Bereichsnavigation Themen:

Ordo Missae IV: Gloria in excelsis Deo

Bild: Wikimedia Commons, gemeinfreiDas Gloria und das Credo sind zwar erst nach der Zeit Gregors des Großen in die Messfeier aufgenommen worden, haben die bis dahin bestehende Ordnung jedoch dabei in keiner Weise aufgebrochen, sondern im Gegenteil bereichert und abgerundet. Fast noch mehr als die Evangelien – deren zentrale Aussagen sie in konzentrierter Form darbieten – bilden sie inhaltliche Gravitationszentren des ersten Hauptteils der Messfeier, und es ist überaus bedauerlich, daß die Reformliturgie das Gloria faktisch zur Disposition gestellt und das inhaltsreiche große Glaubensbekenntnis mit dem knapperen apostolischen Glaubensbekenntnis austauschbar gemacht hat.

Das Gloria ist ja mehr als ein feierlicher Gesang, der vom Lied der Engel auf dem Feld bei Bethlehem ausgehend die Erinnerung an die Menschwerdung Christi zurückruft. In seiner wohl erst spätmittelalterlichen Form des antiphonalen Chorals zwischen Schola und Gemeinde bildet es ein wichtiges Element von participatio actuosa, lange bevor dieser Begriff von Papst Pius X. ganz im Sinne der Tradition geprägt und später von den Reformern zum Schlüsselbegriff ihrer Neuerungen gemacht worden ist.

Die Ursprünge des Gloria verlieren sich im Nebel der frühesten Geschichte der Kirche. Der Text beginnt mit dem „Gesang der Engel auf dem Felde“ nach dem Lukasevangelium und erinnert in seiner Form zunächst stark an andere Hymnen des Neuen Testaments wie das Magnificat oder die Lobgesänge Simeons und Zacharias‘, deren Wurzeln ihrerseits in den Psalmen und Liedern des alten Testaments liegen. Er setzt diesen Gesang dann fort mit einem Lobpreis der göttlichen Majestät, des allmächtigen Vater- und Schöpfergottes. Dieses Lob des Vaters geht bruchlos über in die anbetende Verehrung des „Domine Fili unigenite“, die den deutlich größeren Teil des Hymnus einnimmt - 13 Zeilen der heutigen Fassung gegenüber sieben, die sich auf den Vater beziehen. Und diese Zeilen enthalten schwergewichtige Aussagen wie das „tu solus Sanctus, to solus Dominus, tu solus Altissimus, die die erhabene Göttlichkeit des Messias Jesus in einer Weise zum Ausdruck bringen, die die Vermutung aufkommen läßt, diese Anrufungen seien nicht nur als Absage an die nach wie vor in vielen Köpfen lebendigen Götter der Heidenwelt zu verstehen, sondern auch als demonstrativer Widerspruch gegen den Arianismus und die anderen christologischen Irrtümer, die die Kirche seit dem 3. Jahrhundert zerrissen.

Hier geht es weiter

Von daher ist das Gloria auch und vielleicht sogar in erster Linie ein Glaubensbekenntnis, überaus passend für das Morgengebet der Kirche, in dem der Hymnus Angelicus zunächst seinen Platz hatte. Nach seiner allmählichen Übernahme in die Messliturgie wurde er offenbar von den Gläubigen mit großer Begeisterung aufgenommen – die versammelte Gemeinde erkennt in dessen Gesang ihren orthodoxen Glauben und bringt das aktiv zum Ausdruck. Umso unverständlicher ist es daher, daß der Hymnus gerade in der Gegenwart, in der die alten christologischen Irrlehren wieder zurückgekehrt sind und tief in die Kirche hineinwirken, mit der beliebten Formel „oder ein anderes geeignetes Lied“ fakultativ gestellt worden ist. In einer Gemeinde, die im ersten Teil ihres Gottesdienstes das „Gloria“ in seiner überlieferten, übrigens in den Kirchen des Westens und des Ostens weitestgehend übereinstimmenden, Fassung singt, wäre das Geschwätz über Jesus als Bruder und Freund oder den weisen Rabbi und Verteidiger der Witwen und Waisen, das manche Predigten kennzeichnet, wohl kaum möglich.

Nach der feierlichen Anrufung „tu solus Altissimus, Jesu Christi“ (über deren Bedeutung für den „Dialog“ mit den Mohammedanern wir hier lieber nicht nachdenken wollen) endet der Hymnus abrupt mit einer nennen wir es „Minimal-Doxologie“ „cum Sancto Spiritu in Gloria Dei Patris“. Die auffällige Abwesenheit der Dritten Person der hochheiligen Dreifaltigkeit in diesem Hymnus hat unterschiedliche Interpretationen und Bewertungen gefunden. Sie laufen meist auf den Versuch hinaus, den Geist als in jeder Anrufung mitgedacht wahrzunehmen – was ja auch nicht völlig unberechtigt – ist und von daher für den Hymnus insgesamt einen trinitarischen Charakter zu postulieren – was uns nicht einleuchtet. Gerade wenn der Hymnus, wie oben vermutet, seinen Ursprung in der Zeit der großen christologischen Auseinandersetzungen nach dem 3. Jahrhundert haben sollte, ist es durchaus denkbar, daß eben diese zentrale Streitfrage seinen Inhalt bestimmte und andere Themen ausgeklammert blieben, ohne daß man dem eine theologische Stellungnahme unterstellen müßte.

Die praktische Abwesenheit der Dritten Person ist nicht die einzige Schwierigkeit dieses Textes. Über das „bonae voluntatis“ des Engelschores sind meterweise Abhandlungen geschrieben worden: Heißt das nun „Menschen guten Willens“ oder „Menschen seiner Gnade“? Unter dem Einfluss des protestantischen Theologen Joachim Jeremias und seiner „kritischen“ philologischen Kunststücke neigt die moderne Theologie weitgehend zur Lesart „seiner Gnade“, und so steht es auch in der Einheitsübersetzung und im deutschen Messbuch. Die Tradition sieht es anders und rückt mit Septuaginta und Vulgata den menschlichen Eigenanteil, der zumindest guten Willen voraussetzt, ins Blickfeld. Absolut einander ausschließend sind die beiden Lesarten wohl nicht.

Eine dritte Schwierigkeit scheint für viele Zeitgenossen das „gratias agimus tibi propter magnam gloriam tuam“ darzustellen. Das deutsche Missale rettet sich in die Wendung „denn groß ist deine Herrlichkeit“ und entgeht so der anscheinend als peinlich empfundenen Zumutung, Gott wegen und für seine Herrlichkeit zu danken, ohne in eine manifeste Fehlübersetzung abzugleiten. Das „Problem“ sagt mehr über die aus, die es empfinden, als über die Sache selbst.

Nach alledem erweist sich das Gloria als ein ganz zentrales Element der Eröffnungsriten der hl. Messe. Stärker noch als die vom Priester gebetete Collecta bildet es die verehrende Einheit der versammelten Gemeinde in ihrem Glauben an Christus, den Sohn Gottes, ab und bereitet sie darauf vor, die Lesungen aus der hl. Schrift im rechten Geiste aufzunehmen. Unwillkürlich denkt man an die in zahlreichen Psalmen gebrauchte Wendung vom „lauten Gotteslob in der ganzen Gemeinde“.

Angesichts dessen stellt sich nur noch die Frage, warum ein so zentrales Element nicht in allen Messen vorgeschrieben ist, sondern Sonn- und Festtagen (von denen das Jahr traditionell über 200 hat) vorbehalten ist und im Advent und in der Fastenzeit ganz unterbleibt. Die Antwort ist eben in diesem Charakter des Jubelchores zu vermuten: Das Gloria hat sich in der Messe quasi von den höchsten Feiertagen und den höchsten Würdenträgern aus verbreitet und wurde deshalb für die Zeiten ohne besonderen Anlaß oder der ernsten Buße mit gutem Grund als weniger angemessen empfunden. Diese Berücksichtigung von Angemessenheit des Anlasses oder dem Rhythmus zeitlicher Abläufe durchbricht nicht die Ordnung des römischen Ritus, sondern gehört mit zu seinen Prinzipien.

Zusätzliche Informationen