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Bewahrer oder Bewacher?

Bild: Buchillustration der Zeit‚Traditionis Custodes’ und der Lockdown für die Alte Messe

von Peter Stephan

„Traditionis custodes“ lautet der Titel des neuen Motu Proprio, mit dem Franziskus die Alte Messe de facto unter Quarantäne gestellt hat. Die Wortwahl ist in mehrfacher Hinsicht aufschlussreich. „Custos“ ist die lateinische Vokabel für Wächter. In seiner überwiegend positiven Bedeutung meint sie den „Hüter“ und „Bewahrer“, den „Schützer“ und „Schirmer“. In diesem Sinne ist Christus der „Hüter“ der menschlichen Seele, weshalb der Priester bei der Spendung des Altarsakraments die Worte spricht „Corpus Domini Jesu Christi custodiat animam tuam (Der Leib Christi beschütze deine Seele). Im weltlichen Bereich ist der Kustos der leitende Angestellte eines Museums, der für die Präsentation, aber auch für die sichere Aufbewahrung von Kunstwerken Sorge trägt. Wenn Franziskus in diesem Sinne die Bischöfe als „Hüter der Tradition“ bezeichnet, dies aber mit der Absicht verbindet, die Feier der Alten Messe so weit wie möglich einzuschränken, sie de facto in den Untergrund zu drängen, so ist der Titel des Motu Proprio an Heuchelei und Zynismus nicht zu überbieten. Dann bezeichnet sich jemand als Kustos, der die Altargemälde Alter Meister in die Rumpelkammern und Depots seines Museums verbannt, damit sie kaum jemand zu Gesicht bekommt – und um Platz zu schaffen, für Installationen einer modernistischen Event-Kunst, ganz gleich wie banal und gesichtslos diese ist.

Allerdings hat das Wort „custos“ noch eine zweite Bedeutung. Es kann auch den Wärter und Gefängnisaufseher bezeichnen. Mit diesem zweiten Sinngehalt erweist sich der Titel des Motu Proprio als selbstentlarvend. Die Tradition wird eingekerkert, die Gläubigen, welche die Messe in ihrer überlieferten Form feiern wollen, werden ausgesperrt. Der gregorianische Ritus wird einem Lockdown unterworfen, der vorgibt, Menschen zu schützen, sie in Wahrheit aber (gemäß seiner eigentlichen Bedeutung) „ausschließt“ (englisch „lock“ = Türschloss, Riegel). Vielleicht glauben die hohen Herren in Rom ja wirklich, die Anhänglichkeit an die Alte Messe sei eine Art Krankheit. Vielleicht fürchten sie sogar, der gregorianische Ritus wirke besonders ‚ansteckend’ und könne sich zu sehr verbreiten. Mit Sicherheit sehen sie in der Tradition eine Gefahr für ihr gegenwärtiges System.

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Eine Gefahr für das System witterten auch die Jerusalemer Tempelaristokratie, als sie Jesus gefangen nahm, Herodes, als er Petrus einkerkerte (Apg 12,6-7), und Nero, als er die Apostelfürsten in den Mamertinischen Kerker verbringen ließ. Mit den Restriktionen des neuen Motu Proprio wird Christus, der in der Messe als Opferlamm selbst gegenwärtig ist, gleichsam erneut gefangen genommen. Ebenso befindet sich das Petrusamt unter dem jetzigen Amtsinhaber in einer Art Geiselhaft. Und weite Teile der Kirche marschieren auf dem Synodalen Weg bereits in eine neue captivitas Babylonica.

Doch liegt in diesen Metaphern auch etwas sehr Tröstliches. Das Gottesvolk wurde aus der Babylonischen Gefangenschaft gerettet. Christus ist aus den Fesseln des Todes auferstanden. Petrus wurde vom Engel befreit und später, nach seinem Martyrium in Rom, mit zusammen mit Paulus in die himmlische Herrlichkeit Christi aufgenommen.

Sehen wir im Moto Proprio eine Heimsuchung, die dazu da ist, uns entschlossener zu machen! Der Geist lässt sich nicht in Ketten legen – schon gar nicht, wenn er heilig ist. Wir müssen nur auf seine Kraft vertrauen und uns noch mehr in seinen Gaben üben: in der Erkenntnis, dass die Zeit der Illusionen vorbei ist. In der Einsicht, dass wir alternative Strukturen aufbauen müssen. In dem Rat, unser Geld für den Aufbau neuer Strukturen zu verwenden, anstatt mittels Kirchensteuer gottferne Amtsstrukturen zu unterstützen. In der Weisheit, unsere Kräfte zu bündeln. In der Stärke, Repressalien auszuhalten ohne zu verbittern. In einer Gottesfurcht, die Christus über alles stellt. In der Frömmigkeit, auf den himmlischen Beistand zu vertrauen. „Veni Creator Spiritus“ sangen die Karmelitinnen von Compiègne, als sie während der französischen Revolution von ihren Gefängniswärtern zum Schaffot geführt wurden, weil sie sich geweigert hatten, ihre Ordensgelübde zu brechen. Ihr Gedenktag ist heute, der 17. Juli.

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