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Wie weiter mit Petrus & Co?

Bild: VatricanNewsDas päpstliche Dekret vom 11. Februar, das der Petrusbruderschaft den weiteren Gebrauch der liturgischen Bücher nach dem überlieferten Ritus zugesteht, ist eine erfreuliche Überraschung. Aber in dem durch Traditionis Custodes und die Dokumente aus der Gottesdienstkongregation geschaffenen Umfeld wirft der in dieser Form unerwartete Schritt von Papst Franziskus auch irritierende Fragen auf. Zu groß ist der Widerspruch zwischen dem in diesen Dokumenten ausgedrückten Willen, die überlieferte Liturgie aus dem Leben der römischen Kirche zu verdrängen, und der nun ausgedrückten Bereitschaft, die den Bruderschaften von den Vorgängerpäpsten zugestandene Pflege der überlieferten Liturgie und ihrer Spiritualität beizubehalten. Die unmittelbare Gefahr einer Zerschlagung bzw. Spaltung der Priesterbruderschaften erscheint gebannt – insoweit besteht Grund zur Freude. Aber die Werkzeuge zu ihrer Marginalisierung und gesamtkirchlichen Isolation liegen weiterhin bereit, vieles bleibt unklar.

Schon bei der Rede von den Bruderschaften im Plural melden sich Zweifel: Werden wirklich alle Ex-Ecclesia-Dei-Gemeinschaften ein entsprechendes Edikt erhalten, wie das aus dem Kommuniqué der Petrusbruderschaft über das Gespräch bei Franziskus (s. dazu das Interview von Anne Le Pape mit einem der Teilnehhmer des Gesprächs) hervorzugehen scheint – oder wird es hier Unterschiede geben, und wenn ja, welche?

Aber auch für Petrus selbst bleiben viele Unsicherheiten, wenn man den Blick auf die unter Berufung auf TC erlassenen Vorschriften einzelner Bischöfe richtet, die den öffentlichen Gebrauch der überlieferten Liturgie durch die Gemeinschaften scharf einschränken. Das gilt für des Papstes eigene römische Diözese, deren Generalvikar den Petrusbrüdern für die Feiertage des Triduums in ihrer Personalpfarrei den Gebrauch des vorkonziliaren Missales untersagt hat; das gilt für die Anordnung von Kardinal Cupich, am jeweils ersten Sonntag im Monat nur im reformierten Ritus zu zelebrieren; das gilt für das von mehreren Bischöfen ausgesprochene Verbot der Sakramentenspendung nach dem überlieferten Ritus. Und was bedeutet die Empfehlung des Dekretes an die Bruderschaft, die Bestimmungen von TC „so weit wie möglich zu berücksichtigen“?

Hier geht es weiterBleiben die diözesanen Verbote unter Hinweis auf die Autorität der Ortsordinarien weiterhin bestehen, oder sind sie durch das neue Dekret bereits wenige Wochen nach ihrem Erlass widerrufen? Haben die Bischöfe, die sich in die vorderste Front der Gegner der Tradition gestellt haben, mit ihren Erlassen wirklich eigenmächtig gehandelt – was man sich im Fall des römischen Generalvikars nun ganz und gar nicht vorstellen kann – oder sah sich der Papst aus bislang unbekannten Gründen veranlaßt, sich von seinen eigenen Direktiven zu distanzieren? Und welche Gründe könnten das gewesen sein? Die Einsicht in die rechtliche Unhaltbarkeit seines Vorgehens? Der möglicherweise über Erwarten starke passive Widerstand zahlreicher Ortsbischöfe gegen seinen Gewaltschlag? Oder die schlichte Anwendung der Parole „Was schert mich mein Gerede von Gestern“, die Franziskus ja auch sonst vielfach zur Richtschnur seines Handelns nimmt?

Ist mit dem neuen Dekret auch die Behauptung, es gebe im römischen Ritus nur eine einzige Form der Lex Orandi, und das sei die des Missales von Paul VI., schon wieder vom Tisch – oder gibt es nur einen Wechsel in der Wahl der Methode, um das unter dieser Formel angesteuerten Ziel auf einem anderen Wege zu erreichen?

Nicht zum ersten Mal in diesem Pontifikat stellen die Widersprüche im Denkens von Franziskus und die Inkonsistenz seines Vorgehens den kommentierenden Beobachter vor schwer beantwortbare Fragen – von den Herausforderungen, die diese Unberechenbarkeit für die zum Handeln nach den päpstlichen Vorgaben aufgeforderten Kurienfunktionäre und die Verantwortlichen in Bistümern und Priestergemeinschaften bedeutet, ganz zu schweigen. Hat hier gar ein aus dem Gleis gesprungener Jesuit seine Freude daran, auszuprobieren, wie weit er mit der seinem Ordensgründer nicht völlig grundlos unterstellten Forderung nach dem Kadavergehorsam seiner Untergebenen gehen kann? Ist das, was bis gestern weiß war, wirklich heute schwarz, wenn der Obere es befiehlt?

Ein Teil dieser Fragen wird schon in den nächsten Wochen eine (zumindest vorläufige) Antwort finden, etwa wenn die Petrusbruderschaft sich in ihrer römischen Personalpfarrei auf die Feier der österlichen Liturgien vorbereitet. Für andere, grundsätzlichere Fragen bleibt nur die Spekulation. Wir gestatten uns eine solche Spekulation, die von der Voraussetzung ausgeht, daß Franziskus und sein Küchenkabinett nicht wirklich aus Planlosigkeit in einer so widersprüchlich erscheinenden Weise agieren, sondern ein tatsächlich realisierbares kirchenpolitisches Ziel verfolgen.

Dabei nehmen wir drei Sachverhalte ins Auge:

— Erstens die in TC zum Gesetz erhobene Erfindung der These von der Unmöglichkeit zweier unterschiedlicher als Lex Orandi bezeichneten Riten innerhalb der einen römischen Kirche;

— zweitens die weitgehende Einschränkung der Petrusbruderschaft auf die Verwendung der alten Liturgie in ihrem durchaus begrenzten eigenen Raum bei gleichzeitigem Dringen auf die weitgehende Entfernung dieser Liturgie aus dem diözesanen Raum; und

— drittens die gerade in diesen Tagen wieder durch Gespräche mit der Kurie und eine Audienz bei Franziskus unterstrichene (relativ) entgegenkommende Haltung des aktuellen Pontifikats gegenüber der Piusbruderschaft.

Wie geht das zusammen?

Die einzige Antwort auf diese Frage, die den handelnden Personen nicht ein beträchtliches Maß an Unzurechnungsfähigkeit unterstellt, führt uns in eine Spekulation über das Thema „Reservat“ oder, was uns entschieden lieber wäre, „Rituskirche“.

Will Papst Franziskus den überlieferten Ritus, den er weder rechtlich „abschaffen“ noch faktisch außer Gebrauch setzen kann, in ein als kanonische Grauzone gestaltetes Reservat abdrängen, aus dem heraus die traditionelle Lehre und Liturgie möglichst wenig Ausstrahlung auf die der Lex Orandi Pauls VI. und der Theologie der Konzilsgeister verpflichteten modernistisch-römische Kirche entfalten kann? Suchen er – und die Piusbruderschaft – nach einem Weg, den harten Bruch zwischen Rom und Pius zu vermeiden, der unvermeidlich eintreten müßte, wenn die Bruderschaft sich demnächst gezwungen sähe, neue Bischöfe ohne jede Form der Abstimmung mit Rom zu weihen? Wie könnte eine solche „Abstimmung“ aussehen, ohne als Anerkennung auf der einen und Unterwerfung auf der anderen Seite ausgelegt zu werden? Will Franziskus – und mit ihm zweifellos ein beträchtlicher Teil der Kurie – den „anerkannten“ Priesterbruderschaften nicht nur weiterhin Bischöfe verweigern, sondern auch die Weihen durch „römische“ Bischöfe und im überlieferten Ritus erschweren oder ganz unterbinden. Sollen die Bruderschaften dadurch näher an die Pius-Bischöfe und damit weiter in die Grauzone abgedrängt werden? Könnte die Hinnahme einer solchen altrituellen Grauzone – nicht in diesem und wohl auch nicht im nächsten Pontifikat – die Vorstufe zur Entstehung eines Ordinariats oder einer Rituskirche sui iuris sein?

Einige dieser Fragen – etwa eine Regelung für Bischöfe der Piusbruderschaft – werden in absehbarer Zeit eine Antwort finden, andere nicht so bald, und bei der entscheidenden Frage „hingenommene Grauzone im Niemandsland“ oder „anerkannte Eigenständigkeit in Gemeinschaft mit Petrus“ hängt die Antwort nicht nur vom Willen eines Papstes, sondern auch von der Entschlossenheit und dem Durchhaltevermögen der Gläubigen und der Priester ab, die an der überlieferten Lehre und Liturgie festhalten.

Ordinariate oder Rituskirchen werden nicht durch römischen Willensakt aus der freien Luft geschaffen, sondern ihre Grundlagen bilden sich in der vielgestaltigen „Lebenswirklichkeit“ der Kirche und veranlassen früher oder später auch eine widerstrebende Kurie, dem, was bereits lebenskräftige Realität ist, auch eine rechtliche Gestalt nicht vorzuenthalten.

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