Motu Proprio: Summorum Pontificum

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Zusatzinfo

Deutschland – ein Jahr danach

Monika Rheinschmitt von „Pro Missa Tridentina“:
Die Früchte des Motu proprio „Summorum Pontificum“.

18. 9. 2008

Monika Rheinschmitt

Am 14. September 2008 war das Motu proprio Summorum Pontificum, das Papst Benedikt am 7. Juli 2007 veröffentlicht hatte, genau ein Jahr in Kraft.

Wie wurde dieses Motu proprio im deutschen Sprachraum umgesetzt? Wie hat sich die Situation bzgl. der Meßfeiern nach den 1962 in Gebrauch befindlichen Büchern entwickelt? Welche Schwierigkeiten gab und gibt es?

Der Heilige Vater sagte am Fest Kreuzerhöhung, dem 14. September 2008, in Lourdes [Hervorhebungen durch PMT] - und seine Worte gelten sicher nicht nur für Frankreich:

Zitat:Der liturgische Gottesdienst ist der höchste Ausdruck des priesterlichen und bischöflichen Lebens wie auch der katechetischen Unterweisung. Eure Aufgabe der Heiligung der Gläubigen, liebe Brüder, ist unerläßlich für das Wachstum der Kirche. Im Motu Proprio Summorum Pontificum wurde ich dazu geführt, die Bedingungen für die Ausübung dieser Aufgabe zu präzisieren im Hinblick auf die Möglichkeit der Benutzung sowohl des Meßbuchs des seligen Johannes XXIII. (1962) als auch des Meßbuchs Papst Pauls VI. (1970). Einige Früchte dieser neuen Anordnungen haben sich schon gezeigt, und ich hoffe, daß die unerläßliche Beruhigung der Gemüter Gott sei Dank voranschreitet. Ich kann die Schwierigkeiten ermessen, denen Ihr begegnet, aber ich zweifle nicht daran, daß Ihr in absehbarer Zeit zu für alle befriedigenden Lösungen gelangen könnt, damit das nahtlose Gewand Christi nicht weiter zerrissen wird.“

In dieser Passage der Ansprache von Papst Benedikt XVI. sind mehrere Aussagen enthalten:

  1. Die Feier der heiligen Messe im traditionellen Ritus begünstigt die Heiligung der Gläubigen. Die Bischöfe und Priester haben die Aufgabe, Möglichkeiten für die Ausübung dieses Ritus' zu schaffen.
  2. Das neue Motu proprio hat an einigen Orten bereits positive Entwicklungen bewirkt.
  3. Die Bischöfe sollen die Umsetzung des Motu proprio fördern und zu einem friedlichen Miteinander der beiden Formen des römischen Ritus beitragen.

Das heißt, Papst Benedikt XVI. betont noch einmal die Wichtigkeit der Zelebration von heiligen Messen sowohl im alten als auch im neuen Ritus. Er weiß, daß innerhalb eines Jahres ein Anfang gemacht wurde, daß aber (evtl. noch viele) weitere Jahre folgen müssen. Der Heilige Vater traut den Bischöfen die Behebung von Schwierigkeiten in diesem Bereich zu – nimmt sie aber auch in die Pflicht, eine befriedigende Lösung zu finden und umzusetzen.

Auch im deutschen Sprachraum findet ein Aufbruch statt, den das Motu proprio Summorum Pontificum ermöglicht hat, der aber noch lange nicht abgeschlossen ist, wie man u.a. an der Entwicklung der Meßort-Zahlen sehen kann:

Statistik von Pro Missa Tridentina

  • in Deutschland: von 35 am 7.7.2007 auf 123 am 15.8.2008, das ist eine Steigerung auf das 3,5-Fache.
  • in Österreich: von 12 auf 22, das ist fast verdoppelt;
  • in der Schweiz: von 22 auf 28, das ist eine Steigerung um ca. 30 Prozent.

Die Anzahl der Meßfeiern im klassischen römischen Ritus in Deutschland hat nicht so stark zugenommen wie die Anzahl der Meßorte: von monatlich 446 am 7.7.2007 auf monatlich 823 am 15.8.2008, d.h. die durchschnittliche Anzahl von Meßfeiern pro Meßort hat sich von ca. 13 im Juli 2007 auf ca. 6,5 im August 2008 etwa halbiert, weil die "Meßfeierdichte" an neuentstandenen Meßorten meist recht gering ist.

Da die Anzahl von heiligen Messen, die an einem konkreten Ort gefeiert werden, in der Regel im Lauf der Zeit ansteigt, so z.B. in Fulda von zweimal im Monat freitagabends (7.7.2007) auf jede Woche sonntagmorgens (seit 7.9.2008), bedeutet dies, daß die neu hinzugekommenen Meßorte noch ein großes Potential zur Weiterentwicklung besitzen.

Diese Weiterentwicklung ist aber auch notwendig, um „zu für alle befriedigenden Lösungen zu gelangen“", denn für die geistliche Beheimatung in einem Ritus ist es unumgänglich, neben heiligen Messen an Werktagen auch sonntags "der Göttlichen Majestät einen würdigen Kult darzubringen" (MP SP 7.7.207). Damit auch Familien gemeinsam teilnehmen können, sollten diese heiligen Messen am Sonntagvormittag in einer gut erreichbaren, für den klassischen römischen Ritus geeigneten Kirche möglichst als gesungene (Hoch-)Ämter zelebriert werden. Ziel ist es, dies allen Katholiken zugänglich zu machen, d.h. in jeder größeren Stadt in einer zentralen Kirche solche Meßfeiern zu ermöglichen.

Dazu gehören nicht nur ein Kirchenraum, sondern auch Priester, Ministranten und eine Choral-schola, die ihre Aufgaben gemäß den Rubriken erfüllen. Da diese Fähigkeiten nach einer fast 40-jährigen Unterbrechung weder bei den Älteren (die den traditionellen Ritus noch aus ihrer Jugend kennen) noch bei den Jüngeren (die ihn noch gar nie erlebt haben) vorausgesetzt werden können, fanden in den vergangenen 12 Monaten insgesamt 10 liturgische Schulungen statt, die von der "Laienvereinigung für den klassischen römischen Ritus" bzw. von der "Priesterbruderschaft St. Petrus" organisiert wurden. Doch der Bedarf wäre bei weitem größer. Leider finden nicht alle für eine Meßfeier im klassischen römischen Ritus Engagieren Zeit für einen drei- bis fünftägigen Kurs sowie für Übungen zu Hause, um das Gelernte zu vertiefen; andere wiederum befürchten übles Gerede und andere Nachteile, wenn sie an einer liturgischen Schulung teilnehmen und sich anschließend für solche Meßfeiern zur Verfügung stellen.

Dadurch wird an manchen Orten die heilige Messe im klassischen römischen Ritus zwar mit viel gutem Willen, aber nicht so schön und feierlich zelebriert, wie dies angemessen wäre.

In seiner Ansprache an die Bischöfe sagte Papst Benedkit XVI in Lourdes:

Zitat:Hört nicht auf, mit dem heiligen Pfarrer von Ars, einem Sohn Eures Landes und Patron aller Pfarrer der ganzen Welt, zu wiederholen, daß ein Mensch nichts Größeres tun kann, als den Gläubigen den Leib und das Blut Jesu zu reichen und die Sünden zu vergeben.“

Welcher Aufwand an Proben und Vorbereitungen wird für ein Theaterstück getrieben, für die Produktion einer Fernsehshow, für den Empfang eines Staatsoberhaupts! Wie genau wird Regie geführt, das Protokoll eingehalten!

In jeder heiligen Messe geschieht etwas viel Gewaltigeres als im Theater, in einer Fernsehshow oder bei einem Staatsbesuch: Der Sohn Gottes, eines Wesens mit dem Allmächtigen Vater, wird auf dem Altar präsent und schenkt sich den Gläubigen in der heiligen Kommunion. Darum sollten Priester wie Laien alles in ihrer Macht Stehende tun, diese Feier so schön und würdig zu gestalten, wie es nur irgend möglich ist. (Dazu gehören der geeignete Raum, die Gewänder, die Musik, Weihrauch, Blumen, selbstverständlich auch die jahrhundertelang gewachsene und bewährte Form der Gebete.) Das Bewußtsein des ungeheuerlichen Geschehens in der heiligen Messe ist vielerorts verlorengegangen: Oft stehen die Menschen, die Gemeinschaft unter den Gläubigen und die persönliche Profilierung von Priestern oder Laienvertretern im Vordergrund. Dann ist es auch nicht so wichtig, eine bestimmte Form einzuhalten. Das Tremendum, das ehrfurchtgebietende Geheimnis, wieder erahnbar zu machen, die göttliche Majestät wieder in den Mittelpunkt zu stellen, ist ein Ziel des Motu proprio Summorum Pontificum

Wie werden diese Ziele in Deutschland und seinen Nachbarländern umgesetzt? Luc Perrin, Professor für Kirchengeschichte an der Universität Straßburg, sagte in einem Interview Ende Juli 2008 (zitiert nach einer Übersetzung von www.summorum-pontificum.de):

Zitat:[Die französischen Bischöfe betreiben] eine 'Eindämmungspolitik'. Ziel dieser Politik ist es, im Gegensatz zu Summorum Pontificum eine Praxis wie in den Jahren 1984 (Quattuor Abhinc Annos) bis 1988 (Ecclesia Dei Afflicta) aufrecht zu erhalten: Die Bischöfe wollen sich über die Rechte, die der Papst den Pfarrern und Gemeindepriestern gewährt hat, hinwegsetzen und es sich vorbehalten, die Feier der außerordentlichen Form zu erlauben oder zu verbieten. Nur eine Minderheit der französischen Bischöfe ist wirklich offen für eine bereitwillige Umsetzung des Motu Proprio." Kommentar von summorum-pontificum.de:

"Das entspricht ziemlich exakt der deutschen Situation. Die "Indulte" von 1984 und 1988, die die Entscheidung über den Gebrauch des alten Ritus in die Hände der Bischöfe legte und diese zur Großzügigkeit aufforderten, wurden von den meisten deutschen Bischöfen rundweg ignoriert. Nachdem der Papst nun mit Summorum Pontificum den Bischöfen diese Entscheidungsgewalt genommen hat, versuchen sie, wenigstens den Status der Jahre 1984 - 2007 für sich zu retten - wie so oft geht es nicht um Theologie oder das Heil der Seelen, sondern um Macht."

In einer Analyse fragt der Vatikan-Journalist Armin Schwibach (vgl. http://summorum-pontificum.de/meinung/schwibach.shtml): :

Zitat:Warum fürchten sich so viele Bischöfe vor der alten Messe?

Um so mehr bleibt nach wie vor die teilweise vehemente negative Reaktion vieler Bischöfe unverständlich. Es entsteht der Eindruck, der Zuschauer einer Mystifikation zu sein, die nur verwundern läßt. Jahrzehnte lang wurde jeder auch noch so extremen Form von Mißbräuchen der Liturgie schweigend stattgegeben... Das "Meßopfer" wurde zu einer "Gemeindefeier des Mahles", die Sakralität des Geschehens, die Sakralität des wirklich und wahrhaft gegenwärtigen Christus geriet ins Hintertreffen. Es wurde immer mehr vergessen, daß Eucharistie kein Mahl unter Freunden ist … Das Göttliche wurde auf die menschliche Dimension herunterdekliniert. Statt gemeinsam mit dem Priester, der das Gottesvolk anführt, auf den Herrn hinzuschreiten und betend dem Licht der Sonne, die Christus ist, entgegenzublicken, schaut sich nun eine um den Mahltisch versammelte Gemeinde an ... Absurderweise kam es dazu, daß der Klerikalismus nie so groß war wie nun, da der "Protagonist" nicht mehr der ist, der der Prozession der Gläubigen vorsteht, sondern der Priester, der seine Veranstaltung leitet. Das "sacrum" verschwindet hinter den Worten, die zudem aus dem Munde jener kommen, deren theologische Studien zu einem sekundären Nebenwert geworden sind… Wovor also macht der "alte Ritus" Angst? Daß der Christ sich bewußt wird, daß er gegenüber dem unerfaßbaren Ereignis des Altares in Schweigen zu versinken hat? Daß er sich des inneren Widerspruches bewußt wird, wenn er mit bloßen Händen den Leib Christi nimmt (während er einen inneren Ruck verspürt, wenn ihm einer sein Auto oder sein von einem Popstar unterschriebenes T-Shirt anrühren sollte)?

Liturgie ist Teilhabe an der Begegnung Christi mit dem Vater in der Gemeinschaft seiner Kirche. So zeigt der Papst der Welt, daß er, wenn er Liturgie feiert, Christus als Gewand anlegt, denn: „In der Tat, die Eucharistie ist das ‚Geheimnis des Glaubens' schlechthin: Sie ist ‚der Inbegriff und die Summe unseres Glaubens'. Der Glaube der Kirche ist im wesentlichen ein eucharistischer Glaube und erhält seine Nahrung in besonderer Weise beim Mahl der Eucharistie. Glaube und Sakramente sind zwei sich gegenseitig ergänzende Aspekte des kirchlichen Lebens. Durch die Verkündigung des Wortes Gottes erweckt, nährt sich der Glaube und wächst in der gnadenreichen Begegnung mit dem auferstandenen Herrn, die sich in den Sakramenten verwirklicht: ‚Der Glaube drückt sich im Ritus aus, und der Ritus stärkt und festigt den Glauben.'“ (Sacramentum caritatis Nr. 6)"

Das Motu Proprio "Summorum Pontificum" bietet die seltene Gelegenheit, dieses Prinzip der "Lex orandi, lex credendi" wieder stärker in die Praxis umzusetzen: Nach fast 40-jähriger quasi-Unterbrechung kann jetzt ein Neubeginn stattfinden, der sich bemüht, Fehlentwicklungen aus den 50er und 60er Jahren des vergangenen Jahrhunderts zu vermeiden. Viele ältere Katholiken, die den traditionellen Ritus aus ihrer Jugend kennen, aber noch mehr junge Gläubige sind bereit, sich auf die Begegnung mit der göttlichen Majestät in dieser altehrwürdigen Liturgie einzulassen und so ihren Glauben zu vertiefen. Äußerst wichtig hierfür ist, daß an ausreichend vielen Orten Gelegenheit dazu besteht.

Alle der römischen Tradition nahestehenden Katholiken, Priester wie Laien, sollten diesen Kairos, diesen von Gott gegebenen günstigen Zeitpunkt als eine besondere Chance und Gelegenheit nut-zen, die Aufgabe zu erfüllen, von der Papst Benedikt XVI. in Lourdes sprach: Die Heiligung der Gläubigen durch den feierlichen liturgischen Gottesdienst, in dem die Kirche Christi der Göttlichen Majestät einen würdigen Kult darbringt, "zum Lob und Ruhm Seines Namens" und "zum Segen für Seine ganze heilige Kirche". (vgl. Papst Benedikt XVI. Beginn des Motu proprio "Summorum Pontificum" vom 7.7.2007)