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Der Papst revolutioniert die Theologie

Bild: Eigene PhotomontageDas bevorzugte Instrument seiner Machtausübung ist für Papst Franziskus das „Motu-Proprio“. Das ist verständlich: Die Anforderungen an Form und Geltungsbereich eines solchen Dokuments sind extrem niedrig: Es gibt praktisch keinerlei einschränkende Vorgaben. Motu proprio ist Gesetz. Es erfaßt das ganze Kirchenrecht, und seine Regelungen treten, wenn der Papst das so will, unmittelbar mit der Veröffentlichung in Kraft. Kein Wunder, daß Franziskus in den bisher 11 Jahren seines Regiments schon mehr als 50 Erlasse in dieser Form herausgegeben hat. Johannes Paul II. erließ in 27 Amtsjahren gerade einmal 30, und Benedikt der XVI. kam in 7 Jahren auf 14.

Nicht alle Motu Proprio Franziskus’ sind gleich gewichtig, aber einige davon werden der Kirche noch auf viele Jahre schwer zu schaffen machen – und nicht nur Traditionis Custodes. Und das selbst dann, wenn ein Nachfolger sie ebenso mit einem Federstrich abschaffen sollte, wie Franziskus sie erlassen hat. Zu dieser verhängnisvollen Sorte, die weit über das Kirchenrecht hinauswirken, gehört zweifellos auch das jüngste Motu Proprio Ad theologiam promovendam, das unter dem Datum vom 1. November erlassen worden ist. Der Überschrift nach handelt es sich dabei um neue Statuten für die Päpstliche Akademie für Theologie. Der Sache nach handelt es sich jedoch um Richtlinien, die die gesamte Ausrichtung der Theologie betreffen, und diese Richtlinie ist ganz eindeutig: Die Theologie soll einen umfassenden „Paradigmenwechsel“ vornehmen – nichts soll, nichts darf so bleiben wie bisher. Eine „Kulturrevolution“ soll stattfinden, so Franziskus wörtlich in Abschnitt 4 – der völlige Bruch mit der Vergangenheit ist das nicht länger bestrittene Ziel.

Auf Ad theologiam revolutionandam also wird sich künftig jeder berufen können, der die von Christus seinen Aposteln anvertraute und von deren Nachfolgern überlieferte Lehre durch die zeitgeistgefälligen Beliebigkeiten des „Bergoglianischen Lehramts“ ersetzen will . Sogar ersetzen muß, wenn wir den neuernannten Kommissar für Theologie und Volksbildung Fernández richtig verstehen, der seine Aufgabe genau darin sieht, dieses „Lehramt“ durchzusetzen.

Wie diese kulturrevolutionäre „Theologie“ aussehen soll, bringt das Motu Proprio in aller Deutlichkeit zum Ausdruck: Hier geht es weiter Bergolianismus in Reinkultur. Das offenbart bereits die Form: Das gerade einmal 4 Schreibmaschinenseiten umfassende Dokument strotzt von Selbstzitaten und Referenzen auf Schriften und Äußerungen von Franziskus. Einmal wird Thomas von Aquin zwar genannt – aber in einem durchaus unklaren Zusammenhang und wohl eher als dekoratives Element. Gleich darauf folgt ein längeres Zitat des politisierenden Religionsphilosophen Antonio Rosmini (1797 – 1855), der zu Lebzeiten mehrfach unter Härsesieverdacht geriet, um dann im großen Aggiornamento nach dem II. Vatikanums wieder als rechtgläubig rehabilitiert, ja sogar in den Rang der Seligen erhoben zu werden. Die Lobby der Konzilsungeister schläft nie. Auf dem Umweg über die Befreiungstheologie hat Rosmini viel zu den Grundlagen des Bergoglianismus beigetragen.

Franziskus zitiert Rosmini hier ausführlich mit einer Gedankenkette, wonach die Theologie primär Ausdruck „intellektueller Nächstenliebe“ sei, welche unter der Leitung der Weisheit mit der Wahrheit zu einem „festen Kreis“ zusammenwüchse. Wir verstehen zwar nicht, was das bedeuten soll, aber wir ahnen, was Bergoglio darunter versteht, wenn er daraus letztlich zu dem Schluß kommt, die Theologie müsse einen Beitrag zum „Neudenken des Denkens“ leisten „nicht abstrakt und ideologisch, sondern spirituell, auf den Knien entwickelt, voller Anbetung und Gebet, ein Wissen, das transzendent ist und gleichzeitig auf die Stimme des Volkes achtet, also eine „Volkstheologie“, die sich gnädig den offenen Wunden der Menschheit und der Schöpfung und innerhalb der Wechselfälle der menschlichen Geschichte zuwendet, der sie die Hoffnung einer ultimativen Erfüllung prophezeit.“

Heiliger Schwurbelius! Vielleicht macht die offizielle Übersetzung des Textes in eine Sprache, die uns mehr liegt als das Italienische, eines Tages diesen Phrasenschwall etwas verständlicher – aber wir fürchten: Genauso ist es gemeint. Schwallend und wallend, rätselnd und raunend. Und das also wäre das „pastorale Siegel“, das die Theologie künftig „als Ganzes“ tragen soll. Dazu noch einmal im längeren Zitat unserer (ungefähren) Übersetzung, der Teil des Textes, in dem wir die Kernaussage zu erkennen glauben:

Ohne einen Widerspruch zwischen Theorie und Praxis zu konstruieren, ist die theologische Reflexion aufgefordert, sich zu einer induktiven Methode zu entwickeln, die von den unterschiedlichen Lebenszusammenhängen und konkreten Situationen ausgeht, in denen die Menschen sich befinden. Sie muß sich von der Realität herausfordern lassen, um in der Verkündigung des Heilsereignisses der Göttlichen Agape, die sich in Jesus Christus mitteilt, die Zeichen der Zeit zu erkennen. Daher muß vor allem der allgemeine Menschenverstand den Vorrang haben, er bildet tatsächlich den theologischen Ort, in dem alle Bilder Gottes existieren, die oft nicht dem christlichen Antlitz Gottes entsprechen, aber immer der Liebe. So stellt sich die Theologie in den Dienst der Evangeliumsverkündigung der Kirche und der Verbreitung des Glaubens, damit der Glaube zur Kultur wird, zum weisen Ethos des Gottesvolkes, zu einem Angebot der menschlichen und der vermenschlichenden Schönheit für alle.“

Daran ist alles unklar, nur eines nicht: Ausgangspunkt der bergoglianischen Theologie ist nicht mehr Gott, der sein Wort zur Erde herabgesandt hat, sondern der Mensch! Dieser Mensch hat die verschiedenen Gottesbilder geschaffen, und Aufgabe der Theologie ist es, diese Gottesbilder so zu zeichnen, daß sie zur Verbesserung der Welt und des Menschen beitragen.

Ein schöner Glaube und ein schönes Lehramt, fürwahr. Da kann es denn auch keine Überraschung mehr sein, wenn im nächsten (und letzten inhaltlichen) Absatz) angekündigt wird, „unter Berücksichtigung der wissenschaftlichen Natur der theologischen Reflexion einen transdisziplinären Dialog mit anderen wissenschaftlichen, philosophischen, humanistischen und künstlerischen Erkenntnissen, mit Gläubigen und Ungläubigen, mit Männern und Frauen verschiedener christlicher Konfessionen und unterschiedlicher Religionen, zu entwickeln“, der uns dann endlich den Glauben beschert, in den alle mit einstimmen können. Sauber induktiv abgeleitet, und von allen Schlacken dessen gereinigt, was ein unaufgeklärtes Zeitalter für das „Wort Gottes“ gehalten hat.

Noch ein Zitätchen aus dem wirklich letzten, dem 10. Absatz mit den administrativen Aussagen: „in perpetuo“ soll dieses Statut der Päpstlichen Akademie und der theologischen Studien der neukatholischen Kirche gelten, für immer und ewig! O heilige Einfalt – oder was für ein gottloser Hochmut.

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