Am Rande - Woche 36

Die Piusbruderschaft meldet sich zu Wort

20. 9.

Bild: Von der zitierten Seite der FSSPX

Die Piusbruderschaft und ihr vor über einem Jahr gewählter neuer Oberer haben sich lange Zeit gelassen, eine Stellungnahme zur beschleunigten  Kirchenkrise zu veröffentlichen. In einem ausführlichen Interview mit Fr. Davide Pagliarani ist das jetzt geschehen.


Seinen Ausgangspunkt markiert der Generalobere so:

Viele Katholiken stehen derzeit unter dem Eindruck, daß die Kirche am Abgrund neuer Katstrophen steht. Wenn wir einen Schritt zurücktreten sehen wir, daß bereits das II. Vatikanische Konzil nur möglich war vor dem Hintergrund eines Veralls, der in der Kirche schon seit Jahren vor seiner Eröffnung angedauert hatte. Der Damm brach unter der Einwirkung von Kräften, die schon seit längerem am Werk gewesen waren. Das ist es, was die großen Revolutionen erfolgreich werden läßt: Ihre Gesetzgeber bestätigen und bekräftigen nur eine Situation, die de facto längst besteht - zumindest in Teilen.

In dieser Perspektive und in dieser Tonlage behandelt der Generalobere dann der Reihe nach die Themen Amoris Laetitia, die Kurienreform samt der damit verbundenen Ecclesiologie und die anstehende Amazonas-Synode. Dabei legt er besonderen Wert darauf, den gegenwärtigen Papst nicht als großen Reformer oder gar Revolutionär anzusprechen, sondern als den Papst, der noch konsequenter als seine Vorgänger die in den dokumenten des letzten Konzils angelegten Grundsätze zur Geltung bringt.

An die Kräfte, die sich diesem Kurs widersetzen, richtet er die Aufforderung, sich konsequent zur Ekklesiologie und Theologie, wie sie in der überlieferten Liturgie zum Ausdruck kommen, zu bekennen und von daher ihr Leben und damit auch das Leben der Kirche Christi neu aufzubauen. Die Lektüre des langen und gedankenreichen Textes, der bis jetzt nur auf Englisch vorliegt, ist dringend empfohlen.

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Religionsstifter Marx

18. 9.

Nein - nicht der mit dem Kapital, sondern der Marx aus München (obwohl: ohne Kapital ist der auch nicht. Das macht ihn so siegesicher.) Seine Emminez ließen sich zitieren:

„Laut Kardinal Reinhard Marx steht das Christentum in Europa vor der Aufgabe, eine neue Art des Sprechens über Gott zu entwickeln: "Es geht nicht nur darum, das und jenes zu verändern. Es geht darum, neu voranzugehen und die alte Austauschreligion zu beenden, die in unseren Köpfen und Herzen stark geblieben ist: Da ist jemand, dem muss ich etwas geben". Und:

"Wie können wir heute noch von Gott sprechen? Was wird kommen in den westlichen Ländern, in Europa, nach der Zeit, in der wir vielleicht zu selbstverständlich und oberflächlich das Wort 'Gott' im Mund geführt haben?", fragte der Kardinal und gab mit den Worten des tschechischen Soziologen und Religionsphilosophen Tomáš Halík die Antwort: "Eine lange, lange Reise in die Tiefe." Vielleicht, so der Erzbischof, "treten wir doch in eine neue Epoche des Christentums ein."

Und: "Wir beten und denken, denken und beten, ein denkendes Gebet und ein betendes Denken. Beten ist Aufklärung, nicht Verdunklung, nicht Verengung." Es solle den Menschen nicht "klein machen, sondern ihn frei machen zum eigenen Denken, dazu, die eigenen Erfahrungen zu reflektieren". 

Mit (etwas mehr) Zusammenhang nachzulesen hier.

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Zum Vormerken

17. 9.

In einer seiner amüsanten Glossen hat Fr. Hunwicke gestern wieder einmal einige sehr unterschiedliche Gegenstände auf bemerkenswerte Weise verbunden Er schreibt:

Morgen, am Dienstag, nehme ich mir frei. Wenn Gott will und der treno* es erlaubt, werde ich den großen und äußerst hervorragenden Raymond Leo Kardinal Burke bei seinem Vortrag vor der Englischen Bruderschaft katholischer Geistlicher im Brompton Oratorium hören.

Das ist ein Mann, der wahrhaft den alten christlichen Titel eines Confessors verdient. Ganz vertraulich und unter uns: Ich stelle ihn mir als Leo XIV. vor.

Da fällt mir ein, daß es am 6. Januar 2020 25 Jahre her ist, daß seine Emminenz zum Bischof geweiht wurde und eine apostolische Laufbahn einschlug, die so der Zeit entsprechend, so notwendig und so ertragreich für das Leben der katholischen Kirche war. (Nebenbei bemerkt: Kardinal Burkes bischöfliche Abstammungslinie enthält Prospero Lambertini, bekannt als Benedikt XIV, und Henry Kardinal Stuart, einstens Herzog von York und auch als Henry IX. bezeichnet, von Rechts wegen König von england, Schottland, Frankreich und Irland.)

Kommt die Zeit, findet sich auch der Mann. Man behalte ihn im Auge!

Eis polla ete, despota! Ad multos Annos, plurimosque annos

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* Nun, nach dem Lexicon Recentis Latinitatis wäre das ‚hamaxostichis‘. Aber ich ziehe das linguistisch und philologisch entspanntere Verfahren vor, den modernen italienischen Ausdruck zu übernehmen. Phantasievolle Prägungen nach dem Griechischen riechen mir doch sehr nach der Bibliotheca. Und ich vermute, daß ein schwieriges fünfsilbiges Wort in jeder realen Sprache sehr schnell abgekürzt oder angepasst würde. Sie können ja mit dem hamaxostichus fahren, wenn Sie wollen – ich nehme lieber den treno. Wenn ich mit dem omnibus (dem pasi?) rechtzeitig zum Bahnhof komme ..

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Fundsache

16. 9.

Bild: Scan des Umschlags

Aus dem Jahr 1976 stammt diese kleine Broschüre (52 S.) des späteren Kardinals Leo Scheffczyk, in der er das soeben neuerschienene „Christ sein“ von H. Küng einer ebenso eingehenden wie vernichtenden Kritik unterzieht. Diese Kritik - die einzelnen Hauptpunkte werden bei Klick auf das Umschlagbild lesbar - ist von bestürzender Aktualität: Vom Christus unserem mitmenschlichem Bruder über das demokratistische Kirchenbild bis zur Neigung zum Neuheidentum wird hier schon alles abgehandelt, was der Kirche heute zusetzt.

Und noch etwas wird deutlich: Die neuere deutsche Theologengeneration stützt sich, ob ausgewiesen oder nicht, viel weniger auf den raunend-komplexen Rahner, als auf dessen Volksausgabe im wortklingelnden Küng. Von abseitigen Details abgesehen: Seit den 70er Jahren wenig Neues in Akademia.

Das zum Verständnis der aktuellen Situation überaus hilfreiche Büchlein ist, sofern es sich nicht in einer vernachlässigten Ecke des Büchschrankes spontan einstellt, für kleines Geld im Antiquariatshandel zu bekommen.