„Benedictus es“ - der große Lobgesang
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- 25. September 2018
Im Beitrag über die Liturgie des Quatembersamstags im September hatten wir die fünfte Lesung dieses Tages – wie die anderen auch – nur unter dem Aspekt angesprochen, was sie hinsichtlich des Tagesthemas vom Gottesdienst und den zum Dienst am Altar Berufenen aussagt. Doch da gibt es noch mehr. Der diese Lesung bildende Hymnus „Benedictus es“ – er ist dem Propheten Daniel entnommene und ist bekannter unter dem Titel „Lobgesang der drei Jünglinge im Feuerofen“ – nimmt im Stundengebet der Kirche einen bedeutenden Platz ein, er wird in allen Sonntagsoffizien als Bestandteil der Laudes gesungen. Darüberhinaus gehört auch zu den wenigen Texten aus dem alten Testament, die Einblicke in die göttliche Schöpfungsordnung geben, die über das in den beiden klassischen Schöpfungsberichten (Gen 1,1-2,4a; Gen 2,4b-3,24) mitgeteilte hinausgehen.
Der am weitesten bekannte erste Schöpfungsbericht nimmt eine konsequent kosmische Perspektive ein und berichtet von der Erschaffung von Licht und Dunkel, der Gestirne für Tag und Nacht, von Himmel, Erde und dem sie scheidenden Wasser, dann der Lebewesen und zum Schluß des Menschen – alles sehr im Großen. Der unmittelbar darauf folgende zweite Bericht in Genesis 2 beschreibt aus einer ebenso konsequent irdischen Perspektive in vielen Einzelheiten die Erschaffung des Paradieses, seiner Länder und Flüsse, Pflanzen und Tiere und des Menschen – bis hin, wie Eva von der Rippe des Adam genommen und den Dingen und Menschen ihre Gesetze gegeben wurden. Beide Berichte haben eine bemerkenswerte Leerstelle: Sie haben nichts zu sagen von der Erschaffung der Engel und der anderen Mächte der unsichtbaren Welt.
Tatsächlich scheint die Erschaffung dieses Bereiches für die Verfasser der kanonischen Bücher der Bibel von einem Tabu umgeben gewesen zu sein. Sie weigern sich, ihm einen bestimmten Tag zuzuweisen, bestehen aber nach der Alttestament-Forscherin Margaret Barker mit Nachdruck darauf, dies sei jedenfalls nicht am ersten Tag gewesen, den man im übrigen besser als einen Tag Null, als einen Nicht-Punkt vor der Erschaffung von Zeit und Raum bezeichnen sollte. Astrophysiker, die Theorien zu der Frage aufstellen, was vor dem „Urknall“ gewesen sei, wissen, daß das ein schwieriges Thema ist.
Der Hymnus der Drei Jünglinge bricht dieses Tabu (ähnlich wie sonst noch Psalm 148) insoweit, als sein gesamter zweiter Teil, der mit dem Anruf: „Benedicite - Preiset den Herrn all seine Werke“ beginnt, diese Werke in Anlehnung an die Reihenfolge der Schöpfungsberichte in breiter Fächerung aufzählt – und an den Beginn dieser Aufzählung stellt er in Vers 58 die in Genesis 1 und 2 ausgelassenen Engel: Preiset den Herrn, ihr Engel des Herrn! Lobet und erhebet ihn über alles in Ewigkeit! Im Sonntagsoffizium wird nur dieser zweite Teil des bei Daniel überlieferten Hymnus gesungen, das „Benedicite“, das mit dem Anruf aller Werke des Herrn beginnt – die Engel eingeschlossen.
Die Liturgie des Quatembersamstags beschränkt sich dem gegenüber auf den ersten Teil, der sich nicht an die Schöpfung, sondern an den Schöpfer selbst richtet und folglich nach den Anfangsworten seiner Verse auch als „Benedictus es“ angesprochen wird: Sei gepriesen o Herr, Gott unserer Väter, der du preiswürdig bist und hochherrlich in Ewigkeit!. In diesen Anrufungen kommt das Alte Testament der Wiedergabe eines Bildes seines Gottes, von dem man sich doch kein Bild machen soll, so nah wie wohl nirgendwo sonst. Die Septuaginta und die Vulgata haben hier unterschiedliche Versionen – das Missale folgt einer noch einmal leicht abweichenden eigenen dritten, wohl auf die Vetus Latina zurückgehenden Fassung, die auf die vollkommene Zahl Sieben kommt:
- Sei gepriesen, Gott unser Vater,
- Sei gepriesen, Name Deiner Herrlichkeit, der heilig ist
- Sei gepriesen im heiligen Tempel Deiner Herrlichkeit
- Sei gepriesen auf dem Thron Deiner heiligen Herrschaft
- Sei gepriesen wegen des Szepters Deiner Göttlichkeit
- Sei gepriesen, der Du über den Cherubim thronend in die Tiefe blickst
- Sei gepriesen, der du über den Flügeln des Windes schreitest und über den Wogen des Meeres.
Die vielen Zeilen des ganzen zweiten Teils des bei Daniel aufgezeichneten Lobgesangs werden dann in zwei so nicht im Bibeltext stehenden Versen zusammengefaßt, die die natürliche und die übernatürliche Welt (und deren Verbindung in erlösten Menschen) ansprechen:
- Es sollen dich loben (benedicant te) alle Deine Engel und Heiligen,
- Es sollen Dich loben die Himmel, das Festland, die Meere und alle die darin wohnen.
Im Stundengebet folgen hier ohne die sonst übliche Doxologie „Gloria Patri...“ die Antiphonen zum Übergang zu Psalm 148, der die irdischen Teilnehmer des Lobgesangs in großer Breite aufzählt. In der Messe des Quatembersamstags, die ganz auf die Herrlichkeit Gottes ausgerichtet ist, erscheint dieser Psalm nicht, stattdessen wird der als Lesung vorgetragene Hymnus mit einer erweiterten Doxologie abgeschlossen:
Gloria Patri et Filio et Spiritui sancto - et laudabili et glorioso in saecula.
Sicut erat in principio, et nunc et semper: et in saecula saeculorum. Amen - et laudabili et glorioso in saecula.