Bereichsnavigation Themen:

Turmbauer und andere Untote

Der Vatikan hat gestern das Motu Proprio Magnum Principium veröffentlicht, mit dem Papst Franziskus die Kompetenzen der nationalen und regionalen Bischofskonferenzen hinsichtlich der Übersetzung der Messtexte und der allgemeinen Gestaltung der Liturgie erheblich ausweitet. Gleichzeitig nimmt er einige als „Verdeutlichungen“ bezeichnete Änderungen im kanonischen Recht vor, die die Autorität der bisher für die Wahrung der Einheit der Liturgie zuständigen römischen Stellen zu Eingriffen in die von den Bischofskonferenzen vorgelegten Texte entscheidend schwächen.

Inhaltlich kommt der neue Erlaß in keiner Weise unerwartet, entsprechende Planungen sind bereits seit längerem in der Diskussion. Überraschen mag manchen der überaus blumige Ton des Dokuments, der durch die Unbestimmtheit wichtiger Aussagen vielerlei abweichende Interpretationen ermöglicht. Das ist weniger die Sprache südamerikanischer Volxpriester als die Neuer-Frühlings-Poesie mitteleuropäischer Reformeuphoriker der 60er Jahre des vergangenen Jahrhunderts, das nicht vergehen will. Bugnini lebt und strebt, wie unlängst zu vernehmen, nach Infallibilisierung.

So leitet das neue Motu Proprio denn seine Geltung weder aus dem Prinzip des Heils der Seelen noch aus der darauf gerichteten Tradition der Kirche ab, sondern begründet seinen Ausgangspunkt so:

Das große Prinzip, das vom Zweiten Vatikanischen Ökumenischen Konzil aufgestellt wurde und nach dem das liturgische Beten dem Verständnis der Menschen anzupassen ist, erforderte...

Als Autoritäten zitiert das Motu Proprio lediglich die Konzilserklärung Sacrosanctum Concilium und das Reformdokument Sacram Liturgiam von 1965. Auf die später insbesondere von Johannes Paul II. erlassenen Vorgaben zur Eindämmung liturgischer Eigenwilligkeiten wie Pastor Bonus (1988) und vor allem Liturgiam authenticam (2001) geht es nur insoweit ein, daß es pauschal verfügt, frühere Dokumente seien im Licht der neuen Regelungen zu interpretieren. Das kommt deren faktischer Aufhebung nahe, die mühsam eingedämmte Kreativität theologischer Sprach- und Sinnschöpfer wird von lästigen Fesseln befreit. Als zusätzlich konfliktträchtig könnte sich §4 des neuen Gesetzes erweisen, der sehr allgemein vorgibt:

Im Rahmen seiner Kompetenzen obliegt es dem Diözesanbischof, liturgische Vorschriften in der seiner Sorge anvertrauen Kirche zu erlassen, die für alle verpflichtend sind.

Davon abgesehen ergeben sich für die Gemeinden und Gemeinschaften, die der überlieferten Lehre und Liturgie treu bleiben, aus den neuen Vorgaben keine Konsequenzen – zumindest soweit nicht, wie sie am Latein festhalten und keine Übersetzungen verwenden. Die neuen Vorgaben könnten die Motivation, die authentischen lateinischen Texte beizubehalten, auch da stärken, wo diese neuerdings unter dem Ansturm „pastoraler“ Argumente ins Wanken geraten war.

Welche Auswirkungen die weitgehende Kompetenzübertragung an die Bischofskonferenzen auf die tatsächliche Praxis der Gottesdienste nach dem Novus Ordo haben wird, ist schwer abschätzbar. Diese Praxis ließ sich bereits in der Vergangenheit vielfach von Vorgaben nicht beeindrucken, weder von solchen aus Rom noch von solchen der eigenen Bischöfe. Mittelfristig ist allerdings durch die Vergrößerung des Spielraumes für liturgiewissenschaftliche Eifersüchteleien und regionale Eigenwilligkeiten eine Vertiefung bereits bestehender Spaltungen zu erwarten. Langfristig ist zu befürchten, daß nun auch in der katholischen Kirche zentrifugale Kräfte der Art gestärkt werden, wie sie die anglikanische Gemeinschaft zu zerreißen drohen.

Zusätzliche Informationen