In, nicht von der Welt
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- 09. September 2017
Die „Option Benedikt“ - VII
Es ist Zeit, den Faden der Option Benedikt wieder aufzunehmen. Wir hatten in bisher sechs Abschnitten wesentliche Inhalte des Buches von Rod Dreher dargestellt – hier die Links:
- Die Option Benedikt
- Von der Kultur zur Antikultur
- Gemeinde und Gemeinschaft
- Gott gebührt die erste Stelle
- Wider die „sexuelle Revolution“
- Mensch – Maschine – Medien
Am Schluß des bisher letzten Teils Mensch-Maschine-Medien hatten wir überdies auf die Beiträge von „King Bear“ aka Tobias Klein auf seinem Blog „Huhn meets Ei“ verlinkt, der dort umfangreiche Abschnitte aus dem Buch in Übersetzung präsentiert und wohl daran gehen möchte, das ganze Buch zu übersetzen. Wenn sich denn ein Verlag findet. Tobias Klein seinerseits hat bereits im Juli ebenfalls eine Liste von Artikeln zum Thema zusammengestellt. Mit diesen Hinweisen ist, wer sich näher informieren möchte, zunächst einmal recht gut bedient. Und das Buch in Originalsprache bleibt natürlich nach wie vor empfehlenswert. Es ist in einem typischen amerikanischen journalistischen Stil geschrieben und stellt keine allzu hohen Anforderungen an die Sprachkompetenz.
Wir wollen bei diesem Stand der Dinge noch weiter als bisher schon von Drehers Buch lösen und darüber nachdenken, wie sein Grundgedanke der Bildung von spirituell und sozial überlebensfähigen katholischen Gemeinden (communities, nicht parishes) wohl unter europäischen, speziell unter deutschen, Verhältnissen, anzugehen sein könnte. Schließlich gibt es bedeutende Unterschiede in den Rahmenbedingungen.
Die vielleicht wichtigste betrifft die unterschiedlichen Regelung zur Schulpflicht. In den USA haben Eltern wesentlich mehr Freiheit, zu bestimmen, welche Schule ihre Kinder besuchen sollen, wie an dieser Schule unterrichtet wird oder ob sie den Unterricht nicht sogar ganz oder teilweise in eigener Regie übernehmen wollen. Zwar gibt es auch dort im Zeichen des neuen Totalitarismus Bestrebungen, diese Rechte einzuschränken – aber das ist alles noch meilenweit entfernt von der deutschen Ausgestaltung einer allgemeinen Schulpflicht, die auf preussische Ursprünge zurückgeht, von den Nazis erheblich verschärft wurde und gegenwärtig durch eine Amok-laufende Kultusbürokratie immer stärker unter das Diktat von Relativismus und Genderismus gestellt wird. Anders als in den USA gibt es da praktisch kein Entrinnen. Und vielleicht – darüber wird noch nachzudenken sein – hat das unter den spezifischen deutschen Bedingungen auch positive Seiten.
Ein zweiter großer Unterschied betrifft die Stellung des Religiösen im öffentlichen Leben. Religion ist, auch wenn dort ebenfalls gewisse Säkularisierungstendenzen unverkennbar sind, im Leben vieler US-Amerikaner ein wichtiges Thema, und das Gespräch über religiöse Überzeugungen und Praktiken ist nicht wie in Deutschland mit starken Tabus aus vielen Lebensbereichen praktisch verbannt. Das macht es Amerikanern leichter, über den Rahmen bestehender Gemeinden hinaus Kontakte aufzunehmen und Netze zu knüpfen, die im Sinne eines „Community buildung“ genutzt werden können. Hier kommen dann auch die modernen Kommunikationsmedien positiv ins Spiel: Nie war es so leicht, gleichgesinnte Fremde ausfindig zu machen, wie mit Hilfe des Internets. Was keinesfalls dazu führen darf, die negativen Seiten der stürmischen „Dikgitalisierung“ aller Lebensbereiche auszublenden. Sowohl in den USA als auch in Deutschland und in vielen anderen Ländern ist mit den modernen digitalen Medien ein mächtiger „Miterzieher“ auf den Plan getreten, dessen Einfluß gar nicht hoch genug eingeschätzt werden kann.
„Schule“ und „Medien“ - diese beiden Stichworten verweisen auf eine der Hauptaufgaben, an denen sich jedes Konzept der Option Benedikt in der Praxis bewähren muß: Es muß den Eltern die Möglichkeit bieten, ihre Vorstellungen vom christlichen Leben sowie von der Gesellschaft und deren Wertorientierung an die nächste Generation, zuerst natürlich an die eigenen Kinder, weiterzugeben.
Völliger Abschluß von einer nicht ohne Gründe als feindlich angesehenen Umwelt wird dazu in der Praxis wenig hilfreich sein, und das nicht nur wegen der Schulpflicht, der man ja immerhin noch durch Auswanderung in ein (noch) weniger autoritär geprägtes Umfeld entrinnen könnte. Die fernab der Welt isoliert lebende Landkommune ist nicht die Zielvorstellung der „Option Benedikt“. Die meisten dahingehenden Versuche sind denn auch kläglich bis katastrophal gescheitert, und wir kennen nur eine einzige Form, die sich als lebensfähig erwiesen hat: Das Leben im Kloster nach der Regel des heiligen Benedikt und deren traditionellen Varianten.
Das ist hier aber nicht das Thema. Drehers „Option Benedikt“ richtet sich ausdrücklich an die Menschen, die sich dazu berufen fühlen, als Christen in der Welt zu leben – in der Welt, aber doch nicht von dieser Welt. Die „Option Benedikt“ verlangt es, diesen Widerspruch aufzulösen und fruchtbar zu machen – für sich selbst und die Familie, aber auch für andere. Sektenhafte Abschließung ist dazu kein geeignetes Mittel – dazu mehr in weiteren Beiträgen.