Gottlob, sie leben jungfräulich!
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- 06. August 2017
(Hier erstmals veröffentlich am 6. August 2014)
Am 6. August 1945 zerstörte die amerikanische Luftwaffe mit der ersten militärisch eingesetzten Atombombe die japanische Großstadt Hiroshima, am 9. August verbrannte Nagasaki im Feuerblitz der zweiten. Da vor allem Nagasaki große Bedeutung für die frühe Geschichte des Christentums in Japan hat, bieten diese Daten den Anlass, einen Blick zurück in diese Geschichte zu werfen, in der Festhalten an Tradition und Traditionen eine besondere Rolle spielte.
Im 16. Jahrhundert hatte sich Japan angesichts der in aller Welt – und oft genug unter christlichem Vorzeichen - Kolonien errichtenden Europäer aus der Weltgeschichte verabschiedet und eine mehr als zwei Jahrhunderte währende Epoche der Abschließung durchgesetzt. Die zuvor von portugiesischen Missionaren begründeten christlichen Gemeinden - für das Ende des 16. Jh. wird eine Zahl von 300 000 Christen angegeben - wurden durch grausame Verfolgungen dezimiert und galten als ausgerottet. Nach der Öffnung des Landes für Ausländer in den 50er Jahren des 19. Jahrhunderts kamen auch wieder erste katholische Priester ins Land, denen freilich von den Behörden jede Missionstätigkeit unmöglich gemacht wurde: Sie durften nur die wenigen ins Land kommenden Ausländer betreuen, Kontakte zu Japanern wurden polizeilich überwacht, Predigten in japanischer Sprache waren verboten.
Im Februar 1865 hatte der Jesuitenpater Petitjean in der Nähe von Nagasaki unter diesen Umständen eine Kapelle auf dem Ōura Hügel errichtet, den er für den Ort des Martyriums der 26 Martyrer von Nagasaki hielt, die dort am 5. Februar 1597 gekreuzigt worden waren. Und er hoffte, auch Nachkommen dieser Martyrer aufzufinden – 17 von ihnen waren japanische Laien, Tertiaren der Franziskaner, gewesen, die meisten verheiratet. Was dann folgte, beschreibt die kurzgefasste „Geschichte der katholischen Kirche in Japan“ von Johannes Laures S.J. aus dem Jahr 1954 so:
Am 17. März sah Petitjean vom Fenster seines Zimmers aus eine Gruppe von 12 oder 15 Personen, Männer, Frauen und Kinder, die sich vor der verschlossenen Tür der Kapelle aufhielten. Ihr respektvolles Verhalten deutete darauf hin, daß es mehr als bloße Neugier war, die sie dorthin geführt hatte. Eine innere Stimme sagte Petitjean, daß er mit diesen Leuten sprechen müsse. Er ging zur Kirche, öffnete die Tür und trat ein – die Japaner folgten ihm. Vor dem Altar kniete der Priester für eine kurze Anbetung nieder. (…) Drei mittelalte Frauen kamen zu ihm, knieten sich neben ihm nieder, und eine von ihnen flüsterte ihm zu: „Wir haben das gleiche Herz wie Du“. „Wirklich?“ fragte der erstaunte Priester, „woher kommt ihr?“. Wir kommen aus Murakami, wo fast alle das gleiche Herz haben.“ Dann fragte eine der Frauen „Wo ist die Statue der Santa Maria“. Statt einer Antwort führte Petitjean die Gruppe zum Marienaltar, und alle knieten gemeinsam nieder, weinten vor Freude und riefen: „Ja, das ist wirklich Santa Maria, seht doch das göttliche Kind in ihren Armen!“
Dann stellten sie ihm viele Fragen Eine der Frauen sagte: Wir feiern das Fest unseres Herrn am 25. Tag des Wintermonats. Man hat uns berichtet, er sei zur Mitternacht dieses Tages in einem Stall geboren worden. Dann wuchs er in Armut und Leiden auf, um in seinem 33. Jahr für uns am Kreuz zu sterben. Gegenwärtig sind wir in der Leidenszeit. Habt ihr auch diese Feste?“
„Ja“, antwortete Petitjean, „heute haben wir den 17. Tag der Fastenzeit“. Dann sprachen sie über den hl. Joseph, den sie als den „Pflegevater unseres Herrn“ bezeichneten.“
Von diesem Tag an kamen ständig neue Besucher zur Kirche auf dem Hügel, so daß die Priester schon befürchtete, daß die Polizei einschreiten und die Christen festnehmen würde.“
Die Befürchtung war berechtigt, und in der Folgezeit waren Treffen nur „unter konspirativen Bedingungen“ möglich.
Dabei stellte sich heraus, daß es in der weiteren Umgebung noch mehrere Weiler mit überwiegend christlicher Bevölkerung gab, weitere „versteckte Christen“ kamen auf vorgelagerten Inseln zum Vorschein, wohin ihre Vorfahren vor 200 Jahren geflohen waren, um den Verfolgungen im Bereich von Nagasaki zu entgehen. Auf einer dieser Inseln lebte der „Katechet“ Peter, der auf die Nachricht von der Wiederkehr der Priester nach Nagasaki bzw. Ōura eilte, um sich selbst von der „Echtheit“ der Missionare zu überzeugen. Wieder nach P. Laures:
Obwohl Peter überzeugt war, daß die französischen Priester von der gleichen Art waren wie diejenigen, die seine Vorfahren fast 300 Jahre vorher bekehrt hatten, wollte er noch mehr wissen, um wirklich sicher zu sein. Daher fragte er, ob die Patres auch „den großen Vorsteher des Reiches in Rom“ anerkennten und was dessen gegenwärtiger Name sei. Mit großer Freude hörte er dann, daß der gegewärtige Papst Pius IX. sei und dieser die Patres ausdrücklich nach Japan entsandt habe. Dann fragte er etwas zögernd: „Und ihr habt keine Kinder?“ um darauf zu hören: „Du und deine christlichen und heidnischen Brüder sind die einzigen Kinder, die Gott uns gegeben hat, denn wir Priester müssen den Zölibat ebenso einhalten wie eure ersten Missionare. Voller Freude rief Peter da aus: „Gottlob – sie leben jungfräulich“. Damit war auch der letzte Zweifel verflogen, daß diese Priester die legitimen Nachfolger der „Pateren“ aus der ersten Periode des Christentums im Lande waren.“
Alles in allem kamen im Lauf der Jahre nach 1865 an die 30 000 „versteckte Christen“ in Japan zum Vorschein, die meisten davon auf der Südinsel Kyushu mit dem Hauptort Nagasaki bzw. auf vorgelagerten Inseln, einige hundert aber auch in abgelegenen Gebieten an der Inlandsee.
Den größten Siedlungsblock mit ca 1300 Gläubigen bildete jedoch tatsächlich die Ortschaft Urakami, in deren Nähe P. Petitjean seine Kapelle gebaut hatte. Urakami wurde später Stadtteil von Nagasaki und 1895 Standort für die erst 1925 vollendete Kathedrale von Nagasaki. 500 m von ihren Türmen entfernt explodierte die Bombe.
Das Bild von der Ōura-Kirche fanden wir auf ojisanjake.blogspot.de - dort gibt es noch mehr Bilder und weitere Informationen.