Zuviel ist zuviel
- Details
- 16. März 2017
Die in Rom zu Anfang des Jahres eingerichtete Kommission zur Überprüfung der Instruktion Liturgiam Authenticam nimmt Konturen an. Inzwischen gibt es eine auf „gut unterrichtete Kreise“ zurückgehend inoffizielle Mitgliederliste – und die bemerkenswerte Information, daß die Kommission ohne Mitwirkung und sogar ohne vorherige Information von Liturgie-Präfekt Sarah eingerichtet wurde, obwohl die Kommission unter dem Dach der Liturgiekongregation arbeiten soll.
Alles, was sonst noch über die Kommission bekannt geworden ist, deutet darauf hin, daß nicht der überlieferte Ritus – der ja ausnahmslos in lateinischer Sprache zelebriert wird – Gegenstand ihrer Arbeit sein soll, sondern die sprachlichen Voraussetzungen zur „Inkulturation“ der Liturgie in den verschiedenen Sprach- und Kulturräumen der katholischen Welt. Das Bugnini-Consilium der wilden Jahre1965-69 hatte in dieser Hinsicht bereits sehr weitgehende Konzepte entwickelt, die seinerzeit in dem Dokument „Comme le prevoit“ (hier eine englische Übersetzung) niedergelegt worden waren.
Methodischer Ansatz der Instruktion ist das in der Sprachwissenschaft der 60er Jahren modische Prinzip der „dynamischen Äquivalenz“ - das bedeutet: Die Angemessenheit einer Übersetzung entscheidet sich ganz konkret zu einem bestimmten Zeitpunkt und gegenüber einer bestimmten Hörer- bzw. Leserschaft - heute auf dem Dorf und morgen in der Stadt kann das sehr verschieden ausfallen. (Abschnitt 7 u. 36) Großes Gewicht wird darauf gelegt, Experten einzubeziehen, um die „wahre Bedeutung“ von Texten zu ermitteln (9) – als ob diese Bedeutung nicht längst festliegen würde. Fernziel der Verfasser ist es, möglichst viel Verantwortung für die „Gestaltung“ der Liturgie in die Hand der Gemeinden zu geben, die ihren Gottesdienst einschließlich der Formulierung aller Gebete innerhalb eines lockeren Rahmens selbst gestalten. (Abschnitt 20 u. 43) Gegenüber der Verwendung von gehobener Sprache werden klare Vorbehalte angemeldet (15), die Gottesdienstteilnehmer werden - wie so oft von den Liturgiereformen - für Idioten gehalten, wenn man davor warnt, den Ausdruck „Ort der Kühle und der Erfrischung“ in nördlichen Ländern wörtlich zu übertragen (23).
Die unter der Verantwortung des damaligen Präfekten der Liturgie-Kongregation Kardinal Medina Estevez erarbeitete Instruktion „Liturgiam Authenticam“ hatte demgegenüber die Bedeutung einer möglichst engen Orientierung der Übersetzungen am lateinischen Original unterstrichen und gefordert, die Messtexte in einer betont vom Alltag abgesetzten Sprachebene anzusiedeln. Das war ein äußerst wirkungsvoller Ansatz, um zwei der Lieblingsstrategien der Liturgierevolutionäre entgegenzuwirken: Die Ansiedlung der Liturgie im gewöhnlichen Lebensumfeld der jeweiligen Gemeinde und die Angleichung ihrer theologischen Aussagen an die je nach Zeit und Ort verschiedenen modernistischen Ersatzdogmen. Bekanntestes Beispiel: „Für Viele“ oder „für alle“.
Diese mit viel Mühe errichtete Barriere gegen die formale und inhaltliche Zersplitterung der Liturgie soll jetzt wieder eingerissen werden. Damit würde der einzige praktisch zumindest teilweise verwirklichte Ansatz zu einer „Reform der Reform“ – besser gesagt: zu einer Rückkehr zu der von den Konzilsvätern ursprünglich intendierten maßvollen Erneuerung der Liturgie – wieder aufgegeben. Das wäre durchaus im Sinne dieses Papstes, der den Begriff „Reform der Reform“ nicht mehr hören will und eine durchgänge Regionalisierung der Kirche mit weitgehender Einebnung in ihre jeweiligen sozialen Umfelder anstrebt – ohne dabei auf vielen bisher für „unverhandelbar“ gehaltenen Grundverpflichtungen des Glaubens zu bestehen.
Das kann man bedauern und sogar für verhängnisvoll halten. Andererseits kann man von der sicheren Position der überlieferten Liturgie aus den Entwicklungen auch eine positive Sicht abgewinnen. Je deutlicher der Charakter der neuen Liturgien als „banales Produkt des Augenblicks“ erkennbar wird, desto größer ist die Chance, daß mehr von denjenigen, denen diese Banalität zugemutet wird, das auch erkennen. Katholiken, die es mit ihrem Glauben ernst meinen – und die gibt es natürlich auch in den ganz normalen Gemeinden mit manchmal ganz normalen Liturgien – sind heute nicht mehr so lähmend autoritätsfixiert wie in den 60er Jahren. Und was zuviel ist, ist zuviel.