Am Rande - Woche 23

Verdrehtes Pontifikat?

(6. 6.)

Bild: Screenshot

 

Andrea Gagliarducci teilt heute in seinem Wochenkommentar eine interessante Wahrnehmung mit: Immer wieder behaupten die Freunde des regierenden Pontifex innerhalb und außerhalb der Kurie lautstark, eine bestimmte seiner Aktionen stelle einen geradezu revolutionären Bruch mit dem bisher üblichen dar - obwohl diese Aktion in Wirklichkeit durchaus in der Kontinuität mit früheren Entscheidungen und seinen Vorgängern steht Anlaß für Gagliarduccis Überlegung ist das neue Gesetz zur Regelung des Vatikanischen Ausschreibungswesens, das im Wesentlichen in der Linie der schon vor Jahren erarbeiteten Vorschläge Kardinal Pells steht und auch bereits von Benedikt XVI. in ähnlicher Weise angestrebt wurde. diese Kontinuitätslinien zeigt Gagliarducci in überzeugender Weise auf.

Allerdings hätte er noch eine weitere Beobachtung machen und beschreiben können: Immer wieder behaupten die Freunde von Franziskus in Kurie und Weltpresse, bestimmte Verlautbarungen oder Aktionen des Papstes stünden doch ganz om Sinne der Tradition - zumindest wenn man diese als „lebendige Tradition“ betrachte - während kritische Beobachter im konkreten Fall einen unübersehbaren Bruch mit altehrwürdigen Traditionen und seit je überlieferten Lehren wahrnehmen.

Offenkundig ist hier ein großangelegtes Verwirrspiel im Gange. In Dingen, die die mehr weltliche Seite des Vatikans betreffen, werden Aktionen Franziskus als "einzigartig zukunftweisend" herausgestellt, selbst wenn schon seine Vorgänger versuchten, hier auf nach den Anforderungen der Zeit zu agieren. Auch Pius XII. verreiste nicht mit der Postkutsche, sondern mit dem Benziner. Doch da, wo es um die Lehre und die sakramentale Substanz der Kirche geht, behaupten die Promotoren radikaler Umbrüche Kontinuität - die Frösche sollen nicht merken, wenn das Badewasser zum Kochwasser wird.

Eine bemerkenswerte Strategie, der nachzugehen für einen Kenner der vatikanischen Interna wie Gagliarducci sicher eine lohnenswerte Aufgabe wäre.

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Nur neoprotestantisch?

(4. 6.)

Bild: Von der Website altemeister.museum-kassel.de/32190

 

Der Neoprotestantismus bricht sich seine Bahn“ hat Peter Winnenmöller seinen Wochenkommentar auf kath.net überschrieben, demn wir in allem zustimmen. Nur gegen die Wahl des Begriffs „Neoprotestatntismus“ haben wir Einwände: So fern, wie das heutige Dreamteam Bedford-Käßmann/Marx-Bätzing dem Glauben und der Lehre Christi steht, standen ihm weder die ursprünglichen Reformatoren des 16. noch die „klassischen Protestanten“ des 19. Jahrhunderts. Derzeit entsteht unter ökonomischen ökumenischen Vorzeichen etwas, das nur noch „neo“ ist, sich aber weder auf Moses und Abraham noch auf Christus und seine Apostel berufen kann. Eher auf den Vater aller Lügen.

Wer immer noch nicht wahrhaben will, wohin der Zug längst abgefahren ist, findet wie so oft wertvollen Aufschluß im Zentralorgan der deutschkatholischen Kirchenverderber „katholisch.de“. Besonders informativ die Auslassungen eines „Theologen“ namens Volgger, der das volle Ehesakrament für Homosexuelle ansteuert – nur Schritt für Schritt will er dabei vorgehen, damit der Frosch nicht vor der Zeit merkt, daß er gekocht wird. Aufschlußreich auch die Verärgerung über den Rückzug von Weihbischof Schwaderlapp aus dem Modern-Sex-Forum des Synodalen Weges, der somit nicht länger als Feigenblatt zur Verfügung steht, und nur noch peinlich die Intervention eines anderen „Theologen“, der in pseudowissenschaftlichem Jargon den Umsturz aller Moralvorstellungen als die einzig vertretbare Form der Traditionswahrung in der Kirche darstellt (hier). Müssen wir für solchen Unfug wirklich Kirchensteuer zahlen?

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Einheit - bedroht oder schon verloren?

(2. 6.)

In Italien ist der Pfingstmontag kein gesetzlicher Feiertag - in Deutschland wohl auch bald nicht mehr, darauf wird zurückzukommen sein - und deshalb ist Andrea Gagliarduccis montägliche Kolumne mit Hintergrundberichten und Analysen aus dem Vatikan auch ganz normal erschienen. Thema wie so oft und hier immer öfter nur mit gelangweiltem Schulterzucken quittiert: Strategie und Taktik im Pontifikat des Mannes aus der jesuitischen Pampas.

In dieser Woche geht Gagliarducci allerdings eine Kernfrage an: Wird dieser Papst, der so gerne links blinkt, rechts redet (oder umgekehrt) und dann in die Richtung losfährt, die ihm gerade passt - wird dieser Papst, die Einheit von Glaube und Kirche wahren können oder mit seinen vielfältigen Zwiespältigkeiten endgültig verspielen? Am nächsten kommt der Kommentator wohl der Wahrheit, wenn er anhand des deutschen Beispiels darüber nachsinnt, daß es vielleicht auf den Papst, zumindest auf diesen Papst, gar nicht mehr so sehr ankommt: Die Regionalfürsten tun, was man sie seit Jahrzehnten unsanktioniert tun läßt: Nämlich das, was sie wollen. Die Einheit ist nur noch eine Fiktion, und ob diese Fiktion hilfrei ist oder den Auflösungsprozess beschleunigt, wird sich früher herausstellen, als vielen lieb ist.

Galliarduccis Text erschien wie jeden Montag auf Monday Vatican, deutsch beim Beiboot Petri.