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„Führe uns nicht in Versuchung“

Bild: Gefunden auf PinterestEinem „Wunsch“ des Papstes folgend hat die italienische Bischofskonferenz den Text des Vaterunser geändert. Ähnlich wie in Frankreich, wo diese Änderung bereits früher vorgenommen worden ist, beten die Gläubigen künftig „Und verlasse uns nicht in der Versuchung“, denn dem lieben Gott zu unterstellen, er könne Menschen in Versuchung führen – das gehe nun gar nicht. Das Problem: In allen Texten, so nahe sie an die Zeit Jesu selbst zurückreichen und in welcher Sprache auch immer sie abgefasst sind, steht ganz eindeutig die dem heutigen Menschen so unerträglich erscheinende Formulierung „Führe uns nicht in Versuchung“. Die nun vorgenommene Änderung ist eine glatte Fehlübersetzung. Am „ne nos inducas in tentationem“ der Vulgata und seiner griechischen Vorlage führt kein Weg vorbei. Zu dieser Sache selbst ist schon viel geschrieben worden (hier Sandro Magister, hier mit vielen Verweisen Ester vom Beiboot Petri) – dem ist wenig hinzuzufügen.

Aus unserer Sicht stellt sich noch eine andere Frage: Unter welchen Umständen und in welchem Ausmaß sollten überhaupt Gebetstexte, die im öffentlichen Beten der Kirche – also der Liturgie – ebenso wie im privaten Gebetsleben der Gläubigen eine hervorragende Rolle spielen, geändert werden? Können (angebliche) „neue wissenschaftliche Erkenntnisse“ das begründen? Bilden solche Änderungen „Stolpersteine“ für das Gebet der Gläubigen, die ihre Andacht stören? Oder sind solche Irritationen nicht vielleicht sinnvoll und erwünscht, um „mechanische Gewohnheiten und sinnlos gewordene Routinen aufzubrechen“ - wie eine der Lieblingsphrasen der Neuerungsvertreter in allen möglichen Bereichen lautet?

Mit den „neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen“ ist das so eine Sache. Insbesondere dann, wenn sie eine zweitausend Jahre alte Praxis oder Lehre der Kirche in Frage zu stellen scheinen, haben sich solche „neuen Erkenntnisse“ von heute schon des öfteren als die Wissenschafts-Irrtümer von morgen erwiesen. Und wo es seit den Tagen der Kirchenväter eine umfangreiche Literatur zur Erklärung von „Problemstellen“ gibt, mit denen die Kirche über tausend Jahre lang leben und wachsen konnte, sollten sich solche mit dem „Fortschritt der Wissenschaft“ begründeten Eingriffe prinzipiell verbieten.

Ein Italiener – oder Franzose – der heute 70 Jahre oder älter ist, erlebt mit den aktuellen Veränderungen zum zweiten Mal in seinem Leben einen Eingriff in das Grundgebet unseres Glaubens, von dem die Liturgie sagt, daß der Herr selbst es uns gelehrt hat. Wenn er der in gedankenloser Routine errstarrte Lippenbeter ist, für den ihn die Liturgiepädagogen ausgeben, wird er die Änderung entweder ignorieren oder nach kurzer Zeit in eine neue Routine aufgenommen haben. Wenn er sich jedoch irritieren läßt, wird ihn das zunächst aus seiner Andacht herausreißen und ins Grübeln bringen – und eine der Überlegungen, die ihm dabei durch den Kopf gehen, wird die sein, daß auch das Gebet, auch die Kirche und vielleicht auch der Herr selbst nicht das sind, was sie immer waren, sondern Zeiterscheinungen, die der Veränderung und Lenkung durch den eigentlichen Herrn der Geschichte bedürfen: den Menschen, der erkannt hat, was gut und böse, richtig und falsch ist.

Doch wenn man den Reden so mancher Aggiornamento Apostel und Lebendige-Tradition-Verkünder glauben wollte, ist es auch genau das, was sie mit solchen Änderungen bezwecken: „Lebende Tradition“ heißt für sie ständige Veränderung, um der Zeit und ihren Geistern zu folgen.

In Deutschland bleibt uns diese Veränderung beim des Vaterunser zumindest vorerst erspart – wohl nicht zuletzt aus „ökumenischen“ Überlegungen, da mit den Protestanten ein derart brutaler Eingriff in die biblische Textgestalt wohl nicht zu machen ist. Dafür ändert sich mit der Einführung der neuen „Einheitsübersetzung“ zum ersten Adventssonntag so manches andere am gewohnten Wortlaut der Bibel und damit auch der Liturgie. Nicht zuletzt bei den Psalmen, die als vielfach von der Gemeinde gesprochene oder gesungene Gebete für Veränderungen besonders heikel sind. Doch wie uns die Sachverständigen heute erklären, waren solche Änderungen unumgänglich, um den „Jargon der 60er und 70er Jahre“ aus der damals unübertrefflich korrekten und zeitgemäßen Übersetzung zu tilgen.

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