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Eine Präfation für die 'Gesimas

Bild: von der Website des AutorsIm vergangenen Jahr hat die für die Belange der überlieferten Liturgie zuständige Glaubenskongregation mit zwei Erlassen den Heiligenkalender für die traditionelle Form erweitert und die Verwendung einiger neuer Präfationen zugelassen. Wir haben konkret dazu bereits im letzten März (zum Heiligenkalender) und im April (zu den Präfationen) Stellung genommen. Frühere Artikel zum Thema Neue Präfationen finden Sie hier und hier. Fr. Hunwicke hat den Sonntag Septuagesima zum Anlaß genommen, daran zu erinnern, daß die ursprünglichen Plände der  Glaubenskongregation auch die Neu/Wiederaufnahme einer Präfation zu den Sonntagen der Vorfastenzeit vorsahen - die dann jedoch aus nachvollziehbaren Gründen unterblieb. Fr. Hunwicke befaßt sich mit diesen Gründen und stellt anschließend einige Überlegungen  zur (vermuteten) sprachlichen Urform dieser Präfation und ihrer veränderten Aufnahme in das Messbuch des Novus Ordo an. Er schließt seine Ausführungen mit einigen höchst bededenkenswerten Gedanken zur sprachlichen Prägnanz der ältesten lateinischen Messgebete und zu der im konkreten Fall vorliegenden tiefen Verwurzelung in der ganzen Heilsgeschichte von Altem und Neuem Testament. Wir haben die auf Fr. Hunwicke's Mutual Enrichment an zwei Tagen hintereinander erschienenden Texte zusammengefasst und übersetzt.

Es beginnt ein langes Zitat(1. Teil) Ungefähr vor einem Jahr ist die Gottesdienstkongregation tätig geworden. Interessierte Leser werden wissen, daß dieses Dikasterium die Aufgaben der guten alten Heiligen Ritenkongregation hinsichtlich der authentischen Form des römischen Ritus übernommen hat. Und besonders erfreulich: Ihre Tätigkeit hat einen Liturgisten namens Grillo in Wut versetzt. Er ist nämlich der Ansicht, daß es falsch wäre, noch irgendetwas hinsichtlich der authentischen Form zu unternehmen, da sie doch bereits unwiederruflich in der Vergangenheit erstarrt sei. Woher wissen wir, daß sie so erstarrt ist? Nun, weil sie sich nicht verändert hat – ein schönes Beispiel für eine Argumentation im Kreis.

Die Änderungen durch die Gottesdienstkongregation (die alle lediglich Wahlmöglichkeiten eröffnen) bezogen sich auf die Präfationen und in einem eigenen Dekret auf das Kalendarium. Die Einführung weiterer Präfationen war bereits von Benedikt XVI. in Summorum Pontificum vorgeschlagen worden. Und tatsächlich waren einige weitere (gallikanische) Präfationen aus dem Frankreich des 18. Jahrhunderts mit einer Sondererlaubnis bei der Piusbruderschaft und anderswo schon seit langem in Gebrauch.

Hier geht es weiterWas also hat die Glaubenskongregation gemacht? Sie setzte einen Konsultationsprozess in Gang. In einem der dabei entstandenen Dokumente war auch eine „gallikanische“ Präfation für den Advent enthalten; und auch eine für die 'Gesima-Sonntage. Aber im Schlußdokument waren diese beiden nicht mehr enthalten, nur ein Hinweis, daß die Zulassung weiterer Präfationen in der Zukunft nicht ausgeschlossen sei. Diese Weglassung erklärte die Kongregation damit, daß der Geist der authentischen Form im 20. Jahrhundert sich gegen die Aufnahme von (kirchen-)jahreszeitlichen Präfationen gewandt habe – tatsächlich waren alle neuen Präfationen des 20. Jahrhunderts zu Festtagen oder Totenmessen, nicht zu Zeiten des Kirchenjahres.

Im Folgenden beschäftige ich mich mit der 'Gesima-Präfation, die die Gottesdienstkongregation zunächst erwogen, dann aber doch nicht aufgenommen hatte.

Das ist eine alte Präfation, an der man in den 70ern bei ihrer Aufnahme in den Novus Ordo herumgebastelt hatte. Sie findet sich in mehreren alten Sakramentarien entweder für den letzten Sonntag nach Erscheiung oder für Septuagesima selbst. Von daher vermute ich mal, hat sie eher jahreszeitlichen Charakter. Mein Problem damit besteht darin, daß der Novus Ordo mit dem alten Text ziemlich frei umgesprungen ist – es ist immer wieder das selbe...

Novus Ordo, 3. Präfation für die Sonntage im Jahreskreis:

VD ... omnipotens aeterne Deus: Ad cuius immensam gloriam pertinere cognoscimus ut mortalibus tua Deitate succurreres; sed et nobis provideres de ipsa mortalitate nostra remedium, et perditos quosque unde perierant, inde salvares, per Xtm Dnm nostrum.

Zuerst habe ich darüber nachgedacht - Sie wissen ja, wie das geht – weil ich mir einfach keine Antwort auf die naheliegende und selbst einem Drittklässler auffallende Frage geben konnte: Warum stehend die konjunktivischen Verben in der Zeitenfolge im Imperfekt? Diesen Knoten in einem Gehirn habe ich immer noch nicht aufgelöst.

In meiner Verzweiflung griff ich dann, wie man das wohl zu tun pflegt, zum Sakramentar von Verona, auch als das Leoninische Sakramentarium bekannt, von dem ich annehme, daß es die älteste uns bekannte Version dieser Präfation enthält, (für den Anfang Oktober). Die wesentlichen Unterschiede: Statt des „pertinere cognoscimus“ hat das VS lediglich „pertinet“, und die konjunktivischen Verben stehen in der Perfekt-Form: „succureris … provideris … salvaris“.

Gut, damit ist mein Problem der Zeitenfolge gelöst, oder? Diese kerngesunden Konjunktive im Perfekt scheinen dann aber schon im Sakramentar von Bergamo und dem „Missale Gregors“ zu der Form im Imperfekt mutiert zu sein. [Salvaris ist eine gebräuchliche Zusammenziehung für salvaveris. Eine Quelle hat sich aber regelrecht von hinten durch die Brust ins Auge getroffen und schreibt: succuras.]

Können wir also die Version des Sakramentars von Verona so übersetzen: „Es gereicht Dir zu unübertrefflicher Ehre, daß Du geholfen... geboten ... gerettet hast? Das scheint mir sinnvoller und grammatisch richtiger zu sein als die (wie ich vermute) späteren Änderungen. Das entspricht übrigens auch ungefähr dem, wie unsere gegenwärtige amtliche englische Übersetzung es wiedergibt.

(2. Teil) So, hier jetzt also die nach den Quellen bereinigte Version aus der gestern vorgestellten Präfation:

VD ... Ad cuius immensam pertinet gloriam ut non solum mortalibus tua deitate* succurreris; sed et de ipsa etiam mortalitate nostra nobis remedium provideris, et perditos quosque unde perierant, inde salvaris; Per.

[Grob und ziemlich wörtlich übersetzt: Es ist in Wahrheit würdig und recht.... dem es zur höchsten Ehre gereicht, daß Du nicht allein mit Deiner Gottheit den Sterblichen zu Hilfe gekommen bist, sondern aus unserer eigenen Sterblichkeit uns ein Heilmittel bereitet und die Verlorenen allesamt von da aus errette hast, von wo ihr Verderben ausging.]

Das zeigt die strenge Eleganz und die Meidung aller Geschwätzigkeit, die wir aus den besten Vorlagen aus den alten Römischen Sakramentaren kennen, ja, vielleicht ist sogar ein hauch vom Stil des hl. Leo dabei. (Edmund Bishop hat einst die Präzision der Römischen Pfingst-Präfation neben eine „gotische“ Pfingstpräfation gestellt, die 80 Zeilen lang herumlaberte.)

Der hochgebildete Maristenpater Anthony Ward (dem im gegenwärtigen Pontifikat so übel mitgespielt worden ist) hat hierzu Texte des hl. Ambrosius  (De Sac 2:17) des hl. Leo (Sermo 22; 1;) und von Chromatius von Aquila (Sermo 19:7) angeführt, und von letzterem möchte ich hier einen kurzen Abschnitt übersetzen:

Christus „erhielt Übles, aber er vergalt es mit Gutem; er empfing den Tod, aber gab das Leben. Nicht ohne Grund wurde er an dem Platz gekreuzigt, wo, wie es heißt, der Leib Adams begraben wurde. Und so wurde Christus da gekreuzigt, wo Adam begraben ward, damit von da aus Leben ausgehe, wo vorher der Tod am Werk war, und so aus dem Tod das Leben sich neu erhebe:Tod durch Adam, Leben durch Christus.“

Sie sehen, wie sehr solche Sätze typologisch zu den Berichten aus der Genesis passen, die wir in dieser Zeit alljährlich im Brevier lesen. Und sie erinnern sich der Bedeutung des dem Osten und dem Westen gemeinsamen ikonographischen Elements des Totenkopfes am Fuß des Kreuzes von Kalvaria, und ebenso auch der Darstellung Christi in der Auferstehungsikone, wo er Adam und Eva aus dem Rachen der Hölle befreit.

* Fußnote: Dazu gibt es eine hoch interessante textliche Variante, die sogar die ursprüngliche Form darstellen könnte: „pietate“ statt „deitate“ Das große P und das große D kann man leicht verwechseln.

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