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Der Gefangene im Tabernakel

Die unten übersetzten Ausführungen fanden wir gestern in Fr Hunwicke's Mutual Enrichment, dem Blog des scharfzüngigen Liturgiewissenschaftlers aus dem Ordinariat unserer Lieben Frau von Walsingham. Seinen Überlegungen haben wir nichts hinzuzufügen - und bei der Übersetzung natürlich auch nichts wegzunehmen.

Es beginnt ein langes ZitatIn der ordentlichen Form macht der Priester eine Kniebeuge vor dem Allerheiligsten Sakrament nur, wenn er zu Beginn der Messe an den Altar tritt, und dann wieder direkt nach der Messe vor dem Rückweg zur Sakristei. Für mich könnte man die Körpersprache dieser Zeremonie in der Umgangssprache ungefähr so wiedergeben: „Guten Morgen, Herr - schön, daß du hier bist. Du siehst, ich erweise dir die schuldige Ehre. Aber jetzt muß ich dich für eine Weile ignorieren, das macht dir sicher nichts aus, denn ich habe wichtige Dinge zu tun. Dabei muß ich dir den Rücken zuwenden und mich auf einige Einrichtungsstücke konzentrieren, die keinen räumlichen Zusamenhang zu dem Ort haben, den wir dir zugewiesen haben. Tatsächlich werde ich mich sogar eine geraume Zeit lang mit dem Rücken zu dir hinsetzen. Aber mach dir nichts draus, bevor ich wieder in die Sakristei zurückgehe, werde ich mich in aller Form von dir verabschieden.“

Ich bin mit dieser Haltung nicht wirklich vertraut. Ich habe nie für längere Zeit in einer Kirche zelebriert, in der ich dem Tabernakel den Rücken zuwenden musste. Manchmal habe ich gen Osten zelebriert, wie in S. Thomas oder den unrenoviert gebliebenen Kirchen in Devon während meiner Zeit in der Church of England. Manchmal, wie in meinen Jahrzehnten in Lancing, habe ich zwar in Richtung zum Volk hin zelebriert, aber die Kirche dort ist nach Größe und Ausstattung eher eine Kathedrale mit dem Allerheiligsten in einer eigenen Sakramentskapelle. Die allgemein übliche moderne Anordnung scheint mir die liturgische Theologie der 70er Jahre zu predigen - und das recht wirkungsvoll. Für diejenigen unter uns, die Papa Ratzingers kritische Würdigung der Vorstellungen dieser Zeit teilen, ist diese Anordnung sicher wenig hilfreich. Natürlich kann man auch dort Gottesdienst feiern, vielfach gibt es ja auch gar keine andere Wahl, aber man zelebriert dann eben „gegen den Strich“ des ganzen baulichen Umfelds, davon eher behindert als unterstützt.

Dieses Umfeld bildet eine Apotheose dieser liturgischen Kultur des geschlossenen Kreises, die Benedikt XVI. kritisiert hat, in der die Eucharisitie scheinbar aus der Mitte der versammelten Gemeinde hervorgeht, die rituell alles, was außerhalb ihres Kreises liegt, auszuschließen scheint. Das ist - meinem fehlbaren Urteil nach - noch weitaus schlimmer als versus populum ohne Tabernakel, weil in dieser modernen Anordnung der Tabernakel der sakramentalen Gegenwart des Herrn selbst von der Raumgestalt außerhalb des geschlossenen und exklusiven rituellen Kreises gestellt wird. Ich möchte nicht als einer erscheinen, der sich für die Entfernung des Tabernakels aus der Sichtachse einer Kirche ausspricht ... aber erinnern wir uns daran, wie das bei den guten altmodischen Pontifikalämtern war. Damals hatte man ein instinktives Gefühl dafür, daß die vielerlei Ehrenbezeigungen gegenüber dem Prälaten nicht zu dem Respekt passten, den man dem allerheiligsten Sakrament erweisen sollte, und daher ließ man den Tabernakel während des Pontifikalamtes leer. Wenn also das Allerheiligste tatsächlich in der Sichtaxe des Altarraums aufbewahrt wird, stellt das für mich die Behandlung, dies in der Liturgie erfährt, wie sie in den 70er Jahren in Mode gekommen ist, doch sehr in Frage.

Es gibt eine gewisse Tendenz der Abwehr eines zu stark lokalisierten Verständnisses der sakramentalen Gegenwart - auf diese Diskussion will ich mich erst gar nicht einlassen. Mir geht es darum, daß Zeichen sprechen. Die Einrichtung einer Kirche ist ein System von Zeichen, die ihre eigene Bedeutung haben - sonst hätten die Liturgiker der 70er Jahre sich nicht soviel Mühe gegeben, all das zu verändern, was sie geändert haben. Und diese Veränderungen scheinen mir fehlbarem Beobachter immer weniger den Anforderungen der Rechtgläubigkeit zu entsprechen.

Dabei verlangt der Novus Ordo an sich diese Kultur keineswegs, und das Konzil verlangte sie noch weniger. Soweit ich mich erinnere, ist es erst wenige Jahre her, daß ein irischer Bischof seine Kathedrale, ein bedeutendes Denkmal der Architekturgeschichte, neu einrichten wollte und sich dabei auf eine angebliche Verpflichtung durch das Konzil berief. Glücklicherweise musste er diese Ansicht vor einem Planungsbeirat vertreten, ... wo zum Vorschein kam, daß er sich wohl etwas geirrt hatte. (Fr. Hunwicke bezieht sich hier auf Bischof Magee und die St. Colemans Cathedral von Cobh. In Deutschland war es dagegen Erzbischof Zollitsch noch 2006 möglich, den historischen Altarraum des Freiburger Münsters unter Berufung auf angebliche Erfordernisse der Liturgiereform zu entstellen. A. d. Ü.) An Orten wie dem Brompten Oratorium wird sichtbar, daß man einen ordentlichen Novus Ordo auch „aufführen“ kann, ohne dafür ein Gebäude zugrunde zu richten, das mit viel Liebe - und Geld - für eine bestimmte liturgische Kultur errichtet worden ist. Und in der Kathedrale von Westminster kann man sehen, wie man - unter dem Einfluss von Cardinal Nichols - zu hoch achtbaren Ergebnissen kommen kann, wenn man die Einrichtung der 70er Jahre ebenso intelligent wie radikal in Frage stellt.

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