„Kontinuität“ ist das, was die Obrigkeit als Kontinuität behauptet
- Details
- 29. Mai 2014
Die zunehmende Kritik am Vorgehen des Kommissars der FFI scheint Wirkung zu zeigen – erstmals hat sich einer der fünf Initiatoren der Visitation des Ordens und seiner anschließenden Entmündigung öffentlich zu den Gründen des Vorgehens geäußert. (Quelle) P. Angelo Mary Geiger hat dazu – mit Genehmigung des Kommissars, wie er betont – zunächst einen Text „Zur Lage der FFI“ veröffentlicht, der aus den Reihen der Anhänger der abgesetzten Ordensleitung stammen soll. Er stellt eine Zusammenfassung der Beschwerden dar, die gegen den Kommissar erhoben werden, und klingt weitgehend authentisch. P. Geiger nimmt dann diesen Text zum Anlass für eine ausführliche Antwort, die allerdings nur zum geringeren Teil auf die erhobenen Vorwürfe eingeht und sich weitgehend auf zwei Argumentationslinien beschränkt:
- Die alte Ordensführung habe durch ihre „traditionalistischen Neigungen“ den Boden der Kirchlichkeit verlassen - und
- Jede Kritik an den Maßnahmen des Kommissars sei ein schwerwiegender Verstoß gegen die Verpflichtung zum absoluten Gehorsam.
Dieses zweite Argument ist innerhalb eines Ordens, dessen Mitglieder ein besonderes Gehorsamsgelübde abgelegt haben, von hohem Gewicht. Tatsächlich halten sich die ehemals führenden Mitglieder der FFI auch auf bewundernswerte Weise mit Kritik zurück und sind erkennbar bestrebt, alle ihnen gemachten Auflagen, selbst die willkürlichsten, einzuhalten. Umso interessanter ist jedoch die von P. Angelo Geiger geäußerte Pauschalkritik an „traditionalistischen Neigungen“, zumal diese geeignet ist, auch außerhalb des Kontextes der FFI-Krise eingesetzt zu werden.
Einleitend stellt P. Geiger seine Liste von Kritikpunkten auf:
- Autoritäre Umsetzung von Summorum pontificum
- Dahingehende Manipulation des Generalkapitels von 2008
- traditionalistische Neigungen im Seminar und in der Seelsorge
- Verbindung mit bekannten Sympathisanten der traditionalistischen Bewegung
- Willkürliches Verhalten der Ordensleitung und Verweigerung Von Mechanismen zur Abhilfe,
- Auswirkungen dieser Problem auf die Formation des Ordnesnachwuchses
- Einfluss der früheren Generaloberin der Schwesterngemeinschaft
- Zunehmende Radikalisierung der Schwesterngemeinschaft.
Diese Vorwürfe sind im Prinzip bekannt – eine Präzisierung oder gar belegung bleibt auch jetzt weitgehend aus. Stattdessen nimmt P. Angelo Zuflucht zu Konstruktionen wie der folgenden:
Einer der Hauptsympathisanten des früheren Regimes auf traditionalistischer Seite, nämlich Roberto de Mattei, hat nach Einsetzung des Kommissariats die Mitbrüder zum Ungehorsam gegenüber dem hl. Stuhl ermutigt; er hat die Unfehlbarkeit der Heiligsprechungen des hl. Johannes Paul II. und des hl. Johannes XXIII. bestritten und fordert jetzt sowohl Brüder wie Schwestern des Ordens dazu auf, diesen zu verlassen. Das ist eine klare Bestätigung dafür, daß die Wahrnehmung der 5 Appellanten (um Visitation) wohlbegründet war.
An anderer Stelle führt P. Angelo aus:
Das Seminar war eine Quelle der Rebellion und die Seminaristen haben Informationen an traditionalistische Blogs weitergegeben, die sich darum bemühen, die Aufgabe, die dem Kommissar vom Heiligen Stuhl übertragen worden ist, zu sabotieren.
Beides wenig konkret – und beides bezieht sich auf Dinge, die sich wenn überhaupt jedenfalls erst nach der Einsetzung des Kommissars ereignet haben können. Tatsächlich gibt es nur einen Anklagepunkt, in dem P. Geiger sich einigermaßen konkret äußert. Der fehlt zwar in der oben zitierten Liste der Vorwürfe, nimmt in dem Artikel aber umso breiteren Raum ein: Die frühere Führung des Ordens habe Besitztümer dem Zugriff des Kommissars entzogen.
Hintergrund ist hier die Tatsache, daß bei den FFI nach guter franziskanischer Tradition nicht nur die Brüder Armut geloben, sondern auch der Orden selbst keinen Besitz hat: Konvente und Grundstücke, Kirchen und sogar die Kirchenausstattung gehören nicht dem Orden, sondern Laien oder zumeist lokalen Laienvereinigungen, die diese Güter dem Orden zur Verfügung stellen. In einigen Fällen scheint die juristische Festschreibung solcher Besitzverhältnisse erst nach der Einsetzung des Kommissars abgeschlossen worden zu sein, was diesen bereits früher zu äußerst zornigen Äußerungen veranlasste. P. Geiger geht hier zwar auch nicht auf Details ein – es wäre z.B. interessant zu wissen, ob irgendwo tatsächlich der Orden oder leitende Mitglieder eine effektiv bestehende Kontrolle über Besitz aufgegeben hätten – sondern er „widerlegt“ die Angabe der früheren Leitung, die Besitzlosigkeit des Orden sei in den Statuten begründet: Dort sei in Fußnote 33 auf S. 35 vorgesehen, daß solche Laienvereinigungen erforderlichenfalls so angelegt sein könnten, daß Ordensangehörige sie kontrollieren – darauf habe man jedoch verzichtet.
Also selbst da, wo es um die Seele des Geschäftes, ums Geld geht, nichts Handfestes. Und diese Behauptung der Nichtberücksichtigung einer in einer Fußnote eingeräumte Kann-Regelung bleibt in der Tat der konkreteste Vorwurf P. Geigers – danach hebt er wieder ins Allgemeine ab. Freilich verdienen es gerade diese allgemeinen Vorwürfe, außerordentlich ernst genommen zu werden, denn sie können bei Bedarf auch gegenüber allen anderen Gruppen und Vereinigungen erhoben werden, die es nach irgend jemandes Ansicht mit den traditionellen Neigungen übertreiben.
P. Geiger konstatiert, in dem Papier „Zur Lage der FFI“ werde unter Berufung auf den Ordensgründer ein Kirchenverständnis ausgedrückt, das im Gegensatz zur „Vision“ des Präfekten der Ordenskongregation (also nicht etwa zu einem Urteil des Präfekten der Glaubenskongregation) stehe. Er wirft dem Verfasser vor, unter dem Deckmantel der „Hermeneutik der Kontinuität“ den Orden zu einem Hauptwerkzeuig der traditionalistischen Bewegung in Italien umgeformt zu haben, um eben diese „Hermeneutik der Kontinuität“ zu untergraben – wobei er diese Kontinuität darin sieht, die „prophetische Rolle“ des Zweiten Vatikanischen Konzils anzuerkennen. Mit der Hinwendung zur „traditionalistischen Ideologie“ habe die frühere Ordensführung das Gründungscharisma der Gemeinschaft verraten.
Zusammenfassend urteilt Geiger:
(Das Papier 'Zur Lage der FFI') enthält eine Vorstellung von der Kirche, die nicht mit der „Hermenutik der Kontinuität“ vereinbar ist, denn Kontinuität verlangt harmonische Integration in das Leben der Kirche. Tatsächlich sieht der Verfasserdes Papiers jedoch in der vollen kirchlichen Gemeinschaft das Problem und nicht die Lösung. Dazu stellt er die rechtmäßigen kirchlichen Oberen als Bösewichter dar. Das ist besonders widersinnig, da unsere Verpflichtung auf das marianische Gelübde uns zu einer radikalen Form des monastischen Gehorsams verpflichtet. Wie könnte das anders aussehen als radikaler Gehorsam gegenüber der Kirche selbst. Letzten Endes ist die „Vision“, die der Verfasser des Papiers „Zur Lage der FFI“ anbietet, nicht „katholisch“, also umfassend, sondern eigensinnig und spaltend. Sie steht näher an dem, was die Piusbruderschaft sagt, als an dem, was man innerhalb der Grenzen der Kontinuität vorfindet. Es ist nicht das Bild der Kirche, sondern Werbung für eine Sekte.“
Da haben wir jetzt alles beisammen, was – übrigens nicht erst seit der Abdankung Papst Benedikts – gegen die vorgebracht wird, die es mit der Kontinuität, so wie es in der Kirche immer verstanden worden ist, ernst meinen: Kontinuität wäre nach der neuen Lesart nicht zuerst Übereinstimmung mit dem, was immer gegolten hat, sondern als Kontinuität, gerne auch als „lebendige Tradition“, soll das gelten, was die jeweilige Obrigkeit als gültig betrachtet. Dabei erteilt sich die jeweilige Obrigkeit großzügig Dispens, wo ein Festhalten an früher gültigem den behaupteten Erfordernissen der Gegenwart nicht zu entsprechen scheint.
In Wirklichkeit hat natürlich das Zusammenhalten in der Gegenwart die unentbehrliche Voraussetzung des Zusammenhalts mit dem, was in der Vergangenheit gegolten hat: Der wahren Tradition. Da mag es zu Entfaltungen oder Akzentverschiebungen kommen, aber nie dazu, daß „eine Gemeinschaft, das, was ihr bisher das Heiligste und Höchste war, plötzlich als strikt verboten erklärt und das Verlangen danach geradezu als unanständig erscheinen läßt“. (Joseph Ratzinger 1996) Das führt in der Tat, wie Ratzinger damals ausführte, zu der Frage: „was soll man ihr eigentlich noch glauben? Wird sie nicht morgen wieder verbieten, was sie heute vorschreibt?“
Am Zerfall des Glaubens an die Realpräsenz oder die Lehre von der Unauflöslichkeit der Ehe, den man heute im Streit der Professoren oder von Kardinälen über diese Themen erkennen kann, sieht man, wohin es führt, wenn die Gegenwart sich zur überheblichen Herrin über die Tradition aufschwingt und dazu unbedingten Gehorsam fordert. Vom Katholischen bleibt dann nicht mehr viel übrig – und vom Orden der Franziskaner der Immakulata, vor einem Jahr noch eine der letzten Hoffnungen des seit 50 Jahren im steilen Niedergang befindlichen Ordenslebens, wohl auch nicht.