spiritu humilitatis, das in Rom im gleichen Wortlaut vor der Händewaschung platziert ist.

Es folgt der Übergang zur Präfation mit dem Suscipiat, das einerseits – erkennbar an der Nennung der „sorores“ – alle Gläubigen einschließt, andererseits aber mit „pariterque“ noch deutlicher als die römische Formel den Unterschied zwischen dem allgemeinen und dem besonderen Priestertum zum Ausdruck bringt:

Orate, fratres et sorores, pro me, ut meum pariterque vestrum acceptumsit Domino Deo nostro sacrificium. Antwort: Spiritus sancti gratia illuminet cor tuum et labia tua, et accipiat Dominus digne hoc sacrificium laudis de manibus tuis, pro peccatis et offensionibus nostris.

Danach beginnt der wie beschrieben weitestgehend mit dem römischen Gebrauch übereinstimmende Kanon; diese Übereinstimmung hält textlich – nicht bezüglich der Gesten und Handlungen – bis zum Pax Domini sit semper vobiscum vor dem Agnus Dei an. Hier gibt es eine Änderung in der Reihenfolge: Rom hat erst das Gebet Haec commixtio und dann das dreifache Agnus Dei – in Sarum ist das umgekehrt und mit leichter Variation des Textes:

Haec sacrosancta commixtio corporis et sanguinis domini nostri Jesu Christi fiat mihi omnibusque sumentibus salus mentis et corporis: et ad vitam aeternam promerandam et capescendam praeparatio salutaris.

Die nun folgenden Gebete zur Kommunion des Priesters und bis zum Ite Missa est sind in Sarum zahlreicher und betonen stärker als in Rom die Ehrfurcht vor dem nun auf dem Altar präsenten Leib des Herrn. Vor der dann wieder mit dem römischen Gebrauch korrespondierenden Kommunionbitte „Domine Jesu Christe, Fili Dei vivi...“ betet der Priester:

Deus Pater, fons et origo totius bonitatis, qui ductus misericordia Unigenitum tuum pro nobis ad infirma mundi descendere et carnem sumere voluisti: quam ego indignus hic in manibus meis teneo.

Te adoro, te glorifico, te tota cordis intentione laudo: et precor, ut nos famulos tuos non deseras, sed peccara nostra dimittas: quatenus tibi soli Deo vivo et vero puro corde ac casto corpore servire mereamur. Per eundem Christum...

Die Gebete zum Genuss des Leibes und Blutes Christi lauten abweichend vom römischen Wortlaut:

Ave in Aeternum sanctissima caro Christi: mihi ante omnia et super omnia summa dulcedo. Corpus Domini nostri Jesu Christi sit mihi peccatori via et vita. In nomine Patris...

Und:

Ave in aeternum coelestis potus, mihi ante omnia et super omnia summa dulcedo. Corpus et sanguis Domini nostri Jesu Christi prosint mihi peccatori ad remedium sempiternum in vitam aeternam. In nomine Patris...

Es folgt eine so in Rom in dieser Form ebenfalls nicht übliche Danksagung:

Gratias tibi ago, Domine, sancte Pater, omnipotens aeterne Deus: qui me reficisti de sacratissimo corpere et sanguine Filii tui Domini nostri Jesu Christi: et precor, ut hoc sacramentum salutis nostrae quod sumpsi indignus peccator, non veniat mihi ad judicium necque ad condemnationem pro meritis meis: sed adprofectam corporis et animae in vitam aeternam. Amen.

Dann nach der ersten Ablution schließlich das wieder mit Rom gleichlautende Quod ore sumpsimus und zwei weitere kurze Gebete zur zweiten Ablution:

Haec nos communio, Domine, purget a crimine, et coelestis remedii faciat esse consortes. Und: Adoramus crucis signaculum, per quod sumpsimus sacramentum. 

Es folgen die Postcommunio, die Entlassung und der Auszug wie im vorangehenden Beitrag beschrieben.

Hier ist also rund um den praktisch identischen römischen Kanon eine gewisse Akzentverlagerung zu konstatieren: Während die Gabenbereitung textlich extrem reduziert ist, sind die Elemente der Anbetung nach der Wandlung und zur Kommunion des Priesters erheblich ausführlicher gehalten und in einzelnen konkreten Wendungen erkennbar auf die Lebenswelt des Zelebranten und der Altardiener bezogen. Das führt in Zahl, Umfang und Wortlaut der Gebete zu erheblichen Unterschieden - macht aber inhaltlich kaum mehr aus als eine Variation der Perspektive.

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