Optionen gegen Liturgie
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- 16. Mai 2017
Peter Kwasniewski lenkt in seinem neuesten Beitrag auf New Liturgical Movement den Blick auf ein bemerkenswertes Phänomen: Die Vielzahl der Optionen, die der novus ordo ganz gegen die Tradition des römischen Ritus in die Liturgie eingebracht hat, führt in der Praxis nicht zu einer Bereicherung, sondern zu einer Verarmung der Liturgie. Zumindest hinsichtlich der legalen Möglichkeiten, muß man gleich ergänzend feststellen, denn im Bereich dessen, was nicht erlaubt oder sogar ausdrücklich verboten ist, ist der Wille zur und die Akzeptanz von Vielfalt ungehemmt.
Als Beispiele für den Optionenschwund nennt Kwasniewski die nach Missale und Institutio Generalis teils ausdrücklich zugelassenen, teils sogar präferierten Möglichkeiten zur Eröffnung der Messe mit einem expliziten Schuldbekenntnis, der „langen“ (d.h.ohne die erlaubten Kürzungen vorgetragenen) Lesungstexte, der Verwendung des gregorianischen Gesangs oder der lateinischen Sprache, die kniend empfangene Mundkommunion, die Zelebration „ad Dominum“ - jeder kann die Liste aus eigenen Erfahrungen ergänzen. Wo Priester von diesen Möglichkeiten Gebrauch machen, geraten sie vielfach unter enormen Rechtfertigungsdruck oder werden von ihren Oberen zurückgepfiffen.
Als Ursache dieser Erscheinung benennt Kwasniewski einen „Imperialismus der Neuerungen“ und stellt fest, „die Katholiken der Gegenwart haben sich in eine fast auswegslose Lage gebracht, in der sie nur noch das, was „neu“ oder „anders“ ist, als Ausdruck des angebrachten Handelns empfinden“ könnten.
Das ist sicher zutreffend, greift aber hinsichtlich eines ganz wichtigen Aspektes zu kurz. Dieser Aspekt wird greifbar, wenn man den Blick darauf lenkt, daß es zwar regelmäßig zu Ärger mit progressiven Aktivisten oder Oberhirten kommt, wenn Priester oder Gemeindemitglieder die „unzeitgemäße“ Optionen wählen, daß aber ebenso regelmäßig selbst gröbste Mißbräuche und Verstöße gegen alle liturgischen Vorschriften unbeanstandet bleiben, wenn sie aktuellen Trends einer vom Glaubensverlust erfassten Theologie entsprechen.
Das ist mehr als bloße Modeabhängigkeit, darin äußert sich ein Programm. Die Liturgie wird ganz bewußt und gezielt als Werkzeug zum modernistischen Umbau des Glaubens in Dienst genommen. Von daher haben die Vertreter der Neuerungssucht ganz zu Recht weder Hemmungen noch gar ein schlechtes Gewissen: Ihnen ist klar, daß die mehr der Tradition zuneigenden Optionen von der herrschenden Richtung nur als Versatzstücke aufgenommen worden sind, um die in ihren religiösen Grundüberzeugungen stets konservativen Gläubigen über die Tiefe des gewollten Bruches hinwegzutäuschen. Figuren wie der im deutschsprachigen Raum enorm einflußreiche Emil Lengeling haben daraus auch nie einen Hehl gemacht.
Jetzt, wo wir auf das 50. Jahr der modernistischen Liturgiereform zugehen, werden die Inhalte dessen, was von den Modernisten dieser Art wirklich gewollt war, schließlich in den höchsten Rängen der Hierarchie sichtbar. Der Abbau jedes als nicht mehr zeitgemäß empfundenen Ausdrucks von Transzendenz bringt den sakramentalen Charakter der Kirche und ihres Handelns unter den Menschen zum Verschwinden. Beichte, Ehe, Priesterweihe, selbst die Eucharistie - alles verblasst. Mit Kritik an „Mißbräuchen“ ist dem nicht zu begegnen – und mit hier und da einer verbesserten Übersetzung oder einer „ad Dominum“ zelebrierten Messe auch nicht. Der (angebliche) Versuch, die Menschen dort „abzuholen“, wo sie sich befinden, hat zu wenig anderem geführt als sich an ihrem jeweiligen Aufenthaltsort gemütlich einzurichten.
Wer darauf aus ist, sie wirklich aus dieser Art von Gemütlichkeit herauszuholen und den verstellten Blick auf die Transzendenz Gottes wieder zu öffnen, kann nichts besseres tun, als sie der wirklichen Liturgie der Kirche auszusetzen. Wenn das für manche ein Schock wäre, umso besser: Terribilis est locus iste (Gen 28,17). Der brennende Dornbusch (Mos 2; 3) war kein Lagerfeuer, und wohlige Selbstbestätigung gibt’s im Dritte-Welt-Laden.