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Von „Schisma“ zu „Apostasie“

Bild: aus dem genannten Artikel von LifeSite News,  ALBERTO PIZZOLI/AFP/Getty ImagesIm neuesten Interview von Kardinal Gerhard Müller mit Life-Site-News (inzwischen auf Deutsch bei kath.net) stehen wie kaum anders zu erwarten die Affäre McCarrick und der Eingriff des Vatikans in die Verhandlungen der US-amerikanischen Bischofskonferenz im Vordergrund. In diesem Zusammenhang läßt es der Kardinal keine Sekunde lang an Deutlichkeit fehlen. Mit harten Worten kritisiert er die Tendenz, eindeutig sündhaftes Verhalten – und dazu gehört nun einmal jede Form der Unzucht, und die homosexuelle ganz besonders – hinter einem Nebelvorhang soziologisierender, psychologisierender oder sonstwie zeitgeistabhängiger Phrasen verschwinden zu lassen. Damit sagt er freilich denen, die sich an der traditionellen Lehre der Kirche orientieren, wenig neues – auch wenn diese Lehre in der aktuell geltenden Version des Kirchenrechts (1983) nicht in der Klarheit zum Ausdruck kommt, die in dieser Sache den alten Codex von 1917 kennzeichnete, Dieser enthielt klare Vorschriften zur Disziplinierung und Bestrafung von Priestern, die homosexuelle Verfehlungen begingen. Zur Neufassung von 1983 merkt er an:

Das war ein verhängnisvoller Fehler. Sexueller Kontakt zwischen Personen des gleichen Geschlechts widerspricht vollständig und direkt dem Sinn und Zweck der Sexualität, wie diese in der Schöpfung begründet sind. Sie sind Ausdruck ungeordneten Verlangens und Instinkts und ein Symptom der seit dem Sündenfall zerbrochenen Verbindung zwischen dem Menschen und seinem Schöpfer. (…) Sexuelle Gemeinschaft hat ihren Platz ausschließllich in der Ehe zwischen Mann und Frau. Alles andere ist ist Unzucht und Mißbrauch der Sexualität, sowohl unter Personen des anderen Geschlechts oder in der widernatürlichen Steigerung der Sünde mit Personen des gleichen Geschlechts. Nur wer gelernt hat, sich selbst zu beherrschen, erfüllt die moralischen Voraussetzungen für den Empfang der Priesterweihe.

Noch wichtiger als diese Bekräftigungen der Lehre erscheint uns jedoch ein anderer Gedanke, den der Kardinal an mehreren Stellen des Interviews anspricht: In der Kirche hat sich Atheismus ausgebreitet – das heißt: Angehörige der von Christus gegründeten Kirche, auch in hohen Positionen, glauben in bedeutenden Teilen nicht mehr an Gott!

Dreimal kommt der Kardinal in seinen Antworten auf die Fragen der Journalistin Maike Hickson auf diesen entscheidenden Punkt zu sprechen. Auf die Frage nach einem Ausweg aus der Krise sagt er:

Der Ursprung dieser ganzen Krise liegt in einer Säkularisierung der Kirche und der Reduzierung der Rolle des Priesters auf einen Funktionsträger. Es ist letztlich der Atheismus, der sich in der Kirche ausgebreitet hat, Entsprechend diesem bösen Geist wird die Offenbarung hinsichtlich Glauben und Sitte einer Welt ohne Gott angepasst, damit sie ein Leben nach den eigenen Begierden und Wünschen nicht länger im Wege steht. Nur etwa 5% der Übeltäter (unter den Priestern) können als Pädophile im Sinne einer krankhaften Störung eingeordnet werden. Die große Mehrzahl treten aus eigenem freien Willen und wegen ihrer Immoralität das 6. Gebot mit Füßen und vergehen sich so auf blasphemische Weise gegen Gottes Heilgen Willen.

Zum Kürzel „LGBT“, das von Kurienvertretern in die Arbeitsgrundlage der Jugendsynode eingebracht worden war, führt er aus:

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Die LGBT-Ideologie beruht auf einer falschen Anthropologie, die Gott als den Schöpfer ablehnt. Sie ist im Prinzip atheistisch oder hat nur noch am Rande mit einem christlichen Gottesverständnis zu tun und hat daher in kirchlichen Dokumenten keinen Platz. Dies ist beispielhaft für den schleichenden Einfluß des Atheismus in der Kirche, der für die Krise der Kirche seit einem halben Jahrhundert verantwortlich ist. Unglücklicherweise wirkt er unauhörlich im Geist einiger Hirten, die in einer naiven Vorstellung, modern zu sein, gar nicht das Gift bemerken, das sie täglich trinken und dann auch selbst anderen zum Trinken anbieten.

Und schließlich im Zusammenhang mit der Bestätigung Wucherpfennigs als Rektor der „Philosophisch-Theologischen“ Hochschule der Jesuiten in Frankfurt:

Das ist ein Beispiel dafür, wie sich die Autorität der Römischen Kirche selbst untergräbt und wie die eindeutige Sachkompetenz der Glaubenskongregation zur Seite geschoben wird. Wenn dieser Priester die Segnung homosexueller Beziehungen als das Ergebnis einer Weiterentwicklung der Lehre bezeichnet, für die er weiter arbeitet, bedeutet das nichts anderes als die Präsenz von Atheismus im Christentum. Er bestreitet zwar nicht theoretisch die Existenz Gottes, aber er leugnet Ihn als den Ursprung jeder Sittlichkeit, wenn er das, was vor Gott eine Sünde ist, als einen Segen darstellt.

Und daß der Empfänger des Sakraments der hl. Weihe männlichen Geschlechts sein muß ist nicht Ergebnis kultureller Zeitumstände oder einer positiven, aber veränderbaren kirchlichen Gesetzgebung, sondern es ist begründet im Wesen dieses Sakramentes und seiner göttlichen Einsetzung, geradeso wie das Wesen des Sakraments der Ehe die Verschiedenheit der beiden Geschlechter voraussetzt.

Mit seiner Feststellung, daß im Innern der Kirche und bei einer unbestimmten Zahl ihrer Hirten und Theologen der Atheismus Raum gegriffen hat, geht der Kardinal einen entscheidenden Schritt über unsere bisherige Redeweise vom verschleierten, aber immer offen zu Tage tretenden „Schisma“ hinaus. Auch ohne das Wort selbst in den Mund zu nehmen: Kardinal Müller spricht von Apostasie – und das nicht als von einer theoretisch irgendwo hinter dem Horizont lauernden Gefahr, sondern als von einer sich seit 50 Jahren bei Hirten und Herde ausbreitenden Realität.

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