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Die 33. Woche

Für diese Woche beschränken wir uns auf die Aufzählung einiger Anzeichen dafür, wie tief und möglicherweise unheilbar die Risse geworden sind, die die Kirche spalten. Um mit einer der weniger alarmierenden Erscheinungen zu beginnen, die man in ruhigeren Zeiten vielleicht noch als Kuriosität hätte abtun können: In den liberal-katholischen Publikationen der USA – also in den Blättern, in denen man alles sagen und schreiben kann, was mit den fortschrittlichen Dogmen übereinstimmt – wird derzeit eine absurde Kampagne gegen Konvertiten geführt, eine Überschrift in Crux gibt einen Eindruck von der Tonlage: „Neu in die Kirche Aufgenommene sollten weniger reden und mehr zuhören“. Ausgelöst hat die Debatte Michael Sean Winters vom alles anderen als katholischen „National Catholic Reporter“. Einen gute Kommentierung aus katholischer Sicht von Stephen Bullivant findet sich auf auf First Things

Der Hintergrund: Zum einen neigen Konvertiten (oder Re-Vertiten), die sich ihren Glauben mühsam und gegen vielfältige Widerstände (zurück)erworben haben, bekanntermaßen dazu, das Erworbene klarer auszusprechen und härter zu verteidigen als „geborene“ Katholiken. Zum anderen die besondere amerikanische Situation, in der viele Menschen Religion als etwas so wichtiges betrachten, daß sie im Laufe ihres Lebens die „denominationale“ Zugehörigkeit mehrfach wechseln und in vielen Fällen darüber auch öffentlich und durchaus kämpferisch Rechenschaft geben. Das wird schon unter normalen Bedingungen oft als lästig empfunden. In einer Zeit, in der viele das Heil in der Unklarheit suchen und Unterschiede zwischen Konfessionen als nicht der Rede wert gelten, ist es eine schwer erträgliche Provokation. Und so schreibt Winters genervt: „Ich bin es leid, daß Konvertiten uns sagen, der Papst wäre nicht katholisch“.

Nun hat das zwar, soweit von hier aus zu sehen ist, auch niemand behauptet, aber natürlich lösen die von Papst Franziskus in die Welt gesetzten oder zumindest geduldeten vielfältigen Unklarheiten und Zweideutigkeiten bei vielen Katholiken – nicht nur Konvertiten – große Sorgen aus. So wie sie bei denen, die seit über einem halben Jahrhundert auf die Schaffung einer „Neuen Kirche“ hinarbeiten, als „Zeichen der Hoffnung“ wahrgenommen und nach Kräften zur Förderung der eigenen Pläne genutzt werden. Die Kontroverse um „Amoris Laetitia“ ist zwar nicht der einzige, aber zweifellos der prägnanteste Ausdruck dieser Situation.

Direkt zu dieser Kontroverse gibt es zwei aufsehenerregende Wortmeldungen. Kardinal Burke, der bekannteste der drei noch lebenden Autoren der an den Papst gerichteten Dubia, hat im Interview mit The Wanderer erstmals ausgeführt, wie er sich eine „öffentliche Richtigstellung“ der in der Enzyklika enthaltenen Unklarheiten vorstellt. Eine Zusammenfassung kann man hier ausführlicher auf Englisch und geraffter auf Deutsch nachlesen. Der entscheidende Satz darin ist wohl, daß Kardinal Burke darin „eine formale Erklärung (sieht), auf die der Heilige Vater verpflichtet wäre, zu antworten“. Die Vorstellung, den Papst zur einer konkreten Handlung für „verpflichtet“ zu halten, ist in dieser Schärfe neu.

Und genau in diese Richtung zielt der wohl bedeutendste britische Theologe der Gegenwart, P. Aidan Nichols O.P. Er hat in einem Vortrag Stellung zu dem genommen, was er als die „Amoris-Laetitia-Krise“ bezeichnet, und dabei angeregt, das kanonische Recht in der Weise zu ergänzen, daß es einen ordentlichen Korrekturmechanismus für Fälle bereitstellt, in denen ein Papst sich in einer Weise zitieren läßt oder selbst äußert, die Irrtümern Vorschub leistet. Die Lehre der Kirche ist die Lehre der Kirche gestern, heute und morgen – und nicht die Privatmeinung eines Bischofs von Rom.

Das ist, 150 Jahre nach Verkündung des Dogmas der päpstlichen Unfehlbarkeit bei der feierlichen Verkündung von Glaubenssätzen, ein überaus bemerkenswerter Vorstoß, und man kommt nicht umhin, dabei einen Zusammenhang zu den ebenso starken Worten zu sehen, deren sich Kardinal Sarah in der vergangenen Woche bedient hat: Anläßlich der 700-Jahr-Feier des Bistums Lucon in der Vendée hielt der Kardinal eine Predigt, in der er an den Aufstand der Katholiken dieser Region gegen die große Revolution von 1793 erinnerte, der von den Armeen der Revolutionäre mit völkermörderischer Konsequenz niedergeschlagen worden war. Er verglich die „Höllenkolonnen der Revolutionsheere“ mit den ideologischen Sturmabteilungen des relativistischen Zeitgeistes, der jede natürliche und übernatürliche Ordnung ablehnt und sich mit besonderer Wut gegen den Zusammenhalt der Familie richtet. Am Schluß führte er dann aus:

Heute wieder, vielleicht heute sogar mehr denn je, wollen die Revolutionsideologen den natürlichen Ort der Selbsthingabe, der freudigen Großzügigkeit und der Liebe vernichten – ich meine die Familie! (...)
Jeder Christ ist geistig ein Vendéaner! Lassen wir es nicht zu, daß in uns die selbstlose und großzügige Hingabe erstickt wird. Lernen auch wir, wie die Märtyrer der Vendée, diese Gabe aus ihrer Quelle zu schöpfen: das Herz Jesu. Bitten wir darum, daß sich eine mächtige und freudige, innere Vendée sich in der Kirche und der Welt erhebt.

Nach „Friede, Freundschaft, Eierkuchen“ klingt das nicht. Aber dafür nach einer realistischen Sicht auf den Stand der Dinge in der Kirche und der Welt.

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