Participatio actuosa
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- 14. August 2017
Nein – die Zahl der Kreuzzeichen und die Tiefe der Verneigungen ist nicht unbedingt ein Anzeiger der Frömmigkeit, und deshalb geht es im Folgenden auch nicht darum, das den Konservativen gerne unterstellte Spiel „wir sind aber frömmer als ihr“ zu spielen. Es geht darum, der üblen Angewohnheit vieler nachkonziliar sozialisierter Religionslehrer, Katecheten, Journalisten und Prediger zu widersprechen, bei jeder passenden oder unpassenden Gelegenheit so zu tun, als ob die Kirche erst nach DEM Konzil zu ihrem wahren Wesen gefunden hätte.
Konkreten Anlaß dazu bietet ein alles in allem durchaus passabler Artikel auf Katholisch.de über die Gesten, mit denen Katholiken die Teilnahme an der Liturgie ausdrücken: Kreuzzeichen, Verneigungen, Kniebeugen... Dämlich ist natürlich die Überschrift: „Cross-fit“ im Gottesdienst, und das wird nicht besser, wenn der Vorspann im Ton von Fitness-Werbung fortfährt: „Bewegungsfaul dürfen Katholiken nicht sein“ – hach, was sind wir mal wieder auf der Höhe der Zeit. Danach gutes und richtiges – bis zum letzten Satz: So „bringen die Gläubigen und die Gemeinde durch ihre dynamische Bewegung die Teilnahme zum Ausdruck. Und das ganz im Geist der Liturgiereform im 20. Jahrhundert, der "Participatio actuosa" (lat. Tätige Teilnahme).“
Und vor dieser „Reform“ war das nicht so? Wenn wir von Zahlen sprechen wollten, würden jedenfalls Zahl und Umfang „vorkonziliarer“ Gesten die aktuelle Praxis deutlich übetreffen – von den ostkirchlichen Gewohnheiten ganz zu schweigen. „Tätige Teilnahme“ durch Gesten und Bewegungen des Körpers, als participatio actuosa durchaus nicht zum ersten Mal in einem Lehrschreiben von Papst Pius X. aus dem Jahr 1903 angesprochen, gehört seit undenklichen Zeiten zur Praxis des Gottesdienstes der Kirche.
Redakteur und Redaktion hier der Geschichtsfälschung zu beschuldigen, wäre wohl bei diesem Gegenstand nicht nur leicht überzogen, sondern auch ungerecht: Der Fälscher kennt die Wahrheit und stellt sie absichtlich falsch dar – das muß man hier und in anderen ähnlichen Fällen noch nicht einmal unterstellen. Das „nachkonziliare“ Alltagsbewußtsein ist so sehr vom Bewußtsein der großartigen Früchte des neuen Frühlings und von seiner eigenen Vortrefflichkeit überzeugt, daß es gar nicht auf den Gedanken kommt, sich näher mit den glücklich überwunden finsteren Zeiten vorher zu beschäftigen. Es ist sich selbst genug.