Motu Proprio: Summorum Pontificum

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Das Missale Romanum lebt!

Wie aus ehrwürdigen, aber veralteten Messbüchern ordnungsgemäße „62er“ werden

In den meisten Gemeinden – so erklärte kürzlich der Aachener Bischof Mussinghoff in seiner Eigenschaft als Stellvertretender Vorsitzender der deutschen Bischofskonferenz - fehlten mittlerweile die Messbücher von 1962. Darin sah er ein ernstes Hindernis für die Feier der hl. Messe nach der älteren Form des römischen Ritus.

In der Tat sind diese Messbücher in den meisten Gemeinden seinerzeit gar nicht erst angeschafft worden – dementsprechend rar sind sie heute. Ein Problem für die ordnungsgemäße Feier der hl. Messe nach den Vorgaben von Summorum Pontificum ist das freilich nicht: Die Messe ist zwar nach den Büchern von 1962 zu feiern – das heißt aber nicht, daß auch ein Messbuch mit diesem Druckdatum auf dem Altar liegen muß.

Drei Jahrhunderte in einem Blick: Links auf dem Original von 1742 eine Einlage aus den 1790er Jahren; rechts über einer Einlage aus dem 19. Jh. hektographierte Blätter aus den 60ern des 20. Jh. Mehr zu diesem Missale am Fuß dieser Seite.

Es ist eine Jahrhunderte alte Traditon, ältere Messbücher durch Nachträge auf den jeweils aktuellen Stand zu bringen – bis zu den revolutionären Veränderungen der späten 60er Jahre war das stets ohne besondere Schwierigkeiten möglich. Wir zeigen Ihnen, wie Sie jedes Messbuch mit Druckdatum nach 1570 zum ordnungsgemäßen 62er machen.

Zuerst freilich gestatten Sie uns einen Rückblick auf die wilden 60er Jahre. Papst Johannes XXIII. hatte also im Jahr 1962 sein neues Missale promulgiert, so wie die meisten Päpste vor ihm das Ihre. Allerdings gingen die Änderungen dieses Mal über das gewohnte Maß hinaus. Es wurden nicht nur „Neue Heilige“ und das eine oder andere Fest neu aufgenommen; die seit den 50er Jahren im Hintergrund wirkende Liturgiewerkstatt hatte auch einen deutlich veränderten „Ritus Servandus“ ausgearbeitet, und der Papst selbst unternahm mit der Aufnahme des hl. Joseph in das „Communicantes“ erstmals seit etwa 1500 Jahren einen Eingriff in die Textgestalt des canon missae. Unter normalen Bedingungen hätte es mit dieses Veränderungen danach für Generationen sein Bewenden haben sollen.

Vom Missale zur Lose-Blatt-Sammlung

Die Bedingungen waren aber nicht normal. Seit den Veränderungen der Karwochen-Liturgie durch Papst Pius XII im Jahr 1955 (Maxima Redemptionis Nostrae Mysteria, AAS 47 (1955) 838-847) und erst recht nach der Ankündigung des 2. Vat. Konzils am 25. Januar 1959 schien Veränderung zum Programm geworden zu sein. Vielerorts wurden statt gebundener Bücher Lose-Blatt-Sammlungen angelegt und eingesetzt, in denen man Selbsterdachtes und aus Rom Zugeschicktes einträchtig nebeneinander versammelte.

Statt ein neues Missale mit ungewissem Haltbarkeitsdatum anzuschaffen (das 62er hielt dann tatsächlich auch nur bis 1965), verfuhr man in den meisten Gemeinden so: In dem Messbuch, in das man auch bisher schon alle Veränderungen eingetragen oder eingeklebt hatte, trug man nun in seiner besten Handschrift den Hl. Joseph im Communicantes nach. Und für die Karwoche schaffte man einen Sonderband an, wie er von verschiedenen Verlagen und in verschiedenen Formaten angeboten wurde – tatsächlich entsprachen solche Sondermissale für die Osterwoche einer alten Tradition.

Von der Lose-Blatt-Sammlung zum Missale

Und genau dieses Verfahren empfehlen wir allen, die in der Sakristei oder auf dem Kirchenboden trotz allen Suchens kein Missale des Druckjahres 1962 finden konnten: Ein älteres, das im Antiquariat oder zur Not über Ebay zu bekommen ist, auf den Stand von 1962 zu bringen, und gegebenenfalls auch den „Ordo hebdomadae sanctae instauratuas“ von 1955 (er wurde tatsächlich bis 1969 benutzt und ist entsprechend leichter zu bekommen) zu beschaffen. Wobei der Bedarf für letzteren nicht allzu groß sein sollte, weil die Feier der Karliturgie nach der traditionellen Form den Einrichtungen vorbehalten ist, die die außerordentliche als ihre ordentliche Form pflegen.

Bevor wir in die Details zur Aktualisierung älterer Missale gehen, noch einige Hinweise zur Identifikation echter Missale nach den Vorschriften des Jahres 1962. Dieses Missale enthält als eines seiner Vorworte ein Dekret der Ritenkongregation vom 23. Juni 1962, unterzeichnet vom Präfekten Kardinal Larraona und dem Sekretär Henricus Dante, in dem Bezug auf das Motu Proprio „Rubricarum Instructum“ von Papst Johannes XXIII genommen wird. Natürlich enthält es auch die erneuerten Rubriken und ebenso die korrekte Karwochenliturgie – wer dieses Buch in Händen hat, ist aller rubrizistischen Sorgen ledig und muß hier nicht weiterlesen.

Nur echt mit dem Datum vom 23. Juni 1962 an dieser Stelle

Wer ein früheres (und meistens ist das auch ein schöneres und ehrwürdigeres) Buch hat, muß jetzt zweispurig weiterfahren. Zunächst sollte er sich die 1962 gültigen Rubriken besorgen und sich damit vertraut machen – wir bieten hier den korrekten „Ritus Servandus“ von 1962 auf Latein als Sonderseite. Einkleben muß man diese neuen Rubriken nicht, nur kennen und nach Möglichkeit auch anwenden.

Tatsächlich sind diese Rubriken in den wilden 60ern selbst kaum jemals befolgt worden, und die Kommission Ecclesia Dei hat sich in den vergangenen Jahren wohl auch öfter entgegenkommend gezeigt, wenn Priester des alten Ritus etwa unter Hinweis auf lokale Traditionen die Erlaubnis zu Abweichungen erbeten haben. Aber die Rubriken des Jahres 1962 sind nach „Summorum Pontificum“ das heute geltende Recht und verdienen dementsprechend Respekt und Beachtung.

Handarbeiten nach altem Vorbild

Als zweites ist dann das vorhandene ältere Missale auf den Stand von 1962 zu bringen. Vielfach sind die im Antiquariatshandel erhältlichen älteren Messbücher bereits von ihren Vorbesitzern und vor allem ihren Vorbenutzern entsprechend „upgedated“ worden – die Bilder auf dieser Seite zeigen das an einem Missale aus dem Jahr 1742, das bis in die frühen 60er Jahre des 20. Jahrhunderts immer wieder mit Feder, Kugelschreiber, Schere und Klebstoff auf den jeweils aktuellen Stand gebracht worden ist. Bis nach dem zweiten Weltkrieg haben die Verlage Pustet und Herder jedesmal, wenn ein neues Messformular herauskam oder wenn neue Einzelgebete vorgeschrieben wurden, Einlegeblätter oder „Ausschneidebögen“ herausgebracht, die es leicht machten, die Neuerungen zu übernehmen.

Später, als die Dinge schon unübersichtlicher geworden war, behalf man sich auch mit handgeschriebenen Zetteln oder hektografierten Blättern. Heute greift man zweckmäßigerweise zum Scanner oder Kopierer. Als Vorlage bezw. als Maßstab für die inhaltliche Richtigkeit empfiehlt sich dabei ganz besonders der relativ leicht auffindbare Schott der Ausgabe mit Vorwort vom 1. Januar 1963. Er enthält sämtliche nach Summorum Pontificum auch heute verbindlichen Formulare der Fest- und Sonntage sowie der Heiligengedenken; für Votivmessen oder (anerkannte) „lokale Heilige“ dürfte auch der Verwendung älterer Formulare aus approbierten Messbüchern nichts im Wege stehen.

Die Aktualisierung eines über 100 Jahre alten Messbuches auf diese Weise macht sicher mehr Arbeit, als an einem Sonntagnachmittag zu bewältigen ist – aber man kann das ja bequem über's Jahr verteilen und dabei darüber meditieren, wie viele Formulare völlig unverändert geblieben sind – und wie rücksichtsvoll und bedachtsam Änderungen oder Ergänzungen oft durchgeführt worden waren.

Als letzten Schritt sollte man dann keinesfalls vergessen, den hl. Josef im Communicantes auf geeignete Weise nachzutragen. Der präzedenzlose Eingriff seiner Einfügung in den Kanon wird von einigen traditionsbewußten Liturgikern zwar immer noch mit Missbilligung zur Kenntnis genommen. Als im 19. Jh. ein entsprechender Wunsch an Pius IX. herangetragen wurde, soll er mit den Worten abgelehnt haben: „Ich kann das nicht tun – ich bin nur der Papst“. Aber das 20. Jh. und besonders dessen zweite Hälfte war nun einmal weniger skrupulös, die Vollmacht des Papstes zu dieser Einfügung ist unbestreitbar, der hl. Joseph ist aller Ehren wert, und heute an dieser Stelle auf eine Rückkehr zum früheren Gebrauch zu dringen, wäre sicher verfehlt.

Wer die beschriebenen Schritte gewissenhaft ausführt, verfügt danach unabhängig vom Druckdatum über ein Missale von 1962 im Sinne der päpstlichen Gesetzgebung – und ganz in der Tradition der Kirche. Da der Papst angekündigt hat, daß die zuständigen Stellen sich auch mit der Erarbeitung neuer Messformulare für die seit 1962 kanonisierten „neuen Heiligen“ befassen werden, wird die Arbeit mit Schere und Klebstoff auch künftig weitergehen,

Vielleicht druckt eines Tages auch wieder ein deutscher Verlag Messbücher nach der mit Summorum Pontificum erneuerten Vorgabe des Konzils von Trient - da gibt es eine glanzvolle Tradition. In den USA hat die Petrusbruderschaft bereits vor einigen Jahren einen Nachdruck des Missales von Johannes XXIII. herausgebracht, den man auch in Deutschland beziehen kann.


Wir sind gefragt worden: Sollte man besser den Nachdruck kaufen, oder besser aktualisieren? Darauf gibt es keine eindeutige Anwort. Eines ist klar: Auf den Altar gehören nur würdige Messbücher, und der Vorschlag zur Aktualisierung ist jedenfalls keine Sparmaßnahme. Ginge es nur um den finanziellen Aspekt, wäre es unter Umständen rentabel, ein vorhandenes vor-62er Missale zu verkaufen, um aus dem Erlös nicht nur den Nachdruck zu erwerben, sondern weitere Anschaffungen zu finanzieren.
Man kann aber auch der Meinung sein, daß Messbücher nicht auf den Markt gehören, sondern - würdiger Zustand vorausgesetzt - auf den Altar. Es ist doch ein schönes materielles Zeichen für die Einheit der Kirche über die Zeiten hinweg, zunächst einmal mit der Aktualiserung da weiterzumachen, wo vielleicht ein Amtsvorgänger 1965 entnervt aufgegeben hat, und dann die hl. Messe aus einem Buch zu lesen bzw. zu singen, dessen Druck näher an der Zeit des Konzils von Trient als an heute liegt.
Dabei versteht es sich von selbst, daß man solche Aktualisierungen vorzugsweise an Büchern vornehmen sollte, die wirklich einmal gelebt haben und im Gebrauch mitgewachsen sind. Für ein Missale aus dem 16. oder 17. Jahrhundert, das tatsächlich unverändert auf die Gegenwart gekommen sein sollte, würden andere Gesichtspunkte gelten. Auf keinen Fall sollte man darangehen, ein gewachsenes Misale zu säubern, beispielsweise die oft anzutreffenden (und zugegebenermaßen hässlichen) hektographierten Seiten zu entfernen und so einen leblosen Urzustand wieder herzustellen.


Das hier gezeigte "Römisch-Mainzische Missale" aus dem Jahr 1742 trägt auf dem Titelblatt nach dem vorgeschriebenen Bezug auf das Konzil von Trient, Papst Pius V. und seine Nachfolger die Titulatur des "Erhabenen und höchsten Fürsten und Herrn Doctor Philipp Karl, des Heiligen Stuhles zu Mainz Erbischof sowie des Heiligen Römischen Reiches Erzkanzler und Kurfürst von Mainz."

Philipp Karl von Eltz-Kempenich war - im Gegensatz zu vielen seiner Vorgänger - entsprechend den Vorgaben des Konzils von Trient gut ausgebildeter Theologe. Er hatte im Collegium Germanicum et Hungaricum in Rom studiert und widmete sich auch als Erzbischof hauptsächlich seinen geistlichen Obliegenheiten. Den politischen Anforderungen, die seine Stellung mit sich brachte, kam er nur widerstrebend nach.

Die Mainzer Herrlichkeit ist lange vergangen und dahin - aber dieses Messbuch von Erzbischof Philipp Karl, der übrigens ein Jahr nach der Drucklegung im Alter von 78 verstorben ist, wird demnächst nach den angebrachten Renovierungs- und Aktualisierungsarbeiten wieder im Gottesdienst verwandt werden.