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Erzbischof Müller kritisiert das Konzil

Abbildung des BuchumschlagsEinige Prälaten aus dem deutschen Sprachraum haben sich in der letzten Zeit in einer Weise zum 2. vatikanischen Konzil geäußert, die darauf hindeutet, daß sie dieses Konzil zu genau dem „Superdogma" erklären wollen, das es nach Auskunft des damaligen Kardinals Joseph Ratzinger nicht sein soll. Joseph Ratzinger 1988:

Das Zweite Vatikanische Konzil behandelt man nicht als Teil der lebendigen Tradition der Kirche, sondern direkt als Ende der Tradition und so, als fange man ganz bei Null an. Die Wahrheit ist, daß das Konzil selbst kein Dogma definiert hat und sich bewußt in einem niedrigeren Rang als reines Pastoralkonzil ausdrücken wollte; trotzdem interpretieren es viele, als wäre es fast das Superdogma, das allen anderen die Bedeutung nimmt." (Hier die ganze Rede vor dem chilenischen Episkopat

Besonders hervorgetreten sind in dieser Hinsicht Kardinal Kurt Koch und der neuernannte Präfekt der Glaubenskongregation, Erzbischof Gerhard Ludwig Müller, wie hier gemeldet. Da ist es ganz besonders interessant, in einer unter dem Namen und in der Verantwortung von Bischof Müller erschienenen Studie der Internationalen Theologischen Kommission aus dem Jahr 2004 eine ebenso klare und fundierte wie schonungslose Kritik an den Aussagen des Konzils zu einem Teilgebiet von Lehre und Disziplin der Kirche zu lesen. Es geht um das dreigliedrige Sakrament des Ordo und insbesondere um die Stellung des Diakonats, die nach dessen vom Konzil verlangten „Wiederherstellung" so unklar ist wie nie zuvor.

Dort heißt es:

In den Konzilstexten, in denen der Diakonat explizit erwähnt wird (vgl. SC 35; LG 20. 28. 29. 41; OE 17; CD 15; DV 25; AG 15.16), wollte das II. Vatikanum nicht irgendeine der in der Konzilsaula diskutierten Fragen dogmatisch abschließend beantworten, noch wollte es eine strikte lehrmäßige Systematisierung bieten. Sein vorrangiges Interesse war, den ständigen Diakonat wiederherzustellen, unter dem Gesichtspunkt, dass vielfältige Verwirklichungen möglich bleiben sollten. Vielleicht ist das der Grund, dass im Gesamt der Texte bestimmte theologische Fluktuationen festgestellt werden können, je nach Ort oder Kontext, in dem über den Diakonat gesprochen wird. Sowohl auf der Ebene der pastoralen Prioritäten als auch auf der Ebene der objektiven lehrmäßigen Schwierigkeiten spiegeln die Texte eine Unterschiedlichkeit der theologischen Akzente, die nicht ohne weiteres harmonisiert werden können." (S. 76)

„Nicht ohne weiteres harmonisierbar" - das sagt nichts anderes, als das, was viele Kritiker der Konzilsdokumente auch immer wieder festgestellt haben, nämlich daß diese Dokumente zu ein und derselben Sache oft die widersprüchlichsten Aussagen treffen. Es soll getan werden – aber was, bleibt unklar bzw. wird nicht systematisch in den Bestand der Lehre eingeordnet.

Die Studie benennt dann eine Reihe von „Dokumenten des Lehramtes der nachkonziliaren Zeit" zum Thema, die es durchaus realistisch folgendermaßen qualifiziert:

Diese neuen Dokumente führen die grundlegenden Elemente des II. Vatikanum fort und fügen gelegentlich Präzisierungen an, die theologische, kirchliche oder pastorale Tragweite haben; sie sprechen aber nicht alle aus dem gleichen Blickwinkel, noch stehen sie auf der gleichen lehrmäßigen Ebene." (S. 77)

In weniger kurial gepflegter Sprache ausgedrückt: Auch die weiterführenden Dokumente haben es nicht geschafft, das bereits in den Konzilsdokumenten angelegte Durcheinander von Begründungen und Absichten auf die Reihe zu bringen. Die Folgerung der Kommission:

Für den Versuch einer theologischen Annäherung auf der Linie des II. Vatikanum folgt daraus, dass die mögliche Beziehung zwischen den lehrmäßigen Schwankungen und der Unterschiedlichkeit der theologischen Annäherungen, die in den nachkonziliaren Aussagen über den Diakonat feststellbar sind, in Rechnung zu stellen ist." (S. 77)

Oder in gewöhnlicher Sprache: Nichts genaues weiß man nicht.

Tatsächlich ist die ganze mit 330 Anmerkungen gespickte kaum 100 Seiten umfassende und überaus sorgfältig anmutende Studie, auf Deutsch erschienen im Echter-Verlag) ein einziges Zeugnis dessen, daß die Konzilsväter bzw. die Redakteure der Konzilsdokumente bei ihrer Arbeit eben diese Sorgfalt vermissen ließen. Das einzige, was einigermaßen klar ist, ist, daß das Konzil ein ständiges Diakonat, das mehr sein sollte als eine Durchgangsstufe zum Priestertum, wieder ermöglichen (nicht etwa vorschreiben) wollte. Wie dieses Diakonat aussehen, welche Stellung es im Rahmen der Sakramentenlehre einnehmen sollte, welche Vollmachten und Aufgaben seine Träger haben würden und andere Kleinigkeiten ließen sie offen – und das auf eine so entschiedene Weise, daß seitdem ganze Heerscharen von Theologen innerhalb und außerhalb von Kommissionen die unterschiedlichsten Vorstellungen dazu entwickeln konnten.

Ob sie dabei die Zulassung von Frauen zum Diakonat propagieren oder es lieber auf zölibatäre Männer beschränken wollen – behaupten, daß sie „das Konzil" anerkennen können sie alle.

Der neue Präfekt der Glaubenskongregation übernimmt in der Tat ein schweres Amt.

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