Bereichsnavigation Themen:

Christi Himmelfahrt II

Bild: aus der im Text verlinkten Quelle

Das Auferstehungsbild aus dem Evangeliar von Rabbula, das wir vor allem wegen seines hohen Alters für den Artikel zum Fest ausgewählt hatten, enthält bei näherer Betrachtung mehrere hoch bedeutsame Elemente. Das Wichtigste ist die ungewöhnliche Darstellung eines Thrones, auf dem der auferstandene, in den Himmel aufgefahrene und als Weltenrichter wiederkehrende Christus in der Mandorla wiedergegeben ist. Was auf den ersten Blick vielleicht noch nicht einmal als Thron, sondern eher als eine Art Ständer für die Mandorla, erscheinen mag, ist bei genauerem Hinschauen der Thron des Allmächtigen über den Cherubim, das Urbild der Kapporet, des „Schemels für die Füße“ des Herrn über der Bundeslade des ersten Tempels.

Die Ansammlung von mit Augen versehenen Flügeln, Rädern und Köpfen eines Löwen, eines Adlers, eines Stieres und eines Menschen sind der Versuch zur Abbildung des (oder der) lebenden Wesen, die in der Vision des Ezekiel (1, 1-24) den Thron der „Gestalt der Herrlichkeit des Herrn“ tragen, die „das Aussehen eines Menschen“ hat. Auch die etwas unmotiviert neben dem Stierkopf erscheinende Hand kommt von dort. Von alledem gehen die ebenfalls von Ezekiel erwähnten bernsteinfarbigen Feuerzungen aus. Mit diesem Christus auf dem Thron der Cherubim ist diese Darstellung unseres Wissens nach durchaus einzigartig. Die meisten anderen Bilder zur Himmelfahrt zeigen den in die Höhe aufsteigenden Christus in der Bewegung, gelegentlich sogar nur noch dessen Füße, denn „eine Wolke entzog ihn ihren Blicken“. Dringt der Blick des Künstlers dennoch bis zur Inthronisation des in sein Reich urückgekehrten Messias vor wie gelegentlich in Ikonen des Ostens, so ist sein Platz auf dem Regenbogenthron des Weltenrichters aus der Geheimen Offenbarung (Offb 4, 4), bei dem die „lebenden Wesen“ eher zum himmlischen Hofstaat gehören.

Der Rückgriff auf den von Ezekiel beschriebenen Thron über den Cherubim auf diesem ältesten Himmelfahrtsbild, das im späten 5. bis Mitte des 6. Jahrhunderts in Nordsysrien entstanden sein dürfte, ist ein wichtiger Beleg dafür, daß das frühe Christentum noch ein sehr lebendiges Bewußtsein davon hatte, daß der JHWH Israels die als Jesus Christus Mensch gewordene Person des göttlichen Wortes war. Hier geht es weiter

Der Text der Vison des Propheten ist überaus schwierig zu verstehen und ermöglicht in den verschiedenen hebräischen und griechischen Versionen verschiedene Deutungen hinsichtlich der Zahl (und übrigens auch des Geschlechts!) der den Thronwagen bildenden Cherubim: Sind es vier, oder nur einer, sind die ineinander kreisenden „lebendigen Räder“ – sie zeigen an, daß der Thron sich in alle Richtungen bewegen kann und stehen wohl für die Allgegenwart Gottes – ebenfalls Cherubim oder stehen sie, wie die Tradition der Orthodoxen es sieht, für die eigene englische Ordnung der „Throne“? Eines hingegen zeigt dieses Bild deutlich genug: Der, dessen Platz auf dem Thron der Cherubim ist, ist nicht der Gott, der im unzugänglichen Licht wohnt, sondern der Gott in der Gestalt eines Menschen – die den Menschen zugewandte und zugängliche Person der Inkarnation.

Die Mandorla des Gottes, der Menschengestalt angenommen hat, wird von zwei dienenden Engeln getragen oder gestützt; zwei weitere eilen in dynamischem Fluge herbei, um dem Messias Siegeskränze zu überbringen. In den oberen Ecken der himmlischen Szene erkennt man Sonne und Mond bzw. nach einem althebräischen Verständnis, das bis in den Lobgesang der drei Jünglinge und den Psalm 148 nachwirkt, die Engel von Mond und Sonne, die mit in den Chor des himmlischen Lobgesanges einstimmen. Angesichts der überaus schwierigen Textlage und der hochkomplizierten Taxonomie der unsichtbaren Schöpfung hat der Maler des Rabula-Manuskriptes jedenfalls keine schlechte Arbeit geleistet.

Zum Abschluß noch ein Detail aus dem irdischen Teil unseres Bildes. Das Evangelium des hl. Marcus (16, 14) ist ganz eindeutig: Zur Zeit der Himmelfahrt hatte das Apostelkollegium nur elf Mitglieder – Matthias wurde erst später als Nachfolger des Judas neu aufgenommen (Apg 1, 26). Der Maler des Rabula-Evangeliars zeigt dennoch schon zwölf – unverkennbar ist es Paulus mit dem Buch des Gelehrten, der auf der linken Seite das Gegenstück zu dem mit Schlüsselbund und Kreuz ausgezeichneten Petrus auf der rechten bildet. Die anderen erscheinen ohne individuelle Züge. Mit dieser anachronistischen Vorwegnahme des Völkerapostels ist das Bild von Rabula das früheste bekannte Zeugnis einer später vielfach geübten Praxis der bildlichen Wiedergabe der Auferstehung. Ein Apostelkollegium ohne Paulus war undenkbar.

Zusätzliche Informationen