Unverhofft kommt oft
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- 13. Januar 2023
Durchaus unerwartet kam am Anfang der Woche die Nachricht vom Tod des australischen Kardinals George Pell. Der 81-jährige hatte sich zu einer im Prinzip als unproblematisch geltenden Hüftoperation ins Krankenhaus begeben – und erlitt im Zusammenhang mit der dazu erforderlichen Vollnarkose einen Herzanfall, den er nicht überlebte. Noch wenige Tage zuvor hatte der trotz aller Verfolgungen unerschrockene Prälat in einem Artikel für den britischen Spectator – das ist der mit der nachgerade prophetischen Franziskus-Karikatur von 2015, die wir z.B. hier gebracht haben – heftige Kritik am Synodalkursdes aktuellen Pontifikats geübt, der sich für ihn zu einem „toxischen Albtraum“ entwickelt hat. Eine Zusammenfassung von Pells aktuellen Punkten bietet kath.net.
Im Prinzip war diese Kritik des Australiers auch schon aus anderen Veröffentlichungen und verschiedenen Reden bekannt. Trotzdem war es für viele eine Überraschung, als Sandro Magister unmittelbar nach dem Tod des Kardinals mitteilte, seiner Kenntnis nach sei Pell auch der Autor des seit knapp einem Jahr kursierenden „Demos-Memorandum“ gewesen, das das Pontifikat Franziskus’ einer vernichtenden Analyse unterzogen hatte und bis ins Einzelne gehend darlegte, worauf die Kardinäle beim kommenden Konklave achten müßten, um eine Wiederholung der Katastrophe von 2013 zu verhindern. Einer der Kernsätze:
Die ersten Aufgaben des neuen Papstes werden die Wiederherstellung der Normalität, die Wiederherstellung der Klarheit der Lehre im Glauben und in der Moral, die Wiederherstellung der gerechten Achtung des Gesetzes und die Garantie sein, daß das erste Kriterium für die Ernennung der Bischöfe die Annahme der apostolischen Tradition ist. Theologische Kompetenz und Kultur sind ein Vorteil, kein Hindernis für alle Bischöfe und besonders für Erzbischöfe.“
Den ganzen Text des Memorandums bringt auf Deutsch das Beiboot Petri. Dort findet man auch die Übersetzung des höchst informativen Nachrufes auf Kardinal Pell von Phil Lawler auf CatholicCulture.
Das Totenamt für den verstorbenen Kardinal wird am Samstag den 14. 1. am Altar der Kathedra in der Peterskirche stattfinden. Es wird „in Anwesenheit des Papstes“ von Kardinal Giovanni Battista RE zelebriert werden. Anschließend erfolgt die Überführung der sterblichen Hülle von George Pell zum Flughafen und in seine Heimat Australien. Wir bitten den Herrn um Aufnahme seines treuen Dieners in sein Reich und hoffen, daß auch auf ihn das Graduale der Toternmesse für einen heiligen Bekenner und Bischof zutreffen möge:
Seht, das ist der Hohepriester, der in seinen Tagen Gott gefiel. Keiner fand sich, der gleich ihm gehütet das Gesetz des Allerhöchsten. (Aus Ecclesiasticus 44)."
Den zweiten Satz von unerwarteten Entwicklungen bietet in dieser Woche die Verfügbarkeit des vollen Inhaltes des Buches von Erzbischof Gänswein (auf Italienisch erschienen am 12. 1.) über seine Jahre mit Benedikt, von dem bisher nur wenige Abschnitte bekannt geworden und als Sensation kommentiert worden waren. Die Überraschung – so beschreibt es Andrea Gagliarducci im National Catholic Register (https://www.ncregister.com/cna/what-to-read-in-benedict-xvi-s-secretary-s-tell-all-book) – liegt hier darin, daß das Buch alles in Allem durchaus wenig Sensationelles enthält. Den eigentlichen Schwerpunkt der Veröffentlichung sieht Gagliarducci in den Mitschriften zahlreicher Predigtem die der Papa Emeritus in seinen letzten Lebensjahren vor der kleinen Gemeinde im Kloster Mater Ecclesiae gehalten hat. Sie sind. Die anderen Punkte, über die bereits berichtet worden war, wie die Enttäuschung von Erzbischof Gänswein über seine Kaltstellung als Präfekt des Päpstlichen Haushalts und die Betroffenheit von Papst Benedikt über Traditionis Custodes, treten demgegenüber weit zurück. Von einigem Neuigkeitswert sind vielleicht noch Informationen über das schwierige „Dreiecksverhältnis“ zwischen Kardinal Sarah, Papst Benedikt und Papst Franziskus im zusammenhang mit der berühmten Buchveröffentlichung von 2020: Aus der Tiefe des Herzens: Priestertum, Zölibat und die Krise der katholischen Kirche.
Eher von anekdotischem Interesse sind demgegenüber nformation wie die, daß die Niederlegung des päpstlichen Palliums am Sarg Coelestins weniger als Hinweis auf bereits damals (2009) gehegte Rücktrittsabsichten von Benedikt zu werten sei, sondern eine elegante Art darstellte, sich von dem ihm von Zeremoniar Marini verordneten antikisierenden überlangen Pallium zu trennen, über das er bereits mehrfach gestolpert und einmal sogar desweg hingefallen war. Gagliarducci sieht darin wohl nicht zu Unrecht ein sprechendes Zeichen für die Art, wie Joseph Ratzinger in all seinen Handlungen stets bemüht war, allen Dingen eine positive Seite abzugewinnen und vor allem Verletzungen und Demütigungen von Mitarbeitern zu vermeiden.
Das kann man nun von seinem Nachfolger wirklich nicht sagen. Noch am Tag der Beisetzung von Papst Benedikt (5. 1.) ließ die zuständige Administration Erzbischof Gänswein mitteilen, daß er seine bisher als Sekretär Benedikts bewohnten Räume im Kloster Mater Ecclesiae bis zum 31. des Monats zu räumen habe.