Motu Proprio: Summorum Pontificum

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Zusatzinfo

„Willkommen gestern!“

Elena Curti berichtet von der Pressekonferenz von Dario Cardinal Hoyos in London am 14. 6. 2008

20. 6. 2008

Dieser Bericht wurde bereits am 19. 6. unter dem Datum vom 21. 6. auf der Website der von der britischen Bischofskonferenz getragenen Wochenzeitung "The Tablet" veröffentlicht. Hier finden Sie das unter dem Titel "Ringing in the old" erschienene Original.
Trotz einiger Doppelungen und Wiederholungen bringen wir - von einer einzigen Kürzung, die bereits mehrfach berichtete äußere Abläufe betrifft, abgesehen - den ganzen Bericht, weil er nicht nur vielsagende Nuancen in der Perspektive sichtbar macht, sondern auch einige Aussagen des Kardinals wiedergibt, die bisher noch nicht berichtet worden sind.
Gegensätze oder Widersprüche werden dadurch nicht aufgetan - die einzelnen Journalisten haben lediglich leicht unterschiedliche Gewichte gesetzt und dabei insbesonders die Ausführungen des Kardinals berücksichtigt, mit denen er auf die von ihnen gestellten Fragen einging.

Zum ersten mal seit vierzig Jahren wurde am vergangenen Wochenende in der Kathedrale von Westminster ein Pontifikalamt im tridentinischen Ritus gefeiert. Der Zelebrant, ein enger Mitstreiter des Papstes und Botschafter für die alte Liturgie, kündigte weitere bevorstehende Veränderungen an.

Stellen Sie sich für einen Augenblick eine von Leben und Zuversicht erfüllte katholische Kirche vor, sonntags alle Bänke voll mit Gläubigen jeden Alters und eifrig dabei, eine besondere Liturgie zu feiern, die einen Sinn von Ehrfurcht und dem Geheimnis von Christi Erlösungsopfer vermittelt.

Das ist die Vision der Kirche, wie sie letzte Woche eines der höchsten Mitglieder der Kurie, Dario Cardinal Castrillón Hoyos, vermittelt hat. Und das Mittel, diese Vorstellung zu erreichen, ist nach seiner Meinung die Wiederbelebung der tridentinischen Liturgie.

Hier tritt um ersten Mal ein Stilmittel auf, das die Autorin durchgängig einsetzt: Sie spricht betont von der „Meinung des Kardinals“, wo dieser selbst immer wieder darauf hinweist, den Willen des Papstes mitzuteilen.

Im Letzten Juli hat Papst Benedikt einen Erlass, ein Motu Proprio herausgegeben, das die wesentlich erweiterete Feier dieses Ritus ermöglichte, wo eine „stabile Gruppe“ das von ihrem Pferrer erbittet. Er bezeichnete die Tridentinische Messe als die „außerordentliche Form“ und die Neue als die „ordentliche Form“ des einen römischen Ritus. Aber Cardinal Castrillón, der dem Papst nahe steht, ist nun wesentlich weiter gegangen und spricht sich dafür aus, daraus eine wesentlich häufigere liturgische Erfahrung zu machen.

(...) Vor dem Hochamt gab der Kardinal auf Veranlassung der Latin Mass Society in einem Hotel in Westminster vier Journalisten ein Gruppeninterview. In dessen Verlauf verdeutlichte er seine Vorstellungen und erklärte, daß er darauf hoffe, daß letztlich die Katholiken in jeder Pfarrei von England und Wales die Gelegenheit hätten, an einer Sonntagsmesse im Tridentinischen Ritus teilzunehmen.

Diejenigen, die mit der vorkonziliaren Messe nicht vertraut seien, würden in Katechesen die Gelegenheit erhalten, diese Liturgie verstehen und schätzen zu lernen. Männer, die sich auf das Priestertum vorbereiten, sollen nicht nur Latein lernen, sondern auch die komplizierten Gesten und Riten, die sie benötigen, um der erwarteten Nachfrage für die alte Messe gerecht zu werden. Für den Augenblick seien die Bischöfe dazu aufgefordert, Möglichkeiten zur Teilnahme an der Messe im alten Ritus zu schaffen, soweit entsprechend ausgebildete Priester zur Verfügung stehen.

Nachdem 1970 im Gefolge des Konzils das Missale Pauls VI. eingeführt worden war, war die Zelebration des tridentinischen Ritus weitgehend unterbunden worden. Von da an sollte die Messe in einem neuen Ritus gefeiert werden, bei dem der Priester der Gemeinde zugewandt war. Der neue Ritus führte auch zur weit verbreiteten Einführung von Laien-Lektoren und Außerordentlichen Spendern der Kommunion. Erstmalig wurden Frauen in den Altarraum zugelassen, um diese neuen Rollen zu übernehmen, und Mädchen durften als Messdiener auftreten. Die größte Veränderung der neuen Messe bestand jedoch darin, daß sie auf Latein gefeiert wurde, obwohl Latein weiterhin erlaubt blieb.

Hier also das übliche nachkonziliare Durcheinander. Der „neue Ritus“ hat nicht bestimmt, die Messe ad populum zu feiern - das war eine Mode. Der „neue Ritus“ hat auch keine Messdienerinnen eingeführt - allerdings führte er dazu, daß diese mißbräuchlich eingesetzt und schließelich als Indult legalisiert wurden. Und nicht das Latein blieb auch „weiterhinerlaubt“, sondern die Umgangssprache wurde zugestanden, während Latein die Norm bleiben sollte.

In all diesen Jahren fuhren kleine Gruppen von Traditionalisten darin fort, die alte Messe zu feiern, darin erfuhren sie in den letzten Jahren Papst Johannes Pauls II. Eine gewisse Ermutigung. Aber erst unter Papst Benedikt ist die alte Messe durch das Motu Proprio wieder in den Vordergrund gerückt. Traditionalisten haben sich bitter beschwert, daß einige Bischöfe in England und Wales sich bei der Umsetzung des Motu Proprio wenig entgegenkommend gezeicgt hätten, aber Kardinal Castrillón erklärte, daß die Bischöfe sich angesichts der Zeit, die zur Bewältigung des Wandels notwendig wäre, korrekt verhalten hätten.

Kardinal Castrillón, der 79 Jahre alt ist, hat ein ganzes Leben als Kurienkardinal verbracht. Er war früher Präfekt der Kleruskongregation und ist gegenwärtig mit den Verhandlungen betraut, die die ultra-traditionalistische Piusbruderschaft mit ihren vier exkommunizierten Bischöfen wieder in die katholische Herde zurückbringen sollen. Der Kardinal gab sich große Mühe, zu erklären, warum er die Wiederbelebung des alten Ritus – den er als „gregorianischen Ritus“ bezeichnete – für so wichtig hält. Denen, die in seiner Wiedereinführung eine beklagenswerte Verletzung der Lehren des zweiten Vatikanischen Konzils sehen, erteilte er eine klare Abfuhr: Das zeuge von „völliger Unkenntnis“. Papst Benedikt, so fügte er hinzu, sei ein Theologe mit tiefem Verständnis für Vatikan II und gehe in vollständiger Übereinstimmung mit der Vorgabe des Konzils vor, daß unterschiedliche Weisen des Gottesdienstes angeboten werden sollten. Entsprechend bezeichnete er Beschwerden, daß der Priester im alten Ritus der Gemeinde seinen Rücken zuwende, als „lächerlich“. Der Priester verkörpere die Person Christi und indem er sich nach Osten, also Gott, zuwende, vergegenwärtige er das Opfer, das der Sohn dem Vater darbringe.

Die Angaben zur Tätigkeit des Kardinals an der Kurie sind völlig unzutreffend. Kardinal Castrillón war lange Jahre Diözesanbischof auf schwierigsten Positionen in Kolumbien, bevor er 1996 im Alter von 67 Jahren nach Rom berufen wurde.

Auf die Frage, ob er damit rechne, daß der Tridentinische Ritus in „vielen“ Pfarreien von England und Wales angeboten werde, antwortete der Kardinal, er wolle, daß „alle“ Pfarreien dieses Schatz erfahren könnten. Er enthüllte, daß der Vatikan gegenwärtig alle Priesterseminare anschreibt und auffordert, sicherzustellen, daß sie Latein nicht nur für den Gebrauch in der Liturgie lernen, sondern auch um sie zu Studien in Theologie und Philosophie (in dieser Sprache) zu befähigen.

Doch was hinsichtlich der Verwirrung, die viele Katholiken verspüren, die den Übergang vom tridentinischen zum neuen Ritus 1970 begrüßt hatten und darin einen wirklichen Fortschritt sehen? Ich warf ein, daß für manche diese neue Betonung des alten Ritus als Rückschritt erscheinen könne.

„Fortschritt ist wichtig, aber was bedeutet das?“ antwortete der Kardinal. Heute bedeutet „Fortschritt“ für mich die Entdeckung der Kontemplation – das bedeutet Fortschritt. Ein Mensch, der Keine Zeit für Stille hat, ist ein armer Mensch. Auch ein Mensch, der keine Zeit zur Kontemplation hat, ist arm. Die Hl. Messe ist ein Opfer. Wir müssen auf Golgotha schauen, auf den Kalvarienberg, auf das Kreuz Christi. Wenn wir mit Christus opfern, fühlen wir die Vergebung der Sünden und unsere Erlösung, dann sind wir glücklich, und wenn wir die Auferstehung Christi feiern, dann versammeln wir uns zu froher Feier, aber erst kommt das Opfer – und dann erst der gemeinschaftliche Aspekt des Mahles.

Kann man das nicht alles auch im neuen Ritus zum Ausdruck bringen?

„Ja“ antwortete der Kardinal, „aber die Erfahrungen dieser 40 Jahre waren nicht immer so gut. Viele Menschen haben den Sinn für die Verehrung Gottes verloren. Es stimmt schon, wir sind Brüder, aber wir sind nicht als Brüder erlöst worden. Wir sind durch das Opfer erlöst worden. Wir müssen uns dem Geheimnis stellen. Wir singen, weil wir Brüder, sind wir singen, wenn wir feiern – aber wir schweigen angesichts des Geheimnisses. Der neue Ritus kann das zum Ausdruck bringen, aber es hat überall in der Kirche so viele Mißbräuche gegeben, daß viele Menschen sie verlassen haben. Viele Kinder wissen nicht, wie man sich in der Gegenwart Gottes verhält und wie man beten soll.

Das sind ganz bemerkenswerte Ausführungen, die eine tiefgehende pastorale Kritik am neuen Ritus andeuten, und die in den anderen Berichten nicht berücksichtigt wurden - vielleicht weil sie direkt als Antwort auf Frau Curti gegeben wurden.

Gegenüber einem konservativen Journalisten, der sich bitter darüber beschwerte, daß einige Bischöfe die Genehmigung zur Feier der alten Messe in ihren Diözesen verweigerten, sagte der Kardinal, daß es sich dabei nur um wenige Fälle handele und daß er die Eucharistie nicht zu einem Gegenstand der Auseinandersetzung zwischen Priestern, Laien, Bischöfen und dem hl. Stuhl machen wolle. Er stellte fest, der neue Ritus sei eine Antwort auf die neue Äre der weltweiten Kommunikation und räumte ein, daß er auch seine Reichtümer enthalte. Der Papst habe entschieden, daß es nun an der Zeit sei, dem neuen Ritus den alten wieder zur Seite zu stellen.

Diese nicht sehr klaren Ausführungen erscheinen von dem Bestreben geprägt, nicht nur Kritisches zum Neuen Ritus und dessen kompromissloser Verteidigung durch die Bischöfe zu sagen.

Aber was waren das für Mißbräuche, die sich in den neuen Ritus eingeschlichen hatten – die Antwort darauf war überraschend.

Der Kardinal erklärte, er habe Briefe bekommen, die sich darüber beschwerten, daß Priester die Messe als Clowns verkleidet gefeiert hätten.“Der Pfarrer mit geschminkten Lippen, mit Perücke und Backenbart“ sagte er und zeigte auf seine Schläfen, „eine Travestie“. Andere Beispiele waren das eines Priesters, der angeblich in einem Minirock zelebriert hätte, oder ein anderes, daß ein Priester seinen „protestantischen Bruder“ zur Feier der Eucharistie eingeladen habe. Wieder ein anderer hatte vor der Messe seine Frau und seine Söhne vorgestellt.

Auch hier kan man sich „diplomatische“ Motive vorstellen, die den Kardinal dazu bewogen, solche eher seltenen Erscheinungen anzusprechen und nicht die nachgerade allgegenwärtigen Mißstände, mit denen jeder Besucher eines gewöhnlichen Sonntagsgottesdienstes rechnen muß.

„Es herrscht eine Atmosphäre, die solche Mißbräuche ermöglicht, und diese Atmosphäre muß geändert werden, und nach meiner bescheidenen Ansicht wird die neue Gegenwart des Gregorianischen Ritus uns dabei helfen, die Identität unseres Glaubens ernst zu nehmen und bei allem Respekt für andere Denkweisen doch an unserer Identität als Christen festzuhalten, mit Christus in Kalvaria, mit Christus in Golgotha, mit Christus, der sein Blut zu unserer Erlösung darbietet.“

Damit verabschiedete sich der Kardinal, um in die roten Gewänder zu schlüpfen, die für seine Ansprache vor der Jahreshauptversammlung der Latin Mass Society bereitlagen. Anschließend traf er sich zu einem privaten Gespräch mit Kardinal Cormac Murphy-O'Connor. Nach einer Erklärung, die später vom Büro des Erzbischofs herausgegeben wurde, brachte Kardinal Castrillón gegenüber seinem Kardinalskollegen seine Dankbarkeit dafür zum Ausdruck, daß die Bischöfe von England und Wales so großzügig auf ein Indult von Papst Paul VI, das Traditionalisten die Feier des alten Ritus erlaubt hatte, und auf das Motu Proprio von Papst Benedikt reagiert hätten.

Angesichts der harten Worte, die der Kardinal in seiner Rede vor der LMS zum Ungehorsam von Bischöfen gefunden hat, wäre Frau Curtis gut beraten, solche Arabesken römischer Höflichkeit nicht zum Nennwert zu nehmen. Und wahrscheinlich geht man nicht fehl, dem Kardinal sogar einen gewissen Sinn für Ironie zu unterstellen.