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Ein Hochamt für die Armenier

Am vergangenen Sonntag hat der Papst in der Peterskirche zu Rom ein Hochamt Messe „für die Gläubigen des Armenischen Ritus“ gefeiert. Anwesend waren neben Vertretern des armenischen Staates auch der Oberste Patriarch Karekin II. Nersissian sowie Katholikos Aram I. Keshishian, beide von der nicht in Einheit mit Rom stehenden Armenischen Apostolischen Kirche. Das katholische Patriarchat der Armenier war durch den seit der Vertreibung in Alexandria residierenden Patriarchen Nerses Bedros XIX. Tarmouni vertreten. In einer Ansprache  vor dem Hochamt hat der Papst in erfreulicher Klarheit den Völkermord an den Armeniern, dessen Beginn sich in diesen Monaten zum hundertsten Mal jährt, als das bezeichnet, was er ist: Als Völkermord. Er stellte ihn dabei als die erste derartige Katastrophe des 20. Jahrhunderts in eine Reihe mit den Völkermorden durch die Faschisten und die Stalinisten. Dieser politische Aspekt hat verständlicherweise die Frage nach der Liturgie, in der dieses Hochamt „für die Gläubigen des Armenischen Ritus“ zelebriert wurde, in den Hintergrund gedrängt oder gar nicht erst aufkommen lassen. Das sei hiermit nachgeholt.

Das vom vatikanischen Mediendienst in voller Länge zum Abruf angebotene Hochamt war im Prinzip und sieht man einmal von der Dispensierung des Papstes vom Knien oder Singen ab, ein vorbildliches und mit Würde gefeiertes lateinisches Hochamt nach dem Novus Ordo, wie es im Messbuch steht. Die wesentlichen Teile des Ordinariums wurden von Chor und Schola gregorianisch gesungen – Missa de Angelis und einige moderne Einsprengsel. Als Konzelebranten waren der armenische Patriarch und drei weitere Priester am Altar. Sollten noch andere Priester und Bischöfe, die ihren Platz im innersten Kreis hatten, konzelebriert haben, war das durch die sehr auf die Person des Papstes konzentrierte Bildregie nicht erkennbar. Keine Spur von den früher häufigen Massenkonzelebrationen. Die beiden orthodoxen Patriarchen hatten hervorgehobene Ehrenplätze in einem äußeren Kreis, ohne irgendwie den Anschein von Konzelebranten zu erwecken. Sie traten zum Austausch des Friedensgrußes mit dem Papst an den Altar und dann noch einmal nach dem eigentlichen Hochamt zum Vortrag von Botschaften, die teilweise auch politischer Natur waren.

Einen „armenischen“ Einschlag erhielt das Hochamt dadurch, daß neben den üblichen „lateinischen“ Diakonen auch armenisch gewandete Diakone am Altar waren, außerdem waren die Thuriferare und einige weitere Ministranten „orientalisch" statt römisch gekleidet. Armenisch gewandet waren auch zahlreiche als Gäste teilnehmende Würdenträger sowohl aus der Ortodoxie als auch aus dem römischen Umfeld. Dabei standen auf der katholischen Seite die teilweise orientalisch farbenprächtigen, teilweise aber auch schon von römischer Schlichtheit geprägten Gewänder und Kronen in einem gewissen Kontrast zu den vielfach bartlosen und eher jung wirkenden Gesichtern.

Ein weiterer armenischer Akzent erfolgte durch die „musikalische Gestaltung“, die nicht ganz frei von folkloristischem Flair zu sein schien. Um dafür Raum zu schaffen, wurde das Geschehen am Altar erforderlichenfalls für einige Minuten eingefroren. Ein entschieden orientalisches Gepräge erhielt die Liturgie zum Vortrag des Evangeliums: Bei der Evangeliumsprozession waren sämtliche Akolythen und Thuriferare armenisch gewandet, und auch der Vortrag selbst in armenischer Sprache und Melodie, begleitet von einigen offenbar der armenischen Liturgie eigenen Riten. Ein ähnliches Bild dann auch bei der Gabenprozession, bei der je drei Jungen und Mädchen in Nationaltracht Brot und Wein zum Altar brachten, so wie es seit Marini dem Älteren römischer Brauch ist.

Diese „armenischen Elemente“ hatten durchaus den Charakter von Versatzstücken – am deutlichsten erkennbar wurde das in Momenten wie nach dem Evangelium, wo nach dem armenischen „Abgesang" noch einmal der lateinische „Alleluja-Ruf" gesungen wurde, oder bei der Aufforderung zum Friedensgruß, die vom „armenischen“ Diakon in lateinischer Sprache gesungen wurde: „offerte vobis pacem". Die Einbeziehung solcher Versatzstücke entspricht durchaus der Vorstellung der Macher des Novus Ordo, die eben nicht eine weitere Stufe des römischen Ritus entwickeln wollten, sondern die Basis für einen ritus communis, der dann je nach lokaler Tradition und pastoralem Bedarf durch frei gestaltbare Elemente „angereichert" werden sollte. Deshalb wurden bereits in diese Grundform bestimmte Elemente der orientalischen Tradition integriert – die der römischen Liturgie fremde explizite Epiklese vor den Wandlungsworten z.B. oder der Vortrag des Vaterunser durch die ganze Gemeinde und nicht zuletzt das 4. Hochgebet mit seiner deutlichen Anlehnung an die Anaphora des hl. Basilius.Am vergangenen Sonntag wurde allerdings nicht dieses „orientalischste“, sondern das 3. Hochgebet verwandt.

Man kann in dieser „Offenheit des Novus Ordo gegenüber den Riten aller Traditionen ein Zeichen bescheidener Zurücknahme eigener Ansprüche und der Hochachtung vor fremden Überlieferungen und Gepflogenheiten sehen. Genausogut kann man darin aber auch ein Zeichen der Gleichgültigkeit gegenüber Eigenart und Eigenwert der liturgischen und spirituellen Eigenart dieser Traditionen erkennen, das sie auf reine Versatzstücke reduziert, die beliebig miteinander und Neuerfindungen jeder Art kombinierbar sind. Ein besonderer pastoraler Wert ist in dieser Gleich-Gültigkeit gegenüber Form und Tradition der Riten kaum zu erkennen - will man nicht oberflächliche Emotionalisierung zum Kernelement der Pastoral erklären. Und wie es aussehen könnte, falls eines Tages der Papst ein Hochamt „für die Gläubigen des überlieferten Ritus“ feiern wollte, mag man sich gar nicht vorstellen.

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