Motu Proprio: Summorum Pontificum

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Zusatzinfo

Englischsprachige Länder: Neue Übersetzung des Missale

Aktiengesellschaften, CocaCola und die Liturgiereform

4. 9. 2010

Fr. George Rutler

In den englischsprachigen Ländern gibt es derzeit heftige Kämpfe um die neue Übersetzung des Missales, die Rom in diesem Sommer approbiert hat. Die bisherige Fassung, die mit der Liturgiereform eingeführt worden war, ist in betont legerer Sprache gehalten, noch deutlich umgangssprachlicher als die deutsche Version – die neue Fassung geht wieder in Richtung Sakralsprache, nicht ganz wie der Schott, aber doch in diese Richtung.

Die Progressiven, die seinerzeit die (damals) neue Fassung nicht schnell genug einführen konnten, schreien nun Zeter- und Mordio. Über ein Jahrzehnt lang haben sie die Approbierung der revidierten Übersetzung verhindert, jetzt kündigen sie an, es werde wohl viele Jahre der pastoralen Vorbereitung und Begleitung brauchen, bis die neue Version in den Gemeinden eingeführt werden könne – wenn überhaupt.

Fr. George Rutler, einer der profiliertesten Sprecher der „Reform-der-Reform“-Bewegung, hat in der Zeitschrift First Things Stellung zu dieser Auseinandersetzung bezogen und dabei auch die gesamte Liturgiereform Pauls VI. sehr kritisch beleuchtet. Hier unsere mit minimalen Verstndnishilfen (in Klammern) angereicherte Übersetzung:

Fr. George Rutler bei der Predigt

Die Lawine von gelehrten Kommentaren, die die soeben vom Vatikan approbierte neue Übersetzung für die reguläre Form der hl. Messer provoziert hat, läßt mich als einen Priester, der seine gesamte Tätigkeit im Pfarrdienst verbracht hat, nur noch an den Kopf greifen. Ich bin kein Liturgiewissenschaftler, und aus der Perspektive eines Pfarrers, der den Gottesdienst weitaus weniger studiert als praktiziert hat, laufe ich wie wohl viele meiner Art Gefahr, Liturgiewissenschaftler – unfairer weise – als eine Art kirchliches Gegenstück zu Schmetterlingssammlern anzusehen.

Ein Pfarrer ist viel zu sehr damit beschäftigt, Menschen im Gottesdienst zu begleiten, um an Seminaren darüber teilzunehmen, wie man Menschen im Gottesdienst begleitet, und seine Verpflichtungen im Beichtstuhl halten ihn davon ab, Seminare über das Beichthören zu besuchen. Aber ich weiß: Wenn ich den Ratschlägen einer bestimmten Liturgiekommission folgen wollte, die vorschlägt, man solle jeden Beichtwilligen mit dem aufgeschlagenen Evangeliar an der Kirchentür begrüßen und dann in einer Prozession zu einem Beichtzimmer zu führen, das eher wie eine Gelegenheit zur Sünde aussieht als ein Platz zu ihrer Vergebung – dann würde die Zahl meiner Beichten in der Mitte der Millionenstadt (NY), in der ich Dienst tue, drastisch absinken.

Aktiengesellschaften fühlen sich ihren Aktionären mehr verpflichtet als mit Steuern unterhaltene Bürokratien der Öffentlichkeit – das mag erklären, daß Ford seinerzeit nur zwei Jahre brauchte, um das (Pleitemodell) „Edsel“aufzugeben, und es auch bei Coca Cola nicht wesentlich länger dauerte, seine Marke „Classic“ wiederherzustellen. Die katholische Kirche hat demgegenüber eine Dürrezeit von mehr als einer Generation gebraucht, um auch nur zu versuchen, die Fehler überhitzter Liturgiewissenschaftler zurecht zu rücken. Statt in den strahlenden Aufgang des Age of Aquarius geht es jetzt freilich in Richtung Abenddämmerung und Altersheim, und von den cleveren jungen Leuten, die nun überall mit neuen Weisheiten von Fortescue und Ratzinger geradezu aus dem Boden sprießen, weiß man noch nicht so genau, ob sie zu den Klageweibern einer verlorenen Kultur werden – oder den Vorboten eines neuen Goldenen Zeitalters.

Für einen Pfarrer jedenfalls ist eines klar: Die einzigen die noch die alten Schlachten kämpfen, sind selbst alt geworden, ihre Filzbanner sind ausgefranst und die Saiten ihrer Gitarren sind gerissen. Demgegenüber stehen junge Bataillone auf, die sich nicht mit kämpferischer Ablehnung der längst dahingegangene Jugendzeit ihrer Elterngeneration aufhalten, sondern darauf brennen, sich in die geistige Schlacht gegen die Kultur des Todes zu stürzen. Meistens sind sie zwar unwissend, aber doch helle – denn Unwissenheit bedeutet nicht Dummheit.

Es ist ihnen ziemlich egal, ob die Liturgie auf Englisch, Latein oder Sanskrit gefeiert wird – solange man ihnen sagt, wie man sie feiern soll – denn genau das hat man ihnen vorenthalten. Einige Kritiker der neuen Übersetzung haben gewarnt, daß die Veränderungen zu radikal wären – das ist blanker Zynismus aus dem Munde von Leuten, die in den 60er Jahren in ihrer vorstädtischen Version der chinesischen Kulturrevolution altehrwürdige Wahrheiten quasi über Nacht abwrackten.

Unser Herr hat uns hinreichend vor den Experten seiner Zeit gewarnt, die lange Quasten hochschätzten und beim Gold des Tempels schworen statt beim Tempel selbst. Das sollte uns davor bewahren, zuviel lebensrettende Wirkung von Ritualen und Texten zu erwarten. Die Vernachlässigung der Ästhetik des Gottesdienstes wird nicht durch den Gottesdienst der Ästhetik geheilt. Als Pfarrer wird man gelegentlich eine Überreaktion auf den Zerfall der Liturgie erleben, die das Ritual zum Theater macht und Audrey Beardsley an die Stelle von Andrej Rubljew treten läßt. Jede religiöse Gruppierung, die zuviel Wert auf äußere Formen legt, sät in sich den Samen der Dekadenz.

Die Liturgie sollte singbar sein, ehrfürchtig und Ausdruck unserer höchsten Kultur – aber nicht Zweck in sich selbst. Ars est celare artem. Im Gleichklang mit Ovid, für den die Kunst darin bestand, das künstliche zu überdecken, befand Evelyn Waugh, daß Anthony Eden kein Gentleman war, da er zu gut angezogen sei. Es ist kennzeichnend für einige schismatische Grüppchen, daß sie umso mehr Wert auf rituelle Äußerlichkeiten legen, je häretischer sie werden. Da kann man dann schon einer Frau begegnen, die behauptet, Bischof zu sein – und sich ausstaffiert hat wie Pius X. zu seinem Jubiläum.

Ein Wesensmerkmal des lateinischen Ritus ist seine männliche Genauigkeit, ja sogar Kargheit. Man vergleiche das mit der ausufernden Sprache der „alternativen Eröffnungsgebete“ der Originalfassungen der ICEL (Internationale Kommission für die Englisch in der Liturgie) deren Poesie sich anhört wie Teilhard (de Chardin) unter Drogen.

Sie waren weitaus wortreicher als ihre lateinischen Gegenstücke oder deren englische Übersetzungen und machten den Eindruck, von labilen Persönlichkeiten verfaßt zu sein, die eine unglückliche Jugend gehabt hatten. Die dem entsprechenden „Gebete der Gläubigen“ handelten vorzugsweise Themen ab, die sich meistens einer undisziplinierten Besorgnis für Umweltverschmutzung oder Dritte-Welt-Verschuldung verdankten.

Ich denke, in der Liturgie sollte es nur wenige Optionen geben und keinen Raum für „Kreativität“ - das ist die spezielle Begabung Gottes. Wie das zweite Vatikanum in „Sacrosanctum Concilium“ gelehrt hat: „Es darf keine Neuerungen geben, außer das Wohl der Kirche erfordere sie wahrhaftig und mit Sicherheit, und es ist darauf zu achten, daß alles, was neu eingeführt wird, auf organische Weise aus bereits bestehendem hervorgeht.“

Unglücklicherweise haben wir noch keine Lösung für die einfach schlechten Texte des Lektionars – während die Jerusalem Bible und die Revised Standard zwar (als Bibeln) zugelassen sind, darf im Gottesdienst nur die „Revised New American Bible“ verwandt werden. Die Jerusalem Bible ist gut zum Studium, aber die Übersetzung ist sehr unmusikalisch. Ich bin mit der King James Bibel groß geworden, und es verblüfft mich immer wieder, wenn ich Job 38:17 „Hast Du die Schatten der Türen des Todes gesehen?“ lese als „Sind Dir die Boten des Schattenlandes begegnet?“ Da wird die Unterwelt zum Themenpark.

Aber nichts davon erreicht die Greuel der geschlechtsneutralisierten RNAB, in der jegliche Kreatur geschlechtslos gemacht wird – mit Ausnahme von Satan, der bleibt männlich. Da klingt unser Herr manchmal wie der Prinz von Wales: „Welchen Ertrag hätte man davon, die ganze Welt zu gewinnen“ und manchmal wie ein gelangweilter Anthropologe: „Zwei Personen begaben sich hinauf zum Tempel um zu beten“ - aber dann schlägt das unvermeidliche Pronomen zu, und wir erfahren trotz der liturgischen Kastration, daß es sich bei den beiden um Männer gehandelt hat.

Die Liturgie verändert Leben durch Gnade. Jeder Pfarrer, der das Glück hat, in seiner Pfarrei reichlich Berufungen zu erleben, weiß das sie sich auch von theatralischen Gottesdiensten, aufdringlichen Liturgieausschüssen und wild rudernden Chordirigenten nicht abschrecken lassen. Sie schließen sich einfach dem Chor der Griechen an: “Mein Herr, wir wollen Jesus sehen“. Ich erinnere mich an einen alten Prälaten, der mir sagt, daß er sich schon als Seminarist immer gewünscht hatte, die Messe zum Volk hin zu feiern. Es war eine aufschlußreiche Mitteilung, denn wenn er die Messe feierte, wirkte er immer so, als ob es ihn irritiere, daß der Herr sich zwischen ihn und sein Publikum drängte.

Ich bin sehr dankbar für die neue Übersetzung der hl. Messe. Sie ist zwar immer noch nicht vollkommen, aber doch vollkommener, als wir es in unserer unvollkommenen Welt verdient haben. Dennoch wäre es noch wichtiger, daß die Wendung des Zelebranten “ad Dominum“ zur allgemeinen Regel erhoben würde. Das wäre ein wirkungsvolles Gegenmittel zu der verbreiteten Tendenz des Klerus, sich vor der Gemeinde darzustellen. Wenn ein Zelebrant sich bei der Feier der Messe unterbricht und erklärt: „Hier geht es nicht um mich“ kann man sich ziemlich sicher sein, daß er meint, es könne durchaus um ihn gehen. Jedenfalls käme ihm dieser Verdacht nicht so leicht, wenn er das Volk demütig bei seinem Weg nach Osten und zum Aufschein der Erlösung hin anführen würde.

John Henry Newman war der größte Briefeschreiber englischer Sprache in einem Jahrhundert großer Schreiber, aber er legte keinen Wert darauf, daß seine Mustersprache an die Stelle der sakralen Sprache treten würde. Darüber wird an anderer Stelle und zu anderer Zeit nachzudenken sein. Aber er wußte, was „cupio dissolvi“ bedeutet, und er lehrte, daß ohne solche Selbstverleugnung die Persönlichkeit die Passion zur Pantomime reduzieren müßte. Weil seine Seelengröße seiner einstellung zum Priestertum entsprach, rief er am Altar unentwegt das Heiligste Herz Jesu an, um so „von Herz zu Herz“ mit den Gläubigen zu kommunizieren:

Zitat:In die priesterlichen Gewänder gekleidet, gibt der Zelebrant das, was seine Persönlichkeit ausmacht, völlig auf und repräsentiert nur noch Den, von dem er seinen Auftrag hat. Seine Worte, seine Intonation, seine Handlungen, seine ganze Gegenwart geben jede Persönlichkeit auf, ein Bischof, ein Priester ist wie der andere, sie alle singen die gleichen Melodien und beobachten die gleichen Kniebeugen, wenn Sie den einen Frieden und den einen Segen spenden, das immer ein- und dasselbe Opfer.

Man darf die hl. Messe nicht ohne das Missale vor Augen zelebrieren und in keiner anderen Sprache als in der, in der sie uns aus den frühen Zeiten der Kirche des Westens überliefert worden ist. Erst wenn sie zu Ende ist und der Priester die ihr speziell vorbehaltenen Gewänder wieder ablegt, kommt er wieder zu sich selbst und begegnet uns mit den Fähigkeiten und den Merkmalen, die seiner Person eigen sind.

Er kennt seine Schafe, und sie kennen ihn, und es ist sein Charisma als Lehrer, die Begegnung seines Geistes mit ihrem Geist, die gegenseitige Sympathie, die seine Stärke und seinen Einfluss ausmachen, wenn er zu ihnen spricht. Sie richten ihre Augen auf seine Lippen, und nicht auf die Seiten des Buches (des Missales), das ihm vorbehalten ist."