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Abschied vom Novus Ordo

Bild: Screenshot aus dem Video auf KethTubeIn der Diözese Florenz, einst eine Perle in der Krone italienischer Bischofssitze und geistliche Heimat von über 800 000 getauften Katholiken, wird in diesem Jahr kein einziger junger Mann in das Priesterseminar eintreten. Für Florenz mag das ein Novum sein – in Deutschland gibt es Diözesen, die schon seit Jahren keinen eigenen Neupriester hervorgebracht haben. Die episkopale Nomenklatura – in Deutschland ebenso wie in Italien – gibt sich wenig beeindruckt: Großpfarreien als administrative „Lösung“ und „Wortgottes-Feiern“ zur gottesdienstlichen Grundversorgung gelten als geeignete Mittel, die „Betreuung“ der Gemeinden sicherzustellen. Letztere haben den großen Vorteil, daß sie auch jetzt schon von Frauen geleitet werden können, solange die uneinsichtigen alten weißen Männer in Rom den Frauen ihr Recht auf Zugang zu allen kirchlichen Ämtern verweigern.Bis dahin muß man sich halt mit Zwischenformen begnügen wie jenem denkwürdigen Weihnachtsgottesdienst der Pfarreiengemeinschaft Retztal im Bistum Würzberg, bei dem Domkapitular Albin Kraemer das (selbsgeschriebene) Hochgebet aus dem Ringhefter im Wechsel mit einer Pastoralreferentin in einer Weise vortrug, die sich nur in kaum erkennbaren Details von der Weise unterschied, in der Priester sich bei der Konzelebration im Vortrag des Hochgebets abwechseln. Vielen Bischöfen sind derlei Rechtsverstöße – so ist aus ihrer regelmäßigen Nichtreaktion auf solche Vorfälle zu schließen – entweder egal, oder sie begrüßen sie sogar. Ausführlichere Informationen zu Reztal bringen kath.net und kathTube.

Geweihte Priester, so die wortlos vorgetragene und dennoch unüberhörbare Botschaft, braucht man nicht wirklich, ja, sie sind wegen der anscheinend dem männlichen Geschlecht unheilbar innewohnenden Toxizität – so die unterschwellige Botschaft der „Mißbrauchsaufarbeitung“ nach Art des Synodalen Weges – künftig kaum noch geeignet, Gemeinden zu leiten. Wir müssen uns neu orientieren, den Frauen endlich den ihnen zustehenden Platz einräumenn. Kein Wunder, daß immer weniger junge Männer es auf sich nehmen, ihrer Berufung zu folgen und bei der Priesterweihe einem Bischof Gehorsam zu loben, der in vielen Fällen selbst dem Kirchenrecht und der Kirchenlehre des Gehorsam verweigert. Das große Florenz und das kleine Retztal sind überall.

Hier geht es weiterUnterdessen vollzieht sich – in diesen Monaten durch Corona beschleunigt – in vielen Gemeinden ein demographischer Wandel, der die Schaffung neuer Realitäten begünstigt. Zumindest zu begünstigen scheint – denn die Realität des hl. Messopfers ist letztlich nicht durch theatralische Aufführungen wie die im Bistum Würzburg zu beeinflussen. Aber genau diese schlichte Wahrheit, daß Realität unabhängig von Willen und Vorstellung ist, wird ja im Zeitalter des Machbarkeitswahns nicht mehr zur Kenntnis genommen.

Die Realität, gerne auch als „Lebenswirklichkeit“ bezeichnet, sieht in vielen Gemeinden so aus, daß die letzten Angehörigen der Generation, die noch „vorkonziliar“ beeinflußt war, praktisch aus Gottesdiensten und Gemeindeleben verschwunden sind – Alter, Krankheit und Tod fordern ihren Tribut. Da sind viele leere Plätze geblieben – wie viele wird durch den modus operandi des alljährlichen Zählsonntags mehr verschleiert als erfaßt, aber Corona hat es an den Tag gebracht: Viele Ortsgeistliche haben so nebenbei ausgeplaudert, daß die von der Obrigkeit verfügten rigiden Teilnahmebeschränkungen für Gottesdienst sie kaum berühren, weil die offiziell zulässigen (sehr bescheidenen) Höchstzahlen schon zu Vor-Corona-Zeiten bestenfalls an Weihnachten erreicht wurden. Aus Bischofsstädten wird kolportiert – zuverlässige Zahlen stehen uns nicht zu Gebote – daß die Gesamtzahl der sonntäglichen Gottesdienstteilnehmer weit unter der Zahl der bei diözesanen Behörden und Einrichtungen tätigen Mitarbeiter liege – von Familienangehörigen ganz zu schweigen.

Im Zuge der „demographischen Entwicklung“ ist aber nicht die Zahl der Gottesdienstbesucher nicht nur stark gefallen – es hat auch eine „Verschiebung“ und „Verjüngung“ des Restes stattgefunden. Die Praxis des Novus-Ordo samt konzelebrierender Pastoralassistentin sieht seit einigen Jahren nicht nur deshalb so aus, wie sie aussieht, weil Pastoren und Pastösen sie ihrer Gemeinde aufs Auge drücken. Die Gemeindemitglieder (oder was davon übrig ist) sind selbst großenteils ja schon in den Geist derr Neukiche hineinsozialisiert und kennen und wollen es inzwischen mehrheitlich genau so. Die wirklich Widerständigen sind zur „Alten Messe“ abgewandert. Wenn die Verantwortlichen des Synodalen Weges von den Erwartungen und dem Druck aus den Gemeinden reden, denen sie nachkommen wollen, ist das nicht gelogen. Die Selbstsäkularisierung hat sich inzwischen auch auf der Ebene der verbliebenen aktiven Gemeindemitglieder voll durchgesetzt – mit den entsprechenden Folgen für Lehre und Liturgie.

Die – für traditionsorinetierte Katholiken - naheliegende Frage, ob eine Messfeier wie in Retztal überhaupt bewirkt, was eine Messe nach katholischem Glauben bewirken kann und soll, nämlich die Vergegenwärtigung des Kreuzesopfers und die Wesensverwandlung der eucharistischen Gestalten – in einem Wort: die Frage nach der „Gültigkeit“ der Zelebration – stellt sich für viele Teilnehmer einer solchen Veranstaltung erst gar nicht. Sie betrachten die „sonntägliche Versammlung der Gemeinde unter dem Vorsitz des Priesters“ in einer ganz anderen Begrifflichkeit, der jede transzendente Dimension abgeht oder doch stark verkümmert ist. Was Priester von Laien und Frauen von Männern unterscheidet, gilt ihnen bestenfalls als Überrest „falschen Bewußtseins“ aus voraufgeklärten Zeiten. Und wenn man ihnen eines schönen Sonntagmorgens als Vosteherin mit allen Rechten eine nette Dame präsentiert wird, werden sie nicht ins nächste Meßzentrum von Pius oder Petrus fliehen, sondern sich darüber freuen, daß endlich auch die Kirche ernst mit der Gleichberechtigung macht und „Zukunftsfähigkeit“ demonstriert.

So wie die Mehrheit der Teilnehmer eines Gottesdienstes im Brandenburgischen es unlängst mit vernehmlichem Wohlwollen quittierte, als ihnen von der Kanzel aus mitgeteilt wurde, daß eine bisher „für die anderen“ allsonntäglich am Ort angebotene alte Messe entfalle und künftig zur gleichen Zeit im 14-tägigen Wechsel der Novus Ordo in Deutsch oder Englisch angeboten werde: Endlich zeitgemäß! Auf dem Weg in die ökumenische Zukunft sind die Reliquien der Vergangenheit und die an ihnen hängen nur llästiger Ballast. Für diese Mentalität ist „Summorum Pontificum“ von Papst Benedikt um Jahre zu spät gekommen. Die Tradition hat keinen Wert in sich selbst, im Gegenteil. Sie muß überwunden werden, und wo sie nicht von selbst abstirbt, muß man eben nachhelfen. Die Frage nach der Einheit der Kirche in ihrer Gegenwart und mit ihrer Geschichte stellt sich erst gar nicht; der Fortschritt fahrt nur auf einem Gleis – Vorwärts immer, rückwärts nimmer. Das „katholisch“ so nicht funktioniert, hat ihnen nie jemand gesagt.

Für Katholiken, die einfach nur katholisch bleiben wollen, ergeben sich aus dieser Situation besondere Herausforderungen.Sie müssen auf der einen Seite zur Kenntnis nehmen, daß die Spaltung auf allen Ebenen schon viel weiter und tiefer geht, als man sich oft einzugestehen wagt. Sie müssen auf der anderen Seite daran festhalten, daß die Liturgie nach den Novus Ordo nicht per se den Abfall vom Glauben bedeutet. Auch nach dem Missale des unglücklichen Papstes Paul VI. kann die Messe würdig und wirksam zelebriert werden – selbst wenn das mit jedem Schritt der Annäherung an die Zeitgeister schwieriger und unwahrscheinlicher wird. Im übrigen erscheinen gerade deshalb die Tage dieses Ritus gezählt zu sein. Aber er wird auf andere Weise verschwinden, als das bisher viele gehofft oder angenommen haben. Eine Rückkehr zur überlieferten Liturgie wird es für die Mehrheit der kleinen Minderheit, die heute noch die Kirchen des Novus Ordo besucht, nicht geben. Und die Gemeinden des NO werden auch nicht austrocknen, so daß nur noch Gemeinden der katholischen Tradition übrig blieben. Zusammen mit der ganzen anderen Zeitgeisterei hat die neue Liturgie eine Dynamik in Gang gesetzt, die ständig über sich selbst hinausgehen will, tatsächlich auch hinausgehen muß, wenn sie als gesellschaftliche Organisation in der mehrheitlich neuheidnischen Gesellschaft überhaupt wahrgenommen, geduldet und am Ende auch noch alimentiert werden will. Ist es vorstellbar, daß eine auf die Dogmen der Gleichstellungsideologie verpflichtete Organisation auf Dauer das Frauenpriestertum verweigert? Ist es denkbar, daß Dogmen und Glaubenssätze und der Gedanke der Erlösungsbedürftigkeit des Menschen bewahrt werden, wenn die Gesellschaft, der man sich immer mehr anschmiegen will, ganz anders denkt und funktioniert?

Anfang der 60er Jahr hat mit selbstgeschriebenen liturgischen Texten, eigenwilligen Zeremonien und Messfeiern aus dem Ringhefter im sakralen Zentrum der Kirche eine Säkularisierungsbewegung Platz gegriffen, die einige Vertreter der liturgischen Reformen mit dem Novus Ordo einzuhegen versuchten, während andere eben darin „den Anfang eines Anfangs“ (Rahner zum Konzil) sahen, den es voranzutreiben galt. Sie haben sich durchgesetzt. Und wenn jetzt die Ringhefter und fliegenden Blätter erneut am Altar auftauchen, hat das nicht nur symbolische Bedeutung. Die „alte Form“ – und diesmal ist das die von 1969 – wird dem „neuen Geist“ zu eng. Neues pocht auf sein vom Weltgeist verliehenes Vorfahrtsrecht und wird Wege finden, sich zur Geltung zu bringen. Wer sollte dem widerstehen? Das halbe Hundert neue Priester, die für Deutschlands Bistümer derzeit jährlich noch geweiht werden, und die in ihrem Studium doch schon auf den Geist der permanenten Reform eingeschworen worden sind? Der einstmals „neue“ Ritus Pauls VI. erscheint vielen Gemeinden und Zelebranten schon heute als ebenso alt und überholt, wie ihren Vorgängern 1965 die hl. Messe aller Zeiten. Die Versuche, über den nicht mehr ganz so neuen Ordo hinauszugehen und ihn schließlich hinter sich zu lassen, werden an Zahl und Wirksamkeit zunehmen. Und es ist durchaus denkbar, daß eines nicht allzu fernen Tages die Priester und Gemeinden, die nach dem Missale Pius V. zelebrieren, und die wenigen, die sich noch treulich nach dem Pauls VI. richten, mehr Gemeinsamkeiten entdecken, als sie sich heute vorstellen können.

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