Bereichsnavigation Meldungen:

Die 49. Woche

ScreenshotGutmensch Nr. 1 in Woche Nr. 49 war zweifellos der Kölner Kardinal und Erzbischof Woelki, als er mit grüner Sprühkreide (umertfreundlich, leicht abwischbar) das Wort „Gutmensch“ auf den Boden seiner Terrasse sprühte.  Die halbe Republik lachte. Knapp gefolgt wurde der Purpurträger von der BDKJ Rottenburg-Stuttgart mit ihrer Plakataktion „Alle Christen glauben an Allah“. Soviel zum Nebensächlichen. Hauptthema der Woche war nach wie vor die weltweit nach der Veröffentlichung von „Amoris Laetitia“ ausgebrochene Beunruhigung in der Kirche.

Den Stand und Hintergründe der Debatte im ehedem katholischen Deutschland referiert Hubert Hecker auf katholisches.info: Warum der liberale deutsche Katholizismus so gereizt und aggressiv auf den Dubia-Brief an den Papst reagiert. In einem Interview mit der italienischen Website La Nuova Bussolo Quotidiana hat sich Robert Spaemann zur Unterstützung der vier Kardinäle der „Dubia“ zu Wort gemeldet – hier Auszüge in englischer Übersetzung. Seine Fragen lassen sich sehr einfach zusammenfassen: Folgt die Kirche Jesus, oder folgt sie dem Zeitgeist? Schwer zu beantworten, in der Tat.

In England hat eine Gruppe katholischer Seelsorger und Intellektueller eine Unterstützungserklärung für die Absender der „Dubia“ veröffentlicht. Die Unterzeichner stellen unter anderem fest, daß die Kirche nach der Veröffentlichung von Amoris Laetita an einen kritischen Moment ihrer Geschichte gekommen sei, der sich nur noch mit der großen Arianischen Krise des 4. Jahrhunderts vergleichen ließe, als selbst der Papst sich unfähig zeigte, den Zweifeln an der gottmenschlichen Natur des Erlösers entgegenzutreten. Da ist wohl was dran.

Weihbischof Athanasius Schneider nennt die Dinge beim rechten Namen (), wenn er nicht mehr alleine vor einem drohenden Schisma warnt, sondern konstatiert:

„Heute sehen wir eine befremdliche Form von Schisma: Nach außen wahren viele Kirchenvertreter die formale Einheit mit dem Papst für das Wohl ihrer Karriere oder aus einer Art von Papolatrie. Zugleich brechen sie aber die Einheit mit Jesus Christus, der Wahrheit, und mit Jesus Christus dem wahren Haupt der Kirche. Andererseits werden Kirchenvertreter als Schismatiker beschuldigt, obwohl sie den kanonischen Frieden mit dem Papst bewahren und treue Söhne Jesu Christi, der Wahrheit sind und Sein Evangelium mit Eifer verkünden.“

Um so wichtiger sei es, daß der Papst unmißverständlich seiner Pflicht nachkomme, den Glauben der Brüder zu stärken:

„Nur der Dienst, den Glauben zu klären, schafft Einheit in der Kirche, und das ist die erste und unerläßliche Verantwortung des Papstes. Wenn der Papstes unter den aktuellen Umständen seine Aufgabe nicht erfüllt, müssen die Bischöfe das unveränderliche Evangelium über die Göttliche Morallehre und die immerwährende Ordnung der Ehe sicher verkünden.“

Neben solchen und anderen eher kirchenpolitisch orientierten Aufrufen brachte die vergangene Woche eine weitere eingehende theologische Analyse der in den „Dubia“ angesprochenen Probleme, verfasst von dem kanadischen Theologen und Philosophen John R.T. Lamont. Dabei beschränkt sich Lamont nicht nur auf die in der Folge von Amoris Laetita in Zweifel gezogenen Glaubensaussagen, sondern wirft auch weitergehende Fragen zur Päpstlichen Unfehlbarkeit, ihrer Bedingungen und Grenzen auf. Er zählt eine Reihe von Beispielen aus dem gegenwärtigen Pontifikat auf, bei denen er diese Grenzen überschritten sieht und diskutiert in einer seit langem nicht mehr gekannten Ausführlichkeit und Ernsthaftigkeit die Mittel, die der Kirche zur Korrektur fehlgegangener Oberhirten zu Gebote stehen. Er kann sich dabei auf eine Reihe von Kirchenlehrern von den ältesten Zeiten bis hin zu Thomas von Aquin und Robert Bellarmin stützen. Wir lernen daraus unter anderem: Was heute nach mehreren Jahrhunderten „guter Päpste“ kaum denkbar erscheint, war in früheren unruhigen Zeiten durchaus schon Diskussionsgegenstand.

Dem Drama auf der Hauptbühne entspricht das Satyrspiel auf dem Nebenschauplatz. P. Spadaro, Chefredakteur des Jesuitenblattes La Civiltà Cattolica und bevorzugtes Sprachrohr – und wohl auch einflußreicher Ideengeber – des Papstes, hat auf seinem Twitter-Account nicht nur kaum bemäntelte üble Beschimpfungen der vier „Dubia“-Autoren gepostet. Er hat auf der Zwitscherseite auch einen Fake-Account unter dem schönen Namen „Habla Francisco“ eingerichtet und im vorgetäuschten Dialog mit diesem Strohmann seine Botschaft zu propagieren versucht. Selten hat man eine eindrücklichere Erklärung dessen gesehen, was bestimmte Kirchenführer unter „Dialog“ verstehen: Das Selbstgespräch im kleinsten denkbaren Kreis.

Die mit Amoris Laetita zwar nicht aufgebrochenen, aber unübersehbar gewordenen Zerfallserscheinungen im Zentrum der Kirche scheinen auch dort Beunruhigung hervorzurufen, wo man Lehre und Wesen der Kirche fernsteht. Selbst bei vielen, die ihre Lehre ablehnen und auf Änderung dringen, hat die Rolle der Kirche als Element von Stabilität in einer von allseitigen Veränderungen mitgerissenen Welt einen gewissen Stellenwert. Fällt dieses Element als solches aus, könnten unberechenbare Folgen eintreten: Gelenkte Evolution ja - Revolution nein.  

Und so erklärt es sich vielleicht, daß ausgerechnet die New York Times ihrem Redakteur und Kommentator Ross Douthat in diesen Tagen ungewöhnlich breiten Raum zur Darstellung und kritischen Kommentierung der weltkirchlichen Entwicklungen einräumte. Douthat als „Quotenkatholik“ in der gerne auch als „Hells Bible“ bezeichneten ultraliberalen NYT abzutun, wäre ungerecht. Er tut dort alles, um einen orthodox katholischen Standpunkt in einem feindseligen Umfeld zur Geltung zu bringen. Und das ist mehr, als mancher deutsche Prälat von sich behaupten kann. Seine Artikel His Holiness Declines to Answer und The End of Catholic Marriage sind über den Tag hinaus lesenswert.

Über anderes, was in dieser Woche in und aus Rom zu hören war, decken wir schamhaft den Mantel des Schweigens: Die Nackten zu kleiden ist Christenpflicht, und ich möchte Ihnen weiterhin einen schönen 3. Adventssonntag wünschen.

Zusätzliche Informationen