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Sensus fidelium

Gerard David, 1460 - 1523Die wie auch immer zustande gekommene Absage der Teilnahme Kardinal Sarahs an der Kölner liturgischen Tagung 2017 ist ein schlechtes Zeichen. Zusammen mit der nicht nur ungehörigen, sondern klar gegen Kirchenrecht und liturgische Ordnung verstoßenden Reaktion einiger Hierarchen auf die Aufforderung des Präfekten der Gottesdienstkongregation zu einer partiellen Rückkehr zur traditionellen Zelebrationsrichtung ergibt sich ein irritierender Eindruck: Anscheinend sind Wortlaut kirchlicher Ordnungen und amtsgemäße Zuständigkeit ohne Bedeutung, wo es darum geht, einmal errungene Fortsschritte auf dem Weg des Zeitgeist-Mainstreaming zu verteidigen. Eine ähnliche Tendenz ist ja zu beobachten in Bezug auf die Ökumene, die längst zu einem interreligiösen Dialog mit der Bereitschaft zur Aufgabe zentraler Zeichen und Aussagen des Christlichen Glaubens „weiterentwickelt“ wurde. Die gleiche Erscheinung war ja bereits im Zusammenhang mit Amoris Laetitiæ zu beobachten, und in diesem Fall unverkennbar nicht nur mit Einverständnis, sondern auf Anregung des gegenwärtigen Inhabers des Stuhls Petri.

Wo es vor einigen Jahren „nur“ um den unerhörten Vorgang einer Abdankung des Papstes ging, steht nun offenbar die Abdankung des Lehramtes auf dem Programm – paradoxerweise vorgetragen eben unter Beanspruchung dieses Lehramtes.

Die Beurteilung dieser überaus alarmierenden Erscheinung überfordert in jeder Hinsicht unsere Kompetenz. Das kann und darf jedoch nicht dazu führen, sich dieser Entwicklung wehrlos ausgesetzt zu fühlen oder sie gar hinzunehmen. Die Verbindlichkeit des zweitausendjährigen Lehramtes der Kirche ist nicht davon abhängig, ob die jeweilige Autorität sie anerkennt oder zur Disposition stellt. Sie ist gegeben. Das gegenwärtige römische Regiment ist denn auch mehr oder weniger erfolgreich darum bemüht, ein offenes Abrücken und den offenen Widerspruch zu vermeiden. Statt dessen ergeht es sich in Unklarheiten und und Widersprüchlichkeiten, ermutigt es Zweifel und duldet „Modifikationen“ oder „Weiterentwicklungen“ in der Praxis, vorzugsweise unter Berufung auf „pastorale Erfordernisse“. Das ist nun keineswegs originell, sondern entspricht insbesondere für Deutschland einer seit mehr als einem halben Jahrhundert verfolgten Übung, die den Glauben und das Leben der Kirche schleichend vergiftet.

Ein wichtiges Gegengift dazu bildet die – in der Moderne freilich erst wieder anzueignende – Fähigkeit, sich dem Zweifel zu widersetzen. Auch wenn der Zweifel durch römische Dokumente und päpstliche Praxis genährt und angestachelt wird. Jesu Wort „Gehe hin und sündige nicht mehr“ läßt keinen Raum für Zweifel, und des hl. Paulus Aussage „wer unwürdig isst und trinkt, der isst und trinkt sich das Gericht“ wird auch nicht dadurch weniger verbindlich, daß man sie aus dem offiziellen Vortrag des Evangeliums am Gründonnerstag gestrichen hat – lange vor dem argentinischen Regiment.
Es besteht kein Grund, sich an Diskussionen zu beteiligen, die diese Klarheit in Frage stellen. Und eine Liturgie, die sich an dieser Verunklarung beteiligt, stellt sich nicht nur hinsichtlich ihrer eigenen Ansprüche an „didaktische Vermittlung der Geheimnisse des Glaubens“ in Frage.

Bischof Athanasius Schneider hat vor einigen Tagen angesichts der grassierenden ökumenischen Unklarheiten darauf hingewiesen, daß es in der katholischen Kirche hinsichtlich der Irrlehren des „Reformators“ Luther keinerlei Rechtfertigung für Unklarheiten gibt:

„Wir haben bereits eine unfehlbare Antwort auf die Irrtümer Martin Luthers: das Konzil von Trient. Die Lehren des Konzils von Trient zu den Irrtümern Luthers – ich wiederhole es – sind unfehlbar, ex cathedra. Kommentare des Papstes im Flugzeug sind nicht ex cathedra.“

Es ist an der Zeit, sich an dieses unverrückbare Fundament des katholischen Glaubens zu erinnern und es zu nutzen, die wie Samen des Unkrauts gestreuten Zweifel zurückzuweisen. Man muß dazu – auch wenn es in vielem nützlich ist – nicht in jedem Fall bis auf Trient zurückgreifen. Auch dasI. Vatikanische Konzil hat sich noch zu brennenden Fragen der Zeit in einer Weise geäußert, die an Klarheit und Verbindlichkeit nichts zu wünschen übrig läßt. Das gilt in hohem Maße auch noch für den – freilich nicht in sich mit der Autorität ex cathedra ausgestatteten – Katechismus von 1993.

Hier erwächst den Laien, aber auch den Priestern in den Gemeinden, eine besondere Verantwortung. Wo die berufenen Vertreter des Lehramtes nicht bereit sind oder daran gehindert werden, die „gesunde Lehre“ im Sinne des Briefes von Paulus an Timotheus zu verkünden, hat doch das „Fußvolk“ der Kämpfenden Kirche viele Möglichkeiten, sich dieser Lehre zu vergewissern und im eigenen Handeln daran festzuhalten. Auch gegen den Säkularisierungsdruck aus Gesellschaft und Hierarchie.

Für liturgische Kongresse wie den von Köln/Herzogenrath kann das bedeuten, auch ohne ein glanzvolles Pontifikalamt mit einem in die Disziplin der Hierarchie eingebundenen Würdenträger auskommen zu müssen. Für die Gewissheit, an dem festzuhalten, was „immer und von allen“ geglaubt worden ist, ist das ein geringer Preis.

Das „immer und von allem“ erfordert freilich unter den aktuellen Bedingungen eine gewisse Präzisierung, wird doch der „sensus fidelium“ von denen, die ihn nicht teilen, gerne benutzt, um Zeitgeistigkeiten beliebiger Art unter Berufung auf die „heutige Lebenswirklichkeit“ über das zeitlose Dogma zu stellen. Mit den Gläubigen sind und waren hier immer diejenigen gemeint, die bereit sind, für ihren Glauben das Kreuz Christi auf sich zu nehmen – bis zum Martyrium.
Nicht die, die es gerne auch einmal ablegen, wenn das für den Phototermin mit einem Vertreter des Antichristus geraten erscheint.

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