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Die 22. Woche

Bild: Bistum RegensburgIn Rom sind die Chaoswochen ausgebrochen – wilde Gerüchte jagen einander in immer kürzeren Abständen. Die einen sehen schon ein neues Drei-Päpste-Jahr herannahen, andere meinen, Franziskus werde wohl für seinem Rücktritt erst den Tod seines Vorgängers abwarten. Der seinerseits, so wird spekuliert, habe mit seinem Vorwort für das Buch von Kardinal Sarah „eine echte Bombe“ unter dem Stuhl Franziskus‘ gezündet. Daß sein Pontifikat erledigt ist, scheinen viele zu glauben, jede Monat wird ein neuer Nachfolger benannt. Im Februar war Kardinal Tagle dran, danach Kardinal Madariaga, seit dieser Wocher darf auch Staatssekretär Parolin mitbieten. Und als ob das alles nichts wäre, gibt Jesuitengeneral Arturo Sosa als neueste theologische Erkenntnis zum besten, der Teufel sei eine von Menschen erfundene „symbolische Figur“ - der alte Verwirrer möchte sich tot lachen, wenn er nur könnte.

Immer stärkere Statur gewinnt in diesem Chaos der Präfekt der Glaubenskongregation Kardinal Gerhard Ludwig Müller. Nicht als Bewerber für eine noch höhere Position – davon spricht niemand. Aber als einer der wenigen in Rom einflußreich verbliebenen Kardinäle, die unbeirrt an dem festhalten, was immer gegolten hat – und die das auch unter Wahrung der angemessenen Form unmißverständlich zum Ausdruck bringen. Seine Wortmeldungen werden häufiger, und der Ton wird immer deutlicher. Zu Anfang der Woche nahm er ein Interview mit dem amerikanischen Sender EWTN zum Anlaß, klar gegen die Bischofskonferenzen aufzutreten, die Amoris Laetitia – nicht ganz ohne Ursache – als Freibrief für eine Umdeutung der Sakramententheologie im modernistischen Sinne betrachten.

Die Ehe zwischen getauften Personen ist ein Sakrament. Es ist absolut unmöglich, daß der Papst als Nachfolger des Petrus und Stellvertreter Christi für die Weltkirche eine Lehre vertritt, die eindeutig gegen die Wort Jesu Christi ist.“
„Es ist nicht gut, wenn die Bischofskonferenzen offizielle Interpretation des Papstes vornehmen, das ist nicht katholisch. Wir haben dieses Dokument des Papstes und es ist im Kontext der vollständigen katholischen Tradition zu lesen.“

Mit Schärfe wandte er sich gegen den päpstlichen Vordenker und Erfinder der Pastoralmathematik Antonio Spadaro S.J. und stellte fest:

2 + 2 kann nie 5 ergeben“. 

Zum Ende dieser Woche wurden dann weitere höchst bedeutsame Äußerungen des Kardinals veröffentlicht, diesmal zum Thema der Liturgie. Der Tagespost war es gelungen, den Kardinal – der als Präfekt der Glaubenskongregation auch Vorsitzender der päpstlichen Kommission Ecclesia Dei für die Belange des alten Ritus ist – und den Schriftsteller Martin Mosebach als einen der wort- und wirkmächtigsten Fürsprecher der überlieferten Liturgie an einen Tisch zu bringen. Die beiden Herren stimmten darin überein, daß in vielen Meßfeiern nach dem Novus Ordo die Sakralität verloren gegangen sei und der Glaube verdünnt werde, und sie konnten sich auch darauf einigen, daß die Liturgiereform zwar nicht die Wurzel aller Übel gewesen sei – aber auch nicht fähig war, dem bereits zuvor eingetretenen Glaubens- und Liturgieverlust entgegenzutreten. Das sei eher schon in den Gemeinden um die überlieferte Liturgie gelungen – die – ohne die alte Form zu verändern – doch die vordem auch dort anzutreffenden Mißstände weitgehend überwunden habe.

Scharf äußerte sich der Kardinal gegen die Bestrebungen der Schule von Bologna, unter Berufung auf das 2. Vatikanum der reformierten Liturgie andere Inhalte zu unterstellen als die in der traditionellen Lehre festgeschriebenen:

Viele Missverständnisse kommen aus der Auffassung, der Liturgie bis 1962 und der Liturgie nach der Liturgiereform lägen zwei völlig inkompatible Theologien oder sogar Glaubenslehren zugrunde. Denken wir an die „Schule von Bologna“. Dahinter steht die häretische Vorstellung, dass ein Konzil eine in Glaubenslehre und sakramentaler Heilsvermittlung andere Kirche stiften könnte und sollte – mit dieser unseligen Unterscheidung zwischen vorkonziliarem und nachkonziliarem Glauben. Aber es steht keine andere Glaubenslehre dahinter, das würde auch die Kontinuität der Kirche und ihrer Tradition zerstören.

Sogar der Überlegung Mosebachs, die Messfeier „ad Dominumn“ wieder zur Norm zu machen und den überlieferten Ritus in der Priesterausbildung wieder stärker zur Grundlage zu machen, wollte Kardinal Müller nicht grundsätzlich widersprechen – allerdings hält er das derzeit für wenig praktikabel:

In der gegebenen Lage wäre das schwierig durchzuführen. Und die erwartete geistliche Wirkung wäre angesichts des Unverständnisses schwer zu erzielen.“

Wie es scheint, nähert er sich in der Einschätzung der „gegebenen Lage“ den Traditionalisten an, die in ihrem Bereich die „erwartete geistliche Wirkung“ des Festhaltens an der überlieferten Liturgie bereits realisieren. Das unterscheidet sich doch sehr von der überaus skeptischen bis rundum ablehnenden Haltung, die der Kardinal noch vor einigen Jahren gegenüber der traditionellen Liturgie an den Tag legte. Und es zeigt, daß das Chaos des Bergoglio-Pontifikats nicht nur einige Leute komplett um den Verstand gebracht, sondern bei anderen auch ein tieferes Verständnis der „gegebenen Lage“ befördert hat. Und gegen deren realistische Einschätzung kann auch kein Freund der Tradition im 10. Jahr von Summorum Pontificum etwas einzuwenden haben.

Zum Abschluß noch ein Hinweis, falls Sie morgen zufällig in Hongkong sein sollten: Dort feiert Fr. Francis Lee am Pfingssonntag in der Kirche der hl. Teresa  seinen 90. Geburtstag und sein 60. Priesterjubiläum mit einer Messe im alten Ritus. Den musikalischen Teil übernehmen „Die Konzertisten“, beim Anblick von deren Website man durchaus optimistisch sein kann hinsichtlich des Weiterlebens deutscher und europäischer Musikkultur – zumindest in China.

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