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Kein anderes Evangelium!

Bild Aus wdtprs, Fr. ZuhlsdorfDie Überschrift „gehört“ einer evangelischen Bewegung, die sich vor allem gegen die moderne Bibelwissenschaft des Protestantismus (die inzwischen von der katholischen Staatstheologie übernommen worden ist) wendet, und mit der Katholiken sicher in manchem nicht einer Meinung sind. Aber der Name stimmt, und das Programm, das er zum Ausdruck bringt, ist auch das Unsere. Wenn einer daherkommt – und sei es ein Prälat in rot oder gar in weiß – und uns ganz plump unter „heute würde Jesus sagen“ etwas unterjubeln will, was der heutige Jesus, sollte er nicht inzwischen schizophren geworden sein, ganz sicher nicht sagen würde – nicht mit uns. Da sind wir ganz bei Paulus im 1. Brief an die Galater: „Wer euch aber ein anderes Evangelium verkündigt, als wir euch verkündigt haben, der sei verflucht, auch wenn wir selbst es wären oder ein Engel vom Himmel.“

„Kein anderes Evangelium!“ - das wäre der Kriegsruf (denn ja, wir sind im Krieg), unter dem sich die glaubenstreue Katholiken treffen können, auch wenn sie in Sachen „Alte Messe“ unterschiedlicher Meinung sind. Es reicht völlig, wenn sie darin übereinstimmen, daß es nicht gut für die Gläubigen und die Kirche insgesamt ist, wenn das, „was früheren Generationen heilig war“, nicht auch uns Heutigen „heilig und groß“ bleibt. Also das unveräußerliche Existenzrecht der überlieferten Liturgie anerkennen.

Leider ist diese Übereinstimmung noch nicht einmal unter denen eine Selbstverständlichkeit, die „kein anderes Evangelium“ wollen. Keine Sekunde lang wollen wir die Glaubenstreue z.B. der zisterziensischen Gemeinschaft von Heiligenkreuz bestreiten – auch wenn deren Mitglieder sich immer wieder unverständlicher- und völlig unnötigerweise gegen die Fortführung der überlieferten Liturgie wenden, wie der damalige Rektor Karl Wallner bereits im Zusammenhang mit dem Erlass von Summorum Pontificum 2007 oder der gegenwärtige Abt Heim im vergangenen Sommer vor dem Kongress „Freude am Glauben“ in Regensburg. Auch Beifall soll er dafür bekommen haben – von dieser Zuhörerschaft. Nun gut – Mönche, die ein besonderes Gehorsamsgelübde abgelegt haben (und das in Heiligenkreuz wohl auch recht ernst nehmen), sind in dieser Sache ein Kapitel für sich. Aber es sind ja nicht nur Mönche wie Abt Heim, die die Tradis immer wieder auffordern, ihr angeblich die Einheit der Kirche verletzendes Festhalten an der überlieferten Liturgie aufzugeben, denn: „Die neue Messe, wenn man sie ordentlich feiert, ist das gleiche Kreuzesopfer“ – so Heim in Regensburg.

Der Einschub „wenn man sie ordentlich feiert“ ist verräterisch.

Hier geht es weiter Weiß Heim, von der Praxis in seinem Kloster verwöhnt, wirklich nicht, daß diese Bedingung zumindest im deutschen Sprachraum nur sehr selten erfüllt ist? Und das nicht nur aus Nachlässigkeit – was beim Thema Liturgie schon verwerflich genug wäre – sondern mit Absicht: Vorsteher und/oder „Liturgieausschuss“ wollen ganz bewußt etwas anderes demonstrieren oder durchsetzen, als das, was der Ordnung von Messbuch und „Allgemeiner Einführung“ entspricht. Sie wollen für die „Gleichberechtigung der Frau am Altar“ eintreten, die „Augenhöhe von Gottesdienstleiter und Versammlung“ betonen und überhaupt vom erlösenden Kreuzesopfer nicht mehr allzuviel wissen. Ganze Priestergenerationen sind genau dazu erzogen worden. Die Feier der Liturgie ist für viele (unter den wenigen, die überhaupt noch daran teilnehmen) nur ein weiteres Kampffeld zur Durchsetzung eines „anderen Evangeliums“.

Mit der Freigabe des Altarraums, jenes „locus horribilis“ wie ihn Moses seinerzeit (und die Angehörigen vieler Religionen auch heute noch) nur ohne Schuhe betreten, für jedermann und vor allem jedefrau, verfolgen sie ganz und gar unliturgische Ziele. Das gleiche gilt für die Betonung der Bildung eines geschlossenen Kreises durch die ebenfalls in allen Religionen unübliche Hinwendung des Priesters beim Höhepunkt der Opferhandlung zum „Publikum“ oder die Desakralisierung der gottesdienstlichen Sprache. Die „ordentliche Feier“ der Liturgie ist selten geworden. Und das nicht nur durch die Ungunst des Zeitgeistes, weil die Wurzeln oder zumindest die Möglichkeiten für die Unordnung im Novus Ordo selbst angelegt sind. Damit soll nicht behauptet werden, daß diese vielfach ins Blasphemische herabsinkende Instrumentalisierung der liturgischen Feier nach dem neuen Missale Pauls VI. die Absicht der Liturgiereformer gewesen sei – gegenüber den meisten wäre dieser Vorwurf unberechtigt. Und es ist auch nicht so, daß „die Glaubenskrise der Kirche ihren Grund in der neuen Messe“ hätte, wie die Kollegen von katholisches.info kürzlich über einen Artikel schrieben, in dem genau das an keiner Stelle behauptet wird. Die „neue Messe“ ist einer von mehreren Ausdrücken einer weit vor das Konzil zurückreichenden Glaubenskrise und nicht deren Ursache. Aber gleichzeitig wirkte und wirkt sie wegen schwerwiegender Mängeln in Konzept und Realisierung auch als Brandsatz, der diese Krise weiter anfachte.

Zu diesen Mängeln nur wenige Stichworte: Die tief implementierte Optionitis raubt der Liturgie gerade jene Einheitlichkeit, die angeblich durch die Weitergeltung des Vetus Ordo gefährdet wird – der weitestgehend ohne Optionen auskommt. Das theologisch problematische 2. Hochgebet, das inzwischen fast als Einziges regelmäßig gebraucht wird, verzichtet auf einen deutlichen Ausdruck zentraler Glaubensinhalte. Die aus falscher pastoraler Rücksichtnahme von „schwierigen Stellen“ gereinigte Leseordnung verstärkt diesen Trend noch. Ausdrücklich nicht in dieser stark verkürzten Mängelliste aufgeführt sind die Hinwendung des Priesters zur Gemeinde und der fast ausnahmsolose Verzicht auf die lateinische Sprache: Beides war weder vom Konzil gewollt noch in der ursprünglichen Version des paulinischen Messbuchs und seiner Proklamation vorgesehen – es handelt sich um Zusätze, die, wie man inzwischen sehr wohl argwöhnen kann, ausdrücklich von den Kräften propagiert und durchgesetzt wurdem, die ein, die ihr, „anderes Evangelium“ durchsetzen wollen.

Mit den meisten von diesen Mängeln könnte man fertig werden, wenn ein offizieller Wille dazu erkennbar wäre. Aber genau dieser Wille ist nicht erkennbar- im Gegenteil. Wer den praktizierten Mißbräuchen und Verstößen gegen die geltende Ordnung entgegentritt, muß ebenso wie die tridentinischen Tradis damit rechnen, als Papstgegner und Konszilsleugner verunglimpft zu werden. Die gelegentlich von höheren Prälaten und auch von Franziskus zu hörende Kritik an der Unordnung im Novus Ordo ist angesichts der herrschenden Praxis nichts als Heuchelei, um von dem gemeinsamen Ziel des „anderen Evangeliums“ abzulenken. Die Bilder von der verweigerten Mundkommunion – die imerhin nach der Rechtslage die „ordentliche Form“ des Kommunionempfngs wäre – bei Benedikts Totenmesse und das in mehreren besonders „papsttreuen“ Bistümern erfolgte Verbot der Zelebration des (angeblichen) lateinischen Ritus in seiner eigentlichen Sprache, vor allem aber das Nichtbeachten oder Kleinreden  über selbst schwerwiegendster liturgischer Mißbräuche wie bei der blasphemische „Konzelebration“ mit Lai:innen sind deutlicher Ausdruck dessen, daß genau das gewollt ist.

Wollte Rom die Mißbräuche des NO – die letztlich auf seine Zerstörung hinauslaufen – tatsächlich eindämmen, bräuchte es nicht einmal halb soviel Kraftaufwand wie der verbissene und mit rechtswidrigen Mitteln geführte Kampf gegen die überlieferte Liturgie: Mit der fast 200 Punkte umfassenden Instruktion „Redemptionis sacramentum“ von 2004 liegt ein mit hoher Autorität ausgestattetes Dokument vor, das zwar nicht alle, aber doch viele schwerwiegende Mißstände der „erneuerten“ Liturgie identifiziert und deren Abstellung fordert. Doch diese Forderungen wurden von den für die Liturgie in ihren Diözesen verantwortlichen Bischöfen überhört und auch von Papst Benedikt – dem eigentlichen Urheber der Instruktion – in keiner Weise durchgesetzt.

Nein, die von Benedikt so genannte „ordentliche Form“ des römischen Ritus ist längst der allgemeinen Unordnung anheim gefallen. Das schließt nicht aus, daß sie – mit einiger Kraftanstrengung und gegen Vorgaben aus Ordinariat oder Gemeinderat – auch „ordentlich“ zelebriert werden kann. Aber eine Empfehlung, doch der Einheit mit dem Papst und der Gesamtkirche zuliebe deshalb auf den Fortbestand der überlieferten Liturgie zu verzichten, läßt sich damit nicht begründen. Tatsächlich geht die Gefährdung der Einheit nicht vom Fortbestand des überlieferten Ritus aus. Die Einheit mit den Päpsten von Petrus I. bis Benedikt XVI. und mit der von Christus selbst seinen Aposteln und deren Nachfolgern anvertrauten Kirche von 2000 Jahren bedroht, ja zerreißen die, die diese Liturgie und die darin zum Ausdruck kommende Lehre aus der Kirche herausdrängen und dort ein neues, zeitgeistkompatibles und den weltlichen Mächten wohlgefälliges „anderes Evangelium“ etablieren wollen. Inwieweit der Vorwurf auch schon gegenüber Paul VI. zu erheben wäre, soll hier nicht diskutiert werden – alles in seinem Werk spricht dafür, daß er keine neue Lehre und keine neue Kirche wollte, sondern sich in der Wahl der zu einer begrenzten Anpassung der Kirche an die Gegenwart erforderlichen Mittel katastrophal täuschte und wohl auch arglistig getäuscht wurde.

Die traurigen Figuren in Rom, die diese gründlich gescheiterte Reform trotz der seit 60 Jahren gemachten Erfahrungen um jeden Preis durchsetzen wollen – über die Gründe dieser Starrheit hat Alcuin Reid kürzlich bedenkenswerte Einsichten veröffentlicht (Original bei Rorate Caeli, deutsch beim Beiboot Petri) – haben diese Entschuldigung nicht mehr. Sie handeln eigen- und böswillig; ihnen muß mit allen Mitteln Widerstand entgegengesetzt werden. Ein wichtiger Schritt, diesen Widerstand zu verstärken, würde darin bestehen, gegenüber allen, die wirklich „kein anderes Evangelium“ wollen, auf Diskussionen über liturgische Differenzen oder gar Forderungen zur pauschalen Abschaffung des NO zu verzichten. Wenn das „wahre Evangelium“ Christi durch gemeinsame Anstrengung und mit Gottes Segen wieder seine herrschende Stellung in der Kirche hat, wird sich die rechte Ordnung der Liturgie ebenfalls wiederherstellen lassen.

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