Quatembertage im Herbst
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- 21. September 2023
Neuveröffentlichung eines Beitrags von 2018
Mittwoch, Freitag und Samstag dieser Woche sind die Quatembertage des Herbstes. Der Name „Quatember“ wird am überzeugendsten auf das lateinische „quattor temporum“ zurückgeführt, denn viermal im Jahr hält die Kirche für den größeren Teil einer Woche inne, unterbricht quasi den Ablauf des Kirchenjahres, und macht das Jahr selbst in seiner naturgegebenen Folge der Jahreszeiten zum Gegenstand der Betrachtung und des Dankes an den, der uns Jahr und Zeit geschenkt hat. Dabei verbindet sich die herbstliche Quatember seit alters her mit dem Erntedank - und seit alters her heißt hier: Weit in vorchristliche Zeiten zurückgreifend auf Brauch und Gebot des alten Testaments.
Mittwoch und Freitag waren schon die Fasttage, deren Einhaltung sich der Pharisäer im Lukasevangelium (18,12) rühmt; das Fasten an diesen Tagen wurde von den frühen Christen lange beibehalten, der Samstag kam später als Vigil vor der Auferstehungsfeier dazu. Eine Markierung der vier Jahreszeiten läßt sich demgegenüber nicht auf das alte Testament zurückführen – dort kennt man lange nur zwei Jahreszeiten, und die vier großen Fasttage des Jahres haben keinen kalendarischen oder kosmologischen Anlaß, sondern beziehen sich auf besondere Ereignisse der Geschichte des Volkes Israel. Das Laubhüttenfest, das in diesem Jahr am kommenden Sonntag beginnt, ist zwar ursprünglich eine Erntedankfest, wird aber primär mit der Erinnerung an den Zug durch die Wüste verbunden – es kennt keine Fasttage. So sind die Quatembertage in ihrer Vierzahl wohl eine genuin christliche Entwicklung auf der Grundlage der Kultur des westlichen Mittelmeerraumes.
Dennoch greift die Liturgie der Quatembertage des Herbstes, wie sie bis ins Missale von 1962 erhalten geblieben ist, bis weit in die frühesten Zeiten zurück. Ganz im Stil der alttestamentlichen Tradition wird in der Herbstquatember in fünf alttestamentarischen Lesungen an drei Tagen die Geschichte des Bundes Gottes mit seinem auserwählten Volk in der Erinnerung an die vom Schöpfer gewährten Wohltaten aus der Natur nachgezeichnet. So können wir in der überlieferten Liturgie der Kirche auch heute noch an diesen drei Tagen den Nachhall der Festwochen um das Versöhnungs- und das Laubhüttenfest Israels hören.
„Abgeschafft“ worden sind die Quatembertage nie; ihre Feier wurde - was vielerorts wohl auf das Gleiche hinausläuft - der Fürsorge der nationalen Bischofskonferenzen anvertraut. Allerdings war Bedeutung und Einhaltung der Quatembern schon vor dem Zeitalter der liturgischen Revolutionen stark zurückggegangen - die Industriegesellschaft hatte für dieses Erbe aus agrarischen Zeiten zunächst keinen Sinn, und dieses Unverständnis schlägt sich auch noch in der aktuellen Kurznotiz des Lexikons des Liturgischen Instituts nieder.
Der seit Jahrzehnten zunehmende Naturkult hat in der Kirche zwar die merkwürdigsten Wucherungen hervorgebracht - zu einer Wiederentdeckung der Quatembertage und der in ihnen ausgedrückten Verklammerung von Heilsgeschichte und Naturabläufen hat er nicht geführt. „Das heilsgeschichtlich orientierte Jahr der Kirche kennt kein Ernte-Dankfest“ schreibt Rupert Berger (wenn man Wikipedia hier trauen kann) im aktuellen Lexikon für Theologie und Kirche. Des ungeachtet werden Erntefest und Herbstquatember insbesondere im Süden Deutschlands, der seine agrarische Vergangenheit noch nicht ganz vergessen hat, auch heute noch in verschiedenen Gemeinden begangen. Generell sind sie jedoch so gut wie vergessen.