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Summorum Pontificum – 14 Jahre

Bild: ArchivVor 14 Jahren, am 27. Juni 2007, ist summorum-pontificum.de ans Netz gegangen. Am Tag zuvor war der lateinische Name für das schon seit längerem erwartete Motu-Proprio zur „Freigabe“ der überlieferten Liturgie bekannt geworden, so daß eine entsprechende Domain registriert und die bereits vorbereitete Technik aktiviert werden konnte. Der erste Beitrag, der übrigens wie alle seitdem erschienenen immer noch erreichbar ist, meldete unter Berufung auf einen Artikel von Paul Badde in der „Welt“, daß der Text des Erlasses bereits vorweg 30 Bischöfen und Kardinälen aus aller Welt übergeben worden sei und die offizielle Veröffentlichung am 7. Juli erfolgen solle. Was denn ja auch eintraf

Die großen Hoffnungen und Erwartungen von damals sind nach dem beispiellosen Amtsverzicht „unseres“ Papstes Benedikt und acht Jahren seines irrlichternden Nachfolgers Franziskus deutlich reduziert – und in diesen Wochen, wo eine einschränkende „Neuinterpretation“ des damaligen Erlasses erwartet wird, noch einmal ganz besonders. Dabei sollte man nicht geringschätzen, wie viel vor allem in den Jahren Benedikts erreicht werden konnte. Weltweit hat sich die Zahl der Orte, an denen die Liturgie regelmäßig im überlieferten Ritus gefeiert wird, vervielfacht – in Deutschland, wo die Ausgangssituation nicht gar so schlecht war, freilich deutlich weniger als z.B. in den USA. Stark angestiegen ist überall die Zahl der sonntäglichen Gottesdienstbesucher – in einigen Bistümern Frankreichs soll sie inzwischen die Teilnehmerzahlen in den Pfarreien übertreffen. Ebenfalls stark angestiegen ist in diesen 14 Jahren die Zahl der Priester, die im Sinne der Tradition ausgebildet worden sind und die überlieferte Liturgie feiern. In der Petrusbruderschaft von etwa 300 auf 500, bei Pius von ca. 550 auf knapp 700; in den kleineren Gemeinschaften und Klöstern bei deutlich geringeren Ausgangswerten prozentual teilweise erheblich stärker, doch unserer Kenntnis nach kann nur das Institut Christus König und Hoher Priester auf eine dreistellige Zahl verweisen. Das Durchschnittsalter dieser Priester liegt um Jahrzehnte unter dem des von Vergreisung (und baldigem Aussterben) bedrohten Diözesanklerus.

Bei allen diesen Instituten ist nach den Seminaristenzahlen für die kommenden Jahre eine Fortsetzung des Wachstums zu erwarten – falls nicht römische Maßnahmen versuchen, die Weihe weiterer Priester dort stark einzuschränken oder ganz zu unterbinden. Ein derartiges Vorgehen wäre nicht ohne Präzedenz: Die Unterdrückung der Franziskaner der Immakulata begann mit dem Verbot von Priesterweihen und der Aufhebung der Seminare, und auch in der paraguayanischen Diözese Ciudad del Este setzte die Unterdrückung des vom damaligen Bischof Rogelio Livieres eingeleiteten Kurses zu einer (birituellen) Neubewertung der Tradition mit dem Verbot weiterer Priesterweihen ein.

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So wichtig die Zahl der Priester und deren Erhöhung in den kommenden Jahren auch ist – eindrucksvoller noch ist das Wachstum der Zahl der Gläubigen, die an den von diesen Priestern gefeierten Messen teilnehmen, bei der Beichte individuelle und in Predigten und Katechese allgemeine Seelenführung erhalten. Neben den bloßen Zahlen hat sich auch die Demographie der Gemeinden höchst erfreulich entwickelt. Viele Gemeinden sind im Durchschnitt sehr jung – zum guten Teil darauf zurückzuführen, daß viele Familien mit vier oder auch mal acht Kindern an den Gottesdiensten teilnehmen. Jugendliche – nicht alle, aber doch eine sichtbare Anzahl – bleiben auch in den schwierigen Jahren um und nach der Pubertät dabei, das „mittlere Alter“ der 30-50 Jährigen ist gut vertreten. Und vor allem: Es gibt dort auch Männer in allen Altersgruppen, in der mittleren oft mehr als Frauen. Verheiratete Männer, die ohne Frau, aber mit einem oder zwei Söhnen an der Hand an der Sonntagsmesse teilnehmen, sind kein seltener Anblick.

Trotz dieser erfreulichen Tendenzen ist das Wachstum im altrituellen Bereich nach der „Freisetzung“ der überlieferten Liturgie vielfach hinter damals geäußerten über-optimistischen Erwartungen zurückgeblieben. In der Rückschau läßt sich besser erkennen, warum solche Hoffnungen nicht erfüllt wurden. Vielfach lag diesen Erwartungen die Vorstellung zu Grunde, daß ein bedeutender Teil der Gottesdienstbesucher in den regulären Gemeinden in der Fülle des Glaubens beheimatet wären und eigentlich nur darauf warteten, einen Gottesdienst besuchen zu können, der diese Fülle stärker zum Ausdruck bringen würde als viele Novus-Ordo-Liturgien. Natürlich gibt es solche Katholiken – aus ihren Reihen speist sich das oben dargestellte Wachstum. Aber es gibt im diözesanen Bereich auch viele Gemeindemitglieder, die sich mit der „reformierten“ Kirche arrangiert haben und deren Erwartungshaltung von dem geprägt ist, was sie seit Jahren vorgesetzt bekommen haben. Wenn ihnen das für die Fortsetzung ihres Engagements nicht ausreicht, dann verschwinden sie lautlos, ohne Protest, und erst recht ohne Kirchenaustritt. Den vollziehen dann eines Tages ihre fast ohne Bindung an Kirche und Gemeinde groß gewordenen Kinder, wenn sie auf ihrer ersten Gehaltsabrechnung den Posten „Kirchensteuer“ entdecken.

Vor allem aber führen hohes Alter und der Tod dazu, daß die Zahl der Gottesdienstteilnehmer in den Diözesen in den vergangenen Jahren spektakulär gesunken ist. Es wächst wenig nach – und die wenigen Jungen, die dazu kommen, sind oft Produkte einer total desorientierten gesellschaftlichen Umgebung, deren Bereitschaft zum „Engagement“ sich früher oder später andere Betätigungsfelder sucht.

So hat sich an vielen Orten, insbesondere in Frankreich, zunehmend aber auch in Deutschland und Italien, eine bedrohliche „demographische Schere“ geöffnet: einem heftigen Rückgang bei Gottesdienstbesuchern und Priestern im reformierten diözesanen Bereich steht ein über die Jahre kontinuierliches Wachstum bei den traditionsorientierten Gemeinden und Gemeinschaften gegenüber. Und „traditionsorientiert“ bedeutet nicht nur eine Anhänglichkeit an traditionelle Formen, sondern auch an die Lehreinhalte, die die Kirche aus der Zeit der Apostel überliefert und organisch entfaltet, aber nie revolutionär verändert hat. Und so kommt es, daß bei den einen manchmal ganze Kirchenbänke von Ehepaaren mit eins, zwei, drei, vielen Kindern beansprucht werden, während anderswo der in Ehren ergraute Liturgieausschuss über die Gestaltung von Segensfeiern für gleichgeschlechtliche Paarungen nachdenkt. Was für ein fruchtloses Bemühen!

Vom immer wieder erwarteten und prognostizierten Aussterben der „einer vergangenen Epoche anhängenden“ Tradis kann überhaupt nicht die Rede sein – statt dessen müssen sich die einst so stolz dem Heute zugewandten Modernen ernsthafte Sorgen machen, ob und in welcher Form sie überhaupt noch ein Morgen erreichen.

Diese Entwicklung läßt dort, wo man die eigentliche Gründung der „Kirche von heute“ erst mit den Texten des Zweiten Vatikanums und der Liturgiereform erfolgt sieht – und das ist wohl eine Mehrheit im Weltepiskopat und der römischen Apparate – alle Alarmglocken schrillen. Eine Revision des seit den 60er Jahren eingeschlagenen Kurses kommt für sie unter keinen Umständen in Frage – Dummheit und Stolz wachsen auf einem Holz. Der Betriebsunfall Benedikt, in dessen Pontifikat zumindest Teilrevisionen denkbar erschienen, wurde schleunigst behoben und ein Nachfolger installiert, der sich dem Ideal der „permanenten Revolution“ verpflichtet sieht. Und während das Pontifikat des an liturgischen Dingen uninteressierten Franziskus derzeit in Chaos und inneren Widersprüchen zu versinken scheint, sehen die Gegner der Tradition offenbar die Gelegenheit gekommen, das lebende Dementi all ihrer Reformträume zum Verstummen zu bringen: Summorum Pontificum soll revidiert, die Ecclesia-Dei-Gemeinschaften sollen an die kurze Leine genommen werden.

Das hat schon bei den ersten Anläufen von 1984 (Quattuor abhinc annos)  und 1988 (Ecclesia Dei efflicta) zur Einhegung und Erdrosselung der Tradition nicht funktioniert, und es wird diesmal bei ganz anderen Kräfteverhältnissen und neuartigen Möglichkeiten von Kommunikation und Gemeindebildung noch viel weniger funktionieren. Den (bisher) in Einheit mit dem päpstlichen Stuhl stehenden Gemeinschaften stehen schwierige Jahre bevor. Mehr noch als schon in der Vergangenheit wird es darauf ankommen, daß die Laien ihre Sache verteidigen – auch wenn das künftig wieder mehr Kraft und Opfer erfordert als in den „guten Jahren“ von Summorum-Pontificum.

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