'Kirche' ohne Sakramente und Priester?
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- 03. November 2022
Das Bistum Mainz hat per Rundbrief das liturgische Formular für einen „Sterbesegen“ veröffentlicht, der auch von Laien erteilt werden können soll. Er soll offenbar an die Stelle des in der Praxis vieler Orte völlig aufgegebenen Sakraments der Krankensalbung/Letzten Ölung treten, dessen Spendung dem geweihten Priester vorbehalten ist. Nachdem kath.net eine theologisch begründete Kritik von Msgr. Schroedel an diesem Vorgehen veröffentlich hat, meldeten sich in den Zuschriften mehrere Leser zu Wort, die mitteilten, daß diese Praxis keineswegs neu sei, sondern in mehreren Diözesen schon seit 10 und mehr Jahren geübt werde. Die von uns hier zum Download verlinkte „Handreichung zum Sterbesegen“ des Bistums Rottenburg-Stuttgart aus dem Jahr 2012 kann das belegen.
Der Bischof von Essen hat in den vergangenen Monaten offizielle Beauftragungen von Laien und vorzugsweise Lainnen zur Spendung der Taufe vorgenommen, und andere Diözesen (bspw. Rottenburg und Aachen) darüber nachdenken wollen diesem Vorbild folgen. Die Beauftragung von Lai:innen zur Assistenz bei der Eheschließung ist zumindest im Gespräch. Auch hier gibt Essen den Vorreiter. Von der Wiege bis zur Bahre werden wir demnächst also von „bischöflich beauftragten“ Laien begleitet – den „Beerdigungsdienst“ (s. Bild oben, mit Verweis auf eine informative Quelle) haben die Verwalter der priesterlosen Kirche auch schon erfunden.
Damit ist für drei der klassischen sieben Sakramente die Spendung durch Priester in Frage gestellt. Da das Sakrament der Buße/Beichte vielerorts praktisch völlig außer Gebrauch gekommen ist und die Firmung – wenn sie überhaupt noch stattfindet – von den meisten Firmanden und Familien nur noch als spirituell entleerter Übergangsritus zum Erwachsenwerden (und Geschenke abgreifen) angesehen wird, muß man feststellen, daß der nachkonziliare Neue Frühling das sakramentale Leben der Kirche in Deutchland in eine tiefe Krise gestürzt hat.
Dabei ist eine mehrfache Differenzierung erforderlich.
Die Taufe kann nach dem Kirchenrecht von jeder Person gültig gespendet werden – falls eine Notsituation das erfordert. Eine offizielle Beauftragung von Laientäufern ist kirchenrechtlich an strenge Voraussetzungen gebunden – die Knappheit im Personalplan gehört nicht dazu. Trotzdem ist eine Taufe, die von einem unter Verletzung von Rechtsvorschriften eingesetzten Taufbeauftragten vorgenommen wurde, dennoch gültig – sofern die für die Taufe selbst bestehenden Formvorgaben eingehalten werden. Das ist schon bei Diakonen und Priestern nicht immer gewährleistet – bei Lai:innen vermutlich noch weniger. Die Taufe wird allerdings nicht nur durch die Einsetzung von nichtgeweihten "Beauftragten" beschädigt. Seit Jahrzehnten wird der Hauptinhalt des Sakraments – die Reinigung von der Erbsünde – in der Pastoral verkleinert und die Sekundärfunktion der „Aufnahme in die Gemeinde“ verabsolutiert.
Das Sakrament der Eheschließung wird tatsächlich überhaupt nicht von einem Priester gespendet, die Brautleute spenden es sich gegenseitg selbst. Die Assistenz des Priesters ist eine rechtliche Regelung der Kirche, von der unter entsprechenden Bedingungen abgesehen werden kann – sofern sichergestellt ist, daß die Brautleute sich darüber im klaren sind, was sie da eigentlich tun. Auch hier ist ohne Beteiligung eines Priesters (auch beim vorhergehenden Brautunterricht) die Gefahr eines Mißlingens der sakramentalen Handlung wesentlich größer, wenn auch schon viele „nachkonziliare“ Priester in ihrem Eheverständnis große Defizite aufweisen dürften.
Die Krankensalbung und die Sündenvergebung in der Beichte können in jedem Fall nur vom Priester gespendet werden – deshalb beansprucht der als Ersatz für erstere konzipierte „Sterbesegen“ auch gar keine sakramentale Funktion, sondern ist reines Placebo. Die Beichte ist demgegenüber im Leben der Gläubigen aufgrund anderer Mechanismen praktisch weitgehend aus der Übung gekomen ist – auch am Totenbett. Außer Übung gerät wohl auch die Firmung, die zwar in der Statistik noch vorkommt, ihren Inhalt jedoch jedoch weitgehend verloren hat. Die traditionell vom Priester als dem Hirten und Vater der Gemeinde vorzunehmende Beerdigung ist kein Sakrament, sondern ein Sakramentale. Der technische Vorgang kann von jedem Totengräber abgewickelt werden – ein wirklicher Ersatz für den Priester ist auch die beauftragte Pfarrreferentin nicht.
So bleiben also von den sieben Sakramenten, die das Konzil von Trient nach einer weit ins erste Jahrtausend zurückreichenden Tradition festgestellt hat, nur noch zwei übrig – der Ordo und die Eucharistie – die nicht in den letzten Jahrzehnten stillschweigend eliminiert oder ihres Inhalts entleert worden sind. Bedroht und angegriffen sind auch sie, was sich nicht zuletzt an der ständig sinkenden Zahl der Priesteramtskandidaten manifestiert. Die Gefährdung des Weihesakraments rührt vor allem von dem unablässig widerholten Anspruch auf die Frauenweihe her. Sie ist, wie Papst Johannes Paul II in Ordinatio Sacerdotalis 4 mit höchster lehramtlicher Autorität endgültig festgestellt hat, unmöglich und würde im Fall einer mit Genehmigung höherer Autorität vorgenommenen Simulation das Sakrament in seinem Wesenskern treffen. Um nur eine der sich hier stellenden Fragen anzusprechen: Könnte ein Bischof, der eine Frauenweihe simuliert, gleichzeitig oder danach auch noch Männern gültig die Priesterweihe erteilen, da er doch offen dokumentiert hat, daß er mit seiner Weihesimulation eben nicht das tut und tun will, was die Kirche tut und stets getan hat?
Die Frauenweihe wäre auch Bestandteil des Angriffs auf die Eucharistie – jede von einer vorgeblich geweihten Frau vollzogene „Eucharistiefeier“ wäre eine sakrilegische Simulation, die der Simulantin und mehr oder weniger gutgläubigen Teilnehmwern großen geistlichen Schaden zufügen müßte. Und es spricht Bände, daß der von Franziskus als Nachfolger des glaubenstreuen Bischof Huonder in Chur eingesetzte Bonnemain sich bislang nicht im Stande gesehen hat, auf eine in seinem Bistum stattgefundene Meßsimulation angemessen zu reagieren. Er hat wohl Wichtigeres zu tun.
Ein anderer Bestandteil des Angriffs auf die Eucharistie wird erkennbar, wenn man das Verschwinden der Beichte in den Blick nimmt. Im Verständnis der meisten Teilnehmer einer „Eucharistiefeier“ – und dieses Verständnis ist nicht vom Himmel gefallen, sondern vom „Geist des Konzils“ und seinen Theologen vermittelt – ist die geschlossene bankweise Prozession zum Kommunionempfang eine Art soziales Event, das die Gemeinschaft um den Tisch des Herrn konstituiert und sichtbar macht. Was ihnen an diesem Tisch geboten wird, wer ihnen dort als Person auf unfassbare Weise entgegentritt, ist aus dem Blick geraten, ist kaum noch bewußt – und wird jedenfalls von den Vorstehern der Eucharistischen Versammlung und der Liturgie Pauls VI. auch nur selten bewußt gemacht.
Wenn also immer wieder zu hören ist, „an der Basis“ könne man die konfessionelle Trennung nicht mehr verstehen und frage dort immer lauter: Warum können wir nicht mit allen Christen oder allen Menschen guten Willens zusammen zum Abendmahl gehen (und etwas leiser:) Warum können wir nicht gemeinsam unsere gemeinsamen Bischöf:innen wählen? Dann hat das seinen realen Hintergund. Die einstmals katholische Kirche des deutschsprachigen Raumes ist auf dem Weg zur Ensakramentalisierung und Protestantisierung weit vorangeschritten – je höher in Hierarchie und Besoldungsstufe, desto weiter.
Natürlich gibt es auch Gläubige, Einzelpersonen und Gruppen, Priester und eine Handvoll Bischöfe, darunter sogar ein (noch) amtierender Kardinal, die die verhängnisvolle Entwicklung ganz oder teilweise durchschauen und versuchen, sich ihr zu widersetzen. Das sind beileibe nicht nur die „Altrituellen“ die sich oft (und mit guten Gründen) aus dem direkten Kampf gegen die Protestantisierung der Gemeinden herausgezogen haben und versuchen, für sich und ihre Familien und für den Erhalt der Tradition in Rückzugsräumen zu überleben. Träger des restlichen Widerstandes innerhalb der Strukturen sind so unterschiedliche Gruppierungen wie das jugendbewegt-charismatische Gebetshaus Augsburg, die nicht nur jugendlichen Aktivisten um die Bewegung für das Leben oder auch der eher im Honoratiorenmillieu verankerte Kongress Freude am Glauben. So viel Unterschiedlichkeit muß sein, schließlich sind wir katholisch, und Inklusitivität gehörte zu unserem Wesenskern, bevor die rahnernden Bergoglianer das Wort aus der Schatzkammer der woken Kirchenfeinde aufschnappen konnten.
Diese und viele andere „immer noch katholische“ Einzelpersonen, Gruppierungen und Organisationen mögen sogar unter den wenigen regelmäßigen (d.h. nach Möglichkeit jeden Sonntag präsenten) Gottesdienstbesuchern eine Mehrheit sein. In den mit Kirchensteuer-Millionen gemästeten offiziösen Medien der Diözesen oder der Bischofskonferenz kommen sie praktisch nicht vor, ihre öffentliche Wahrnehmung ist nahe null – soweit man es nicht vorzieht, sie als „Rechte und Populisten“ kirchlich und gesellschaftlich noch weiter zu marginalisieren. Auf dem Synodalen Weg (und bei römischen Synodalumfragen) waren die „noch katholischen“ Katholiken jämmerlich unterrepräsentiert – und wenn sich dennoch einmal ein paar von ihnen aus der Deckung wagten, wurden sie gnadenlos niedergestimmt, niedergezischt, per Geschäftsordnung ausgegrenzt.
Das stellt nicht zuletzt die Handvoll verbliebener „noch katholischer“ Bischöfe vor die schwierige Frage, wie lange sie denn noch „in Einheit“ mit den Post-Lutheranern stehen wollen. Auch Franziskus wird sich nicht endlos mit frömmelnden Reden einerseits und unfrommen Personalentscheidungen anderers vor der Frage drücken können, ob er es denn eher mit Brandmüller und Müller oder doch lieber mit Bode und Bätzimg halten soll. Beide zusammen, das hätte selbst Peron nicht geschafft. Unterdes entsteht in Mitteleuropa eine Kirche ohne Priester und ohne Sakramente – das ist nicht mehr die Kirche Christi. Eines nicht zu fernen Tages wird der Rom dazu Stellung nehmen müssen, auf eine Frage, die nur mit ja oder nein beantwortet werden kann: „Petrus, liebst Du mich?“. Die Prozesse haben sich derart beschleunigt, daß ungewiss ist, ob Bergoglios Hoffnung aufgeht und er diese Entscheidung seinem Nachfolger überlassen kann.
Da hilft dann auch ein Sterbesegen nicht mehr. Während das Sakrament der Krankensalbung, das vulgo oft als „letzte Ölung“ verkannt worden ist, durchaus nicht nur zur Heilung der Seele, sondern auch zur Genesung des Körpers von Nutzen sein konnte, ist der selbstgemachte Sterbesegen nur ein Hirngespinst einer Organisation, die bereits gestorben und in Verwesung übergegangen ist.
Rette sich, wer kann.