Manuel Fernandez, der Taschenspieler
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- 13. September 2023
Victor Fernández (s. Bild rechts, unten), langjähriger Weggefährte und Ghostwriter von Franziskus, wird in diesen Tagen Amtschef der römischen Behörde für – ja was eigentlich? Dem Namen nach steht er als Beauftragter des Papstes dem Römischen Dikasterium für die Glaubenslehre vor, doch der Inhalt dieser Lehre ist nach 10 Jahren Franziskus kaum noch zu bestimmen. Der Glaube, den die Kirche von Christus und seinen Aposteln empfangen und über 2000 Jahre sorgsam bewahrt und hier und da auch entfaltet hat, scheint es jedenfalls nicht zu sein.
Als Vorgabe für die Erfüllung seines Amtes hat Franziskus dem Fernandez einen Brief mitgegeben, nach dem er „alles anders“ machen soll als seine Vorgänger. Fernandez selbst hat dazu verlauten lassen, daß er sich nicht mehr wie diese Vorgänger primär auf das Lehramt der Kirche in zwei Jahrtausenden stützen will, sondern seine Aufgabe darin sieht, die Neuerungen von Franziskus durchzusetzen. Wörtlich im Interview : „Möglicherweise werden gewisse Fragen in einer Weise beantwortet, die nicht voll das aufnimmt, was Franziskus als das Neue an dieser Sache herausgestellt hat. Aber es reicht nicht, nur hier und da einen Satz von Franziskus zu zitieren, sondern es geht darum, das ganze Denken nach seinen Kriterien umzuformen. Das trifft ganz besonders zu auf die Moral- und Pastoral-Theologie.“
Man geht wohl nicht fehl, wenn man das übersetzt: Vergesst alles, was früher war – ab jetzt müsst ihr Welt und Kirche allein durch die Augen von Franziskus sehen, sonst... Das ist schon per se eine bemerkenswerte Neuerung: Während die Modernisten der vergangenen Jahrzehnte noch damit zufrieden waren, die ganze Vergangenheit der Entwicklung von Kirche und Lehre „aus der Perspektive DES KONZILS“ bzw. dem, was sie dafür ausgaben, sehen zu wollen, soll künftig nur noch die „Lehre“ (oder das letzte Flugzeuginterview) von Franziskus maßgeblich sein – und das vor allem da. wo diese Lehre „Neues“ gegenüber der Offenbarung und der Tradition zum Ausdruck bringen will.
Quasi als theologischen Überbau zu diesem – mit Verlaub gesagt – Unsinn hat Fernandez jetzt in einem weiteren Interview (mit Edward Pentin vom National Catholic Register) die Vorstellung ausgebreitet, sein Papst Franziskus verfüge über ein ganz besonderes und einzigartiges Charisma, das ihn bzw. seine Neuerungen jeder Kritik und jeder Nachfrage entziehe. Dabei jonglierten er mit hergebrachten Begriffen in einer Weise, die seinem Geschick als Taschenspieler jedenfalls ein besseres Zeugnis ausstellen als seiner theologischen Expertise:
Wenn wir von Gehorsam gegenüber dem Lehramt sprechen, so hat das zumindest zwei Bedeutungen, die nicht voneinander getrennt werden können und gleich bedeutend sind. Das eine ist die mehr statische Auffassung, ein „depositum fidei“, das wir schützen und unverletzt bewahren müssen. Aber auf der anderen Seite gibt es zu dieser Bewahrung ein besonderes Charisma, eine einzigartige Gabe, die der Herr nur dem Petrus und seinen Nachfolgern gegeben hat.
In dieser Hinsicht sprechen wir nicht von einem Depositum, sondern von einer lebenden und aktiven Gabe, die in der Person des Heiligen Vaters wirksam ist. Ich habe dieses Charisma nicht, Sie haben es nicht, auch Kardinal Burke hat es nicht – nur Papst Franziskus hat heute diese Gabe. Und wenn Sie mir heute sagen, daß irgendein Bischof die Gabe des heiligen Geistes besitze, über die Lehre des heiligen Vaters zu urteilen, dann geraten wir in einen Teufelskreis – wenn nämlich Jeder beanspruchen kann, die wahre Lehre zu besitzen – der in Häresie und Schisma endet. Bedenken Sie, daß Häretiker immer glauben, die wahre Lehre der Kirche zu kennen. Unglücklicherweise verfallen heute nicht nur einige Progressisten in diesen Irrtum, sondern auch einige traditionalistische Gruppen“.
Ein bemerkenswerter Versuch von Fernandez, das von Franziskus beanspruchte „Ich bin der Weg, das Lehramt und die Kirche“ zu begründen. Allerdings kann dieser Versuch trotz der zur Schau gestellten Fingerfertigkeit des Autors nicht wirklich überzeugen. Der zukünftige Verwalter des Franziskus-Glaubens drückt sich davor, die ja nicht auf den ersten Blick einsichtige Beziehung zwischen „Depositum“ und „lebender und aktiver Gabe“ näher zu erläutern. Dabei scheint sich hinter dieser „Gabe“ nichts anderes zu verbergen als das Vorhaben zeitgeistkompatibler Neuerungen“. Und mehr noch: Während die bisherige Rede vom „lebendigen Lehramt“ immer noch den Anschein einer gewissen Objektivität wahrte, um beabsichtigte Neuerungen als von der Sache gebotene Weiterentwicklungen der bisherigen Lehre erscheinen zu lassen, privatisiert Fernandez das „lebendige Lehramt“ zu einer ausschließlich dem Papst vorbehaltenen besonderen Gabe, über die dieser anscheinend frei verfügen kann.
So befreit er sich mit einem leicht durchschaubaren Taschenspielertrick von all den Beschränkungen, die in der Vergangenheit das zugegebenerweise schwierige Verhältnis zwischen „Depositium“ und „Entfaltung und Weiterentwicklung“ des Glaubens vor dem Abgleiten in Willkürlichkeit bewahrt haben. Mit dem Begriff der „lebenden und aktiven Gabe“ erklärt Fernandez buchstäblich alles, was der Papst so von sich gibt, zum unmittelbaren Ausfluß der Eingebung des göttlichen Geistes.
Will Fernandez den Katholiken wirklich weismachen, der Heilige Geist habe den Päpsten Johannes Paul II. (mit Ecclesia Dei von 1988) und Benedikt XVI. (mit Summorum Pontificum von 2007) eingegeben, dem seit anderthalb Jahrtausenden gepflegte Ritus der Kirche den vom Modernismus bedrohten Weiterbestand zu sichern – um dann keine 10 Jahre später Franziskus für Traditionis Custodes gegengesetzten Marschbefehl zu geben? Haben sich wirklich nicht nur Moses und die Propheten, sondern auch alle früheren Lehrer und Päpste der Kirche – trotz des ihnen doch nach Fernandez verliehenen besonderen Charismas – gerirrt, wenn sie homosexuelle Orientierung als „der Ordnung widersprechende Neigung“ betrachteten ? Und ist jetzt Franziskus dazu berufen, unter Berufung auf das gleiche Charisma dem amerikanischen Vorkämpfer für die „Regularisierung“ praktizierter Homesexualit Fr. James Martin S.J. in mehreren Handschreiben die besondere Hochachtung für seine segensreiche Arbeit auszusprechen?
Hat sich vielleicht sogar unser Herr Jesus Christus (dem zumindest nach traditionellem Verständnis ein besonders enges Verhältnis zum Heiligen Geist zugeschrieben wird) selbst seinerzeit geirrt, als er den Ehebruch (etwa nach Johannes 8, 11 oder Matthäus 5, 28) als unbedingt zu meidende (d.h. schwere) Sünde kennzeichnet? Hält Fernandez Christus ebenso für lern- und korrekturbedürftig wie das mit Antonio Spadaro S.J. kürzlich ein anderer Papstberater zum Ausdruck gebracht hat? Oder will Franziskus wirklich einen „Irrtum“ Christi korrigieren, wenn er jetzt den „Ehebrechern“ den Weg zum Kommunionempfang öffnet? Kann er für sein angebliches „Charisma“ tatsächlich höheren Rang beanspruchen als das des hl Paulus: „Wer aber unwürdig von diesem Brot isst…“(1. Korinther 11, 29)) - jenes Apostels, dessen in der Tat besonderes Charisma der Kirche seit buchstäblich 2000 Jahren die höchste Autorität verbürgte? Was für ein Verwirrspiel zwischen Geist und Ungeist, zwischen Charisma und Egomanie präsentiert uns hier der künftige Chef jener römischen Institution, die einst als „heiliges Officium“ über die unverfälschte Weitergabe des Glaubens wachte.
Ein weiterer Taschenspielertrick Fernández' mißglückt vielleicht noch unglücklicher als die Gleichsetzung von langsamer, organischer, aus der Traditiongespeisten Entfaltung der Lehre mit von Widersprüchen gekennzeichneter und willkürlich erscheinender Neuerung. Für den künftigen Glaubensverwalter sind nach seinem Interview mit Pentin die „Progressisten“ ebenso Häretiker und Schismatiker wie die „Traditionalisten“, weil beide in seiner verdrehten Optik dem „Charisma“ des aktuell amtierenden Papstes die Gefolgschaft verweigern.
Hinsichtlich der Häretiker ist diese Gleichsetzung kompletter Unsinn: Die Häretiker aller Zeiten beziehen sich nicht auf den jeweils regierenden Papst, sondern widersprechen in unterschiedlichen Positionen der überlieferten Lehre, die sie durch „Neuerungen“ verbessern, oder durch eigene Hirngespinste ersetzen wollen. Damit ähnerln sie viel eher Fenandez und Franziskus mit ihrem „besonderen Charisma“ als den Traditionalisten, die auch dann „rigide und indietristisch“ auf dem Boden der überlieferten Lehre stehen bleiben, selbst wenn sie das in ein Spannungsverhältnis zum gerade regierenden Papst oder einer aktuellen Richtung der Modetheologie bringt. Auch das kann Risiken enthalten - etwa sinnvoll mögliche Entfaltungen oder Verdeutlichungen der Lehre zu behindern. Aber Häretiker können die, die an dem festhalten, was immer, überall und von allen geglaubt worden ist, nie sein.
Aber auch der Vorwurf des Schismas kann gegenüber Traditionalisten, die sich den Hochmut und den Machtansprüchen eines von der überlieferten Lehre der Kirche abrückenden Papstes widersetzen, nicht ziehen: Die auf göttlicher Einsetzung beruhende und in zweitausendjähriger Tradition gefestigte Verfassung der Kirche sieht zwar die Amtsenthebung eines Papstes durch die Gläubigen nicht vor – nicht durch ein Konzil, nicht durch eine Kardinals- oder Bischofsversammlung und erst recht nicht durch ein Plebiszit des Kirchenvolkes. Aber diese Verfassung verpflichtet auch nicht zur bedingunslosen Unterwerfung (etwa im Sinne des von Jesuiten erfundenen „Kadavergehorsams“), sondern eröffnet den geschulten und demütig befragten Gewissen auch Spielräume, sich für den eigenen Verantwortungsbereich Anordnungen zu widersetzen, die dem überlieferten Glauben und der auf die Offenbarung zurückgehenden Tradition widerprechen. Nicht, wer solche Anordnung nicht befolgt, ist Spalter und Schismatiker – sondern, der der sie gibt, und diejenigen, die sie durchzusetzen versuchen.